[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Lachen bei der AfD – Georg Pazderski (AfD): Sie machen sich damit zum Handlanger von Erdoǧan!]
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass es so nicht weitergehen kann, wie es bisher läuft, ich glaube, das haben fast alle in diesem Hause hier begriffen.
An vielen Schulen in Berlin gibt es derzeit die Möglichkeit, nachmittags diesen muttersprachlichen Unterricht zu nehmen. Grundsätzlich ist es ein unterstützenswertes Angebot, das niemandem verwehrt werden sollte. Vor allem, wenn es um Unterricht geht, der auch von allen gewollt ist, ist daran nichts auszusetzen. Es ist aber wichtig und richtig, Jugendlichen eine Plattform dafür zu bieten, die eigene Muttersprache oder vielleicht auch besser die Sprache der Vorfahren ordentlich lernen zu können. Aber hier kommt auch schon das große Aber,
denn genau das hier ist der Punkt: Es sollte allein darum gehen, die Sprache zu lernen, vielleicht auch noch ein bisschen die Geschichte des Ursprungslandes, des Landes der Ahnen, aber mehr auch nicht. Alles andere hat in diesem Unterricht nichts zu suchen.
Wir wollen nicht, dass Konsulatslehrer von Erdoǧan ausgesucht, von Erdoǧan überwacht, von Erdoǧan kontrolliert hier in Deutschland kleine Erdoǧan-Minions erziehen und Inhalte übermitteln, die unsere freiheitlichdemokratische Grundordnung gefährden.
Dass es den türkischen Konsulatslehrern aber nicht primär um das Erlernen der Sprache geht, sollte hier allen deutlich geworden sein. Die von der Regierung in Ankara gesteuerten Verbände, allen voran DITIB, helfen mehreren Bundesländern bei der Erstellung von Lehrplänen, der Zulassung von Lehrkräften und sogar bei deren Ausbildung. Nicht nur die Verbände mischen sich in die Gestaltung der Schulpläne ein, sogar die Konsulate selbst. So hat das türkische Konsulat in Baden-Württemberg dafür gesorgt, dass in dem Lehrplan für den alevitischen Religionsunterricht der Begriff Dersim-Genozid gestrichen wurde. 1938 brachte die türkische Armee in Dersim eine große Zahl kurdischer Aleviten um. Das wurde einfach aus den Schulbüchern getilgt. Dies ist eine politische Manipulation, wie sie im Buche steht.
Der Zustand, dass an türkischen Konsulaten ohne jegliche Aufsicht Jugendliche mit antidemokratischen ErdoǧanParolen indoktriniert werden, ist schlichtweg nicht tragbar, denn Demokratie funktioniert nicht naturwüchsig, um den derzeitigen Leiter des Deutschen Jugendinstituts zu zitieren. Man muss dafür arbeiten, dafür kämpfen und darf es somit nicht zulassen, dass gegen unsere demokratischen Grundverständnisse verstoßendes Gedankengut in Schulen übermittelt wird.
[Beifall bei der FDP – Frank-Christian Hansel (AfD): Und darum haben wir diesen Antrag eingebracht!]
Deshalb fordern wir, die Freien Demokraten, als Stimme der Vernunft in diesem Hause, die wir nun mal sind, das wissen Sie ja bereits,
erstens den herkunftssprachlichen Unterricht unter die Kontrolle der Schulaufsicht des Landes Berlin zu stellen, zweitens das im herkunftssprachlichen Unterricht eingesetzte Unterrichtsmaterial inhaltlich darauf zu kontrollieren, ob das Material unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspricht,
und drittens, dass die eingesetzten Lehrpersonen in keinem Zusammenhang mit dem von Erdoǧan gesteuerten Verein DITIB stehen dürfen.
Denn – das ist klar – Bildung bedeutet auch Integration. Wenn die Lehrkräfte aber genau das Gegenteil im Sinn haben, ist das mit uns Freien Demokraten nicht zu machen. Wir werden den Änderungsantrag der CDU unterstützen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Jarasch das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Letzte Rednerin zu sein, hat Vor- und Nachteile. Vieles ist schon gesagt worden, und ich muss es nicht wiederholen. Das ist der Nachteil. Der Vorteil ist: Ich kann einen Schritt zurücktreten und darüber sprechen, worum es hier eigentlich geht. Ihre Anträge, werte Kollegen von der AfD, folgen einem ganz bestimmten Muster.
Sie sagen, Sie wollen den Islamunterricht kontrollieren, aber eigentlich wollen Sie ihn lieber ganz abschaffen. Das war die Konsequenz des Religionsunterrichtsantrags, den wir vor einigen Wochen diskutiert haben.
Zum türkischen Konsulatsunterricht sagen Sie: kontrollieren, besser noch ganz abschaffen. Der Hintergrund – aus Ihrer Sicht jedenfalls – ist immer Ihre Frage: Wie müssen Menschen sich verhalten, die fremd in diesem Land sind? Wie können wir hier fremde Einflüsse zurückdrängen? Sie haben Angst vor Überfremdung, um es nicht in den Worten von Dr. Curio zu sagen: Angst vor einem Geburtendschihad. Das ist vom Ansatz her schon so falsch, dass ich Ihnen einen Gefallen tue, wenn ich das neutral formuliere und sage, es geht Ihnen darum, wie Integration in diesem Land funktioniert. Das ist eine sehr gutwillige Interpretation.
