Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und an den Hauptausschuss empfohlen. Widerspruch höre ich nicht. – Dann verfahren wir so.
Angriff auf den deutschen Parlamentarismus: Spionagetätigkeit des türkischen Geheimdienstes gegen Abgeordnete verurteilen – Kenntnis der Berliner Behörden aufklären.
Der Dringlichkeit hatten Sie bereits eingangs zugestimmt. In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU. Es hat der Abgeordnete Herr Graf das Wort. – Bitte schön!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eingangs noch einmal Präsident Wieland für seine Worte zu dieser Angelegenheit danken, deren Opfer auch unsere Kollegin Demirbüken-Wegner geworden ist. Es war gut, dass wir gemeinsam solidarisch – die Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen – diesen Vorgang heute Morgen verurteilt haben, denn es ist in der Tat auch ein Angriff auf den deutschen Parlamentarismus, auf uns alle. Es ist auch gut, dass wir damit auch dem türkischen Machtapparat eine eindeutige Botschaft senden, nämlich dass sich die deutsche Demokratie nicht einschüchtern lässt.
Dass sich unsere Kollegin Emine Demirbüken-Wegner auf dieser Liste befindet – genauso wie die Abgeordnete Frau Müntefering im Deutschen Bundestag –, haben wir zum Anlass genommen, hier eine dringliche Befassung zu beantragen. Wir wünschen uns die Geschlossenheit, die es bei der Verurteilung heute Morgen gab, auch bei der Aufklärung der im Laufe des gestrigen und heutigen Tages immer wieder neu aufkommenden Fragestellungen. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass die Koalitionsmehrheit im Innenausschuss in einer Angele
genheit, wo eine Kollegin von uns betroffen ist, diesen Tagesordnungspunkt zu einer Angelegenheit unter Verschiedenes erklärt, anstatt dort die Aufklärung der Fragen zu betreiben.
[Zuruf von der CDU: Peinlich! – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Unter „Besondere Vorkommnisse“! Sie sind falsch informiert. Wieder mal!]
Lieber Kollege Albers! Ich schätze Sie. Ihre Zwischenrufe sind manchmal auch lustig, aber in dieser Angelegenheit sind sie unverhältnismäßig und unangemessen.
Frau Präsidenten! Vielleicht können Sie die Redezeit stoppen. Mir läuft sie davon, weil Ihr Kollege mich, ehrlich gesagt, stört.
So ist es! Soviel zur Geschlossenheit, Herr Kollege Lux! Ihre Presseerklärung in der Opposition, wenn das unter Herrn Henkel passiert wäre, könnte ich Ihnen vorlesen. Aber lassen wir das!
Mir geht es nicht um Parteipolitik, sondern darum, die Fragen zu klären, die hier anstehen. – Sehr geehrter Herr Innensenator! Trifft es zu – wir wissen das seit gestern, weil das Bundesinnenministerium es dem Kollegen Wegner beantwortet hat –, dass sowohl am 7. als auch am 10. März sowohl die Verfassungsschutz- als auch die Landespolizeibehörden über die Vorgänge informiert wurden? Ich erwarte von Ihnen, dass Sie das klarstellen, denn das ist nicht die Angelegenheit Ihres Pressesprechers, die lakonische Bemerkung zu machen, Sie seien jetzt in guter Gesellschaft mit Frau Merkel. Im Bundestag ist die Kollegin offenbar zeitgerecht informiert worden. Hier ist es so, dass das Organisationsversagen auch bei der Verfassungsschutzbehörde liegt, also der Abteilung II Ihrer Verwaltung. Das hat dazu geführt, dass meine Kollegin erst 22 Tage später durch die Öffentlichkeit informiert wurde. Hierzu erwarten wir eine Aufklärung.
[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Marc Vallendar (AfD)]
Für alle Fragen reicht die Redezeit nicht aus. Wir haben eine Reihe von Fragen formuliert, die wir gerne im
Zwei, drei Punkte möchte ich aber noch anmerken: Der erste Punkt ist, dass wir wissen wollen, was an strafrechtlichen Verfolgungen gegen die Spione unternommen wird. Und wir wollen zweitens wissen, ob der Regierende Bürgermeister zum Beispiel auch in seiner Funktion als Chef des Senats gegenüber dem Auswärtigen Amt seinen Protest über die Aktivitäten zum Ausdruck gebracht hat, damit das auf diplomatischem Weg verurteilt wird. Der Regierende Bürgermeister ist heute entschuldigt abwesend. Seine Abwesenheit in dieser ganzen Angelegenheit ist nicht zu entschuldigen. Es wäre gut gewesen, wenn auch er als Regierungschef einige Worte zu dem Vorgang gesagt hätte.
Ein dritter Punkt: Wir fordern natürlich, Herr Innensenator, auch eine Darstellung gegenüber dem Parlament über die Art und den Umfang der Spionagetätigkeiten, jedenfalls soweit sie bekannt sind.
