Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

[Heiko Melzer (CDU): Es ist Verklärung, aber keine Aufklärung, was Sie hier abgeben!]

Wir werden auch gucken, ob in Zukunft Gefährdetenansprachen nötig sind von Leuten, die durch türkische Dienste bespitzelt werden. Das alles werden wir natürlich besprechen.

[Heiko Melzer (CDU): Unter Verschiedenes!]

Aber Ihr aufgeregtes Geflatter hier ist nicht nützlich. Wir werden das alles im Ausschuss im Detail beraten und daraus dann die entsprechenden Konsequenzen – auch für Berlin, falls notwendig – ziehen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Woldeit das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Zimmermann! Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie heute einen Namen genannt habe, den ich in der Debatte insgesamt vermisst habe, und zwar den Namen Erdoğan. Es geht hier nicht um die Türken in Deutschland, und es geht auch nicht um die Türken in der Türkei,

sondern es geht um einen Mann, der 1997 zitiert wurde mit den Worten:

Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.... Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind.

Im April dieses Jahres sagte er weiter:

Wir werden europäische Staaten weiter als Naziüberbleibsel und Faschisten bezeichnen, wenn sie ihre Einstellung zur Türkei nicht ändern.

Weitere unsägliche Aussagen dieses Herrn vom Bosporus möchte ich Ihnen und mir ersparen; sie dürften hinreichend bekannt sein. – Wir müssen feststellen und festhalten, dass mit der Bespitzelung einer Abgeordneten dieses Hauses sowie weiterer Berliner eine Grenze überschritten wurde, die so nicht mehr hinnehmbar ist. Man muss die Dinge beim Namen nennen, denn hierbei handelt es sich um einen Geheimdienstskandal.

[Beifall bei der AfD]

Der Präsident dieses Hohen Hauses hat zu Beginn der heutigen Sitzung die richtigen Worte dazu gefunden. – Um es vorwegzunehmen: Wir unterstützen den Antrag der CDU.

Die Verurteilung von Spionagetätigkeit durch Herrn Senator Geisel im Innenausschuss war übrigens richtig und wichtig – über deren Art und Umfang kann man nachdenken. Ich hätte es auch richtig gefunden, wenn wir das gemäß § 21 Abs. 3 GO Abghs gemacht hätten, denn so hat das einen gewissen Beigeschmack. Es kann nämlich in der Tat nicht sein, dass der lange Arm Erdoğans bis in die deutschen Parlamente dringt. Wir erwarten, dass seitens aller Fraktionen klare Kante gezeigt wird, was sich – Gott sei Dank – zeigt. Erdoğan geht offensichtlich davon aus, dass die Bundesregierung auf einen ganzheitlichen Kuschelkurs zur Türkei geht, damit vielleicht der Flüchtlingsdeal nicht platzt und er die absolute Narrenfreiheit hat. Ihm hier und seinem Geheimdienst Grenzen aufzuzeigen und die Skandale sofort zu stoppen liegt jedoch nicht im Ermessen des Berliner Abgeordnetenhauses, sondern da sind auch die Frau Bundeskanzlerin und die Bundesregierung gefordert.

[Beifall bei der AfD]

Der erste Ruf kommt von der Landespolitik, aus Berlin: Frau Merkel! Beenden Sie den Kuschelkurs mit der Türkei und Präsident Erdoğan! Sorgen Sie dafür, dass Erdoğan seine Geheimdienstspione aus deutschen Parlamenten heraus hält! Sorgen Sie dafür, dass Erdoğan die Probleme der Türkei auch in der Türkei löst! Sorgen Sie dafür, dass Erdoğan nicht weiter türkische Konflikte nach Deutschland trägt! Wie viel will man sich denn noch von einem Antidemokaten und Despoten gefallen lassen, der Richter einsperrt und Journalisten und alle, die nicht in seinen ideologischen Kram passen ins Gefängnis wirft?