Da kann ich Ihnen sagen: Was auf jeden Fall nicht funktioniert, ist Integration wie im Märchen der Brüder Grimm, nämlich nach dem Motto “Die Guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“, also guter Migrant, schlechter Migrant.
Damit wir uns nicht missverstehen: Natürlich gibt es unter Menschen mit Migrationshintergrund gute und böse
Menschen, genau wie unter denen ohne Migrationshintergrund, aber das ist immer eine Frage individuellen Verhaltens. Und für den Fall, dass sich jemand nicht an die Regeln hält, gibt es Gesetze in diesem Land.
Was auf jeden Fall nichts bringt, ist, Gruppen zu definieren und dann unter Generalverdacht zu stellen. Das ist keine Integration. Im Gegenteil: Das ist Spaltung der Gesellschaft, und die betreiben Sie.
Zurück zur Mehrsprachigkeit: Für die gilt genauso, dass es nicht die gute und die schlechte Fremdsprache gibt.
Mehrsprachigkeit ist immer ein Gewinn, egal welche Sprache, Hauptsache, sie wird gut und auf einem hohen Niveau gesprochen. Hier im Plenum haben Sie bereits für mehr Schüleraustausch mit England und auch mit China plädiert. Das ist eine gute Sache. Aber gute Türkisch-, Arabisch- und auch Bulgarischkenntnisse sind genauso wichtig für den Bildungserfolg und auch ebenso aussichtsreich.
Nein, danke! – Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag verankert, dass wir Mehrsprachigkeit mehr als bisher fördern wollen, dass wir die Herkunftssprachen der Kinder dieser Stadt auch als Prüfungssprache zulassen wollen. Können Sie sich vorstellen, was das für ein Perspektivenwechsel ist? Kinder, denen jahrelang nur erzählt wurde, dass sie sich gefälligst anstrengen müssen, damit ihre Deutschkenntnisse ebenso gut sind wie die ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler – es stellt übrigens niemand infrage, Herr Kerker, dass die Deutschkenntnisse gut sein müssen –, merken plötzlich, dass ihre Vater- oder Muttersprache kein Defizit ist, sondern womöglich ein Schatz, etwas, das sie ihren Mitschülern voraus haben. Ich war gestern in einer Musikrevue einer Kreuzberger Grundschule. Nach zahlreichen Tanzauftritten von streitbarem Niveau – wie das bei solchen Aufführungen üblich ist – kamen zwei Mädchen auf die Bühne und sangen vor einem großen Publikum ein türkisches Lied, und sie bekamen begeisterten Applaus. Sie hätten die Gesichter dieser Mädchen und ihre vor Stolz glühenden Wangen sehen sollen, dann könnte ich mir viele weitere Ausführungen darüber sparen, was die Anerkennung von Mehrsprachigkeit und die Förderung bewirken können.
[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Sie haben ja recht, aber darum geht es nicht!]
Ich freue mich, wenn wir uns an der Stelle einig sind. – Für uns, in einem Land ohne Bodenschätze, das mit seinen Produkten auf einem globalisierten Markt zu bestehen hat, ist die Förderung von Mehrsprachigkeit eine Riesenchance. Wenn wir nicht alle Fachkräfte, die man für diese internationalen Märkte braucht, ins Land holen wollen – womit wir bekanntlich kein Problem haben –, dann wären wir gut beraten, sie endlich hier auszubilden. Das fängt mit Sprache – in diesem Fall Sprachen – an.
Der Konsulatsunterricht, insbesondere der türkische, ist dafür ganz sicher keine gute Lösung. Er ist nur eine Krücke, ein Behelf. Er ist ein Beleg mehr für den großen Fehler der Gastarbeiterpolitik, die Pflege der Bedürfnisse türkischer Mitbürgerinnen und Mitbürger der Türkei zu überlassen. Das ist die gleiche kurzsichtige Politik, wie wir sie im Umgang mit der Religion und dem Großmachen von DITIB hier immer verfolgt haben. Es ist aber sicher keine Lösung, den Konsulatsunterricht jetzt einfach nur zu beenden. Ersetzen wir die schlechte Lösung durch eine bessere!
Natürlich gehört er, solange es ihn gibt, unter die Schulaufsicht. Daran arbeitet die Schulverwaltung bereits. Wenn Sie sich mit der Grundschulverordnung statt mit irgendwelchen EU-Richtlinien beschäftigt hätten, dann hätten Sie einen konkreten Vorschlag dazu machen können.
[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Heiko Melzer (CDU): Sie haben noch gar nichts vorgelegt!]
Es bedarf eines eigenen, staatlich verantworteten Angebots für Fremdsprachen an Berliner Schulen, zumindest für die häufigsten nichteuropäischen Herkunftssprachen. Daran arbeiten wir. So funktioniert Integration. – Deshalb, liebe Frau Bentele, wenn Sie sich jetzt nur an den Antrag der AfD hängen, um etwas zu machen, dann ist das ein bisschen wenig. Es ist auch zu wenig, sich nur auf den türkischen Unterricht zu konzentrieren. Insofern greift Ihr Antrag zu kurz. Wir freuen uns, Ihnen hier bald etwas vorlegen zu können.
Es wird die Überweisung des Antrags sowie des Änderungsantrags der Fraktion der CDU federführend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und mitbera