Kurzum: Ich appelliere an Sie, an die Fraktionen dieses Hauses, die Solidarität und Bereitschaft auch bei der Zusammenarbeit zur Aufklärung dieser Fragen an den Tag zu legen. Es geht bei dieser Angelegenheit überhaupt nicht um parteipolitisches Geplänkel, sondern das ist ein Vorgang, bei dem eine Kollegin von uns in einer inakzeptablen Weise Opfer von Spionagetätigkeiten geworden ist.
Das ist ein Beispiel dafür, dass es zu Versäumnissen im Sicherheitsapparat des Landes Berlin gekommen ist, und diese müssen wir aufklären. Herr Senator! Sie können gern noch in dieser Debatte das Wort ergreifen, das Recht haben Sie dazu, aber Antworten sind und bleiben Sie schuldig, meine Damen und Herren.
Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD hat nun der Herr Abgeordnete Zimmermann das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bespitzelung von Abgeordneten oder anderer Repräsentanten in Deutschland durch den türkischen Geheimdienst ist ein unerträglicher Affront gegen unsere Verfassungsorgane und wird vom gesamten Haus verurteilt, wie es heute
Sie stellt tatsächlich eine neuerliche Belastung des deutsch-türkischen Verhältnisses dar. Es ist – erstens – eine umfassende Analyse des gesamten Vorgangs erforderlich, und – zweitens – es ist notwendig, die richtigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Was jedoch nicht notwendig ist, Herr Graf, das ist, diesen Vorgang für eine derartig billige parteipolitische Polemik zu nutzen, um einen kurzfristigen Vorteil zu erheischen. Das ist unter Ihrer Würde, Herr Graf.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Florian Graf (CDU): Quatsch! – Danny Freymark (CDU) und Florian Graf (CDU): Das war nicht polemisch!]
Erstens: Ausgangspunkt für die verstärkten Geheim- dienstaktivitäten der Türkei war der Putschversuch im Sommer letzten Jahres, für den Erdoğan die sogenannte Gülen-Bewegung verantwortlich macht, und die versucht er, auch in Deutschland auszuspionieren. Dann übergab der MIT, der türkische Geheimdienst, am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz auch noch dem BND eine Namensliste der Ausgespähten. Die türkischen Behörden gehen offenbar davon aus, gemeinsam mit den deutschen Diensten, die angebliche terroristische Gefahr der Gülen-Bewegung zu bekämpfen. Welch ein fataler Irrtum! Außerhalb der Türkei glaubt niemand, dass die Gülen-Bewegung für den Putsch verantwortlich ist. Die Bundesrepublik hat keine Anhaltspunkte dafür, und auch der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hat sich so geäußert. Dennoch versucht die Türkei, auf verschiedenen Ebenen die Bundesregierung von ihrer Sicht zu überzeugen, und das wirft das entscheidende Schlaglicht auf die deutsch-türkischen Geheimdienstbeziehungen, die uns beschäftigen müssen. Das ist in erster Linie keine Berliner Angelegenheit, Herr Graf, sondern eine Angelegenheit auf der Bundesebene.
Die Kooperation der Dienste zwischen Deutschland und der Türkei hat eine lange Tradition. – Ich möchte jetzt nicht die Nachkriegszeit aus den Frühzeiten des Bundesnachrichtendienstes bemühen, das lässt sich alles gut nachlesen. – Relevant ist hier, dass 1978 BND-Mitarbeiter das Informations- und Dokumentationszentrum des MIT mit aufgebaut haben. Das ist nicht überraschend, denn Deutschland und die Türkei haben innerhalb der Nato gemeinsame Sicherheitsinteressen – auch und gerade jetzt in Zeiten des Terrors. Deswegen verbietet sich eine eindimensionale, effektheischende und vor Moral triefende Betrachtung, wie sie hier teilweise zu hören ist, sondern, was wir brauchen, das ist das,
Herr Melzer! –, was Ihr Kollege Thomas de Maizière im Bund fordert, nämlich eine nüchterne Analyse, die Sie nicht können, aber die die Interessen Deutschlands im Verhältnis zur Türkei unter diesen besonderen Belastungen wahrt und diese besonderen Entwicklungen berücksichtigt. Und das ist nicht so einfach, wie Sie sich das machen, Kolleginnen und Kollegen von der CDU.
Zweitens – zu den Konsequenzen: Das alles gehört in erster Linie auf die Bundesebene. Ganz sicher muss die Zusammenarbeit der Dienste zwischen Deutschland und der Türkei – wie Binninger das im Bund zu Recht forderte – überprüft werden. Selbstverständlich kann es so nicht weitergehen. Da liegt der Hase im Pfeffer, was wir an gemeinsamen Interessen definieren, und was wir mit denen noch machen können und was wir tun müssen, um unsere Schutzpflicht gegenüber den Deutschen gegen diesen Dienst durchzusetzen. Berlin arbeitet bei der Aufarbeitung mit dem Bund zusammen. Was Sie gesagt haben – Organisationsversagen in Berlin und so etwas –, das ist neben der Sache.
Hier geht es um die Klärung, wie die Informationen gelaufen sind. Das wird alles aufgearbeitet und geklärt.