(Frank Zimmermann)

Wie gesagt: Wir unterstützen diesen Antrag. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat nun der Abgeordnete Schrader das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass der türkische Geheimdienst mindestens 25 Personen aus Berlin auf einer Liste angeblicher Anhänger der Gülen-Bewegung geführt hat. Wir wissen wenig darüber, was der türkische Geheimdienst und die türkische Regierung hier sonst noch so treiben, und wir wissen wenig über die Motivlage, die dahinter steckt. Ich glaube, dass eines Konsens ist: Solche Spitzeleien eines Geheimdienstes in Deutschland gehen gar nicht, und schon gar nicht gegen Mitglieder eines Landesparlaments! Da stehen wir selbstverständlich an Ihrer Seite und verurteilen das, Frau DemirbükenWegner. Das möchte ich Ihnen gern noch einmal persönlich sagen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD, der CDU und den GRÜNEN]

Dass der Senat diesem Parlament alle Informationen gibt, die ihm zu diesem Vorgang vorliegen, ist eine Selbstverständlichkeit, und auch, dass er uns darüber informiert, wie die Behörden damit umgehen. Dazu muss der Senat natürlich wissen, welche Informationen den Berliner Behörden vorliegen. Da ist es kein gutes Bild, das die Berliner Polizei abgibt, wenn die Sache so lange liegenbleibt, bevor der Senator und die Öffentlichkeit darüber informiert werden. Das muss geklärt werden und darf so nicht vorkommen.

[Beifall bei der CDU]

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU, ganz viele Fragen dazu haben, wie sie in Ihrem Antrag formuliert sind, dann ist das Ihr gutes Recht. Aber zu diesem Zweck haben wir Ausschusssitzungen, in denen Sie Antworten erhalten. Da steht es auch schon auf der Tagesordnung. Deshalb ist es richtig, dass wir diesen Antrag in die Ausschüsse überweisen und nicht sofort abstimmen.

Ich empfehle Ihnen aber auch, sich an ihre Parteikollegen auf Bundesebene zu wenden. Da sind Sie nicht ganz unbeteiligt an der Regierung. Denn was Sie hier etwas vernachlässigen, wenn es um die Reaktion gegenüber der türkischen Regierung geht, da ist zuallererst die Bundesregierung in der Pflicht. So sehr, wie Sie diese Angelegenheit zum Anlass nehmen, gegen den Senat aufzurüsten, so halbherzig und inkonsequent agiert die Bundesregierung gegen die Machenschaften des Erdoğan-Regimes.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Da wird ja nicht nur gespitzelt, da werden Minderheiten verfolgt, da sitzen Journalistinnen und Journalisten in Haft. In der Bundesregierung wird noch nicht einmal darüber nachgedacht, die geheimdienstliche Zusammenarbeit mit der Türkei infragezustellen. Wenn es einem in den Kram passt, nimmt man die Informationen von denen gern. Aber damit nimmt man auch billigend in Kauf, auf welche Art und Weise die arbeiten. Ich finde, konsequentes Vorgehen gegen solche Menschenrechtsverletzungen sieht anders aus.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Christian Buchholz (AfD) und Karsten Woldeit (AfD)]

Genauso windelweich agiert Ihre Bundeskanzlerin, wenn es um die Spionage von sogenannten befreundeten Geheimdiensten, wie der NSA, in Deutschland geht. Die spionieren hier alles aus, was sie nur können. Da hätte ich mir ein ähnliches Engagement von der Berliner CDU gewünscht, wie Sie es jetzt hier an den Tag legen. Lassen Sie uns diese Vorgänge in den Ausschüssen gemeinsam aufarbeiten! Ich hoffe, dass Ihre Fragen dort auch beantwortet werden. Aber lassen Sie uns dieses ernste Thema nicht dazu benutzen, um es parteipolitisch auszuschlachten! – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Herr Krestel das Wort – der gerade nicht da ist. Liebe FDP, was nun?

[Torsten Schneider (SPD): Das muss der PGF jetzt machen, das ist so!]

Der parlamentarische Geschäftsführer, Herr Fresdorf, ist auch nicht am Platz. – Dann hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Abgeordneter Lux das Wort. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Spionagetätigkeiten gegen unsere Kollegin Frau Emine Demirbüken-Wegner durch den türkischen Geheimdienst sind stark zu verurteilen, und ich möchte Ihnen noch einmal im Namen meiner Fraktion, aber auch ganz persönlich, unsere Solidarität aussprechen und auch meiner Hochachtung vor Ihrer besonnenen Reaktion Ausdruck verleihen. Ich wünsche mir, dass Ihre Mandatsausübung unbeeindruckt bleibt von diesen Vorgängen und Sie jetzt erst recht mutig für die demokratische Verwirklichung Ihrer politischen Ziele streiten.

(Karsten Woldeit)

[Beifall bei den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Aber:

Mut besteht nicht darin, dass man die Gefahr blind übersieht, sondern darin, dass man sie sehend überwindet.

So Jean Paul. – So ist auch die Aufklärung der Geschehnisse ein wichtiges Anliegen, das zum Teil im Antrag der CDU enthalten ist. Sie stellen berechtigte Fragen. Ich finde aber auch, dass viele Fragen fehlen und manche auch über das Ziel hinausschießen.

Zunächst – das steht auch in den Medien –, liebe Kollegen von der CDU, ist es Sache des Generalbundesanwalts, der Ermittlungen eröffnet hat gegen 20 Tatverdächtige. Es ist seine originäre Zuständigkeit, gemäß § 120 Abs. 1 und § 142a GVG bei Straftaten, bei sonstigen Tätigkeiten für einen fremden Nachrichtendienst gemäß § 99 StGB die Ermittlungen zu führen. Es ist seine originäre und seine ausschließliche Zuständigkeit, diese Strafermittlungen zu führen. Da bitte ich Sie um Respekt, dass der Generalbundesanwalt diese rechtstaatliche Aufgabenzuweisung hat – und nicht das Land Berlin in unserem föderalen System.

Zweitens ist die Spionageabwehr gemäß §§ 3 und 5 BVerfSchG in der Regel Bundessache, insbesondere hier, da mehrere Länderinteressen betroffen sind. Es wurden Personen in ganz Deutschland ausgespitzelt. Deswegen ist es hier originäre Aufgabe des Bundesverfassungsschutzes, vor Spionage zu schützen.

Drittens – Kollege Schrader hat darauf schon hingewiesen – ist es gemäß Artikel 32 Abs. 1 GG Sache des Bundes, die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten zu leisten. Dass Länder darin einbezogen werden, ist manchmal so bei EU-Angelegenheiten. Aber seit den Konkordanzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ist klar, dass die diplomatische Angelegenheit auswärtige Angelegenheit des Bundes ist. So möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Sie mit dem Satz:

Es ist die Berliner Verantwortung durch konsequentes Handeln … aufzuklären,

nicht ganz richtig liegen und dass vor allem der Satz:

Die diplomatische Verurteilung und die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren sind durch den Senat von Berlin zu gewährleisten.

die Gewaltenteilung und den Föderalismus durchaus infrage stellt. Man könnte auch überspitzt sagen, Herr Kollege Graf: Dann müssten Sie sich die Westberliner Insel wieder zurückwünschen oder eine Monarchie aufbauen, oder Sie hätten auch für den Deutschen Bundestag kandidieren können, zum Beispiel in Steglitz-Zehlendorf wären Sie vielleicht ein geeigneter Kandidat gewesen. Aber Schluss mit der Polemik!

Die Zeitverluste sind in der Tat beklagenswert. Ich würde mir auch wünschen, dass schneller informiert wird. Dass Sie aber das Problem hier nicht einmal benennen, dass der Bundesnachrichtendienst Mitte Februar bereits die Liste bekommen hat, auf der deutsche Parlamentarier stehen, und erst – laut Aussagen des Kollegen Wegner – am 7. März die Länder informiert worden sind, da ist auch ein Zeitverlust zu beklagen, den man genauso ins Auge fassen muss. Es geht ja darum, die Betroffenen zu schützen.

Wenn ich mir Ihren Antrag anschaue – Sie nicken, Herr Graf, das freut mich –, stelle ich fest, dass sich von 18 Fragen, die Sie stellen, eine halbe – bei guter Auslegung – um den Schutz der Betroffenen kümmert. Der erste Frageblock richtet sich auf mögliche Versäumnisse des Senats, wann wer was davon wusste. Der zweite handelt von den diplomatischen Tätigkeiten und strafrechtlichen Ermittlungen, die originäre Sache des Bundes sind, was Sie offensichtlich nicht akzeptieren. Ein halber Fragepunkt widmet sich dem Schutz der Betroffenen. Ich finde, dem sollten wir uns deutlicher stellen. Da liegt nämlich in der Tat die Berliner Verantwortung, Opferschutz zu gewährleisten. Das ist nicht ganz leicht bei dieser dramatischen Aktion des türkischen Geheimdienstes, die – wir wissen nicht viel über die Motive – aber natürlich auch mittelbar das Ziel verfolgen, weiter einzuschüchtern, zu denunzieren, zu spalten, nur weil Deutschland und viele andere Länder eine andere Einschätzung der Rolle der Gülen-Bewegung haben.