Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

(Zuruf des Abg. Dr. Witzel Bündnis 90/Die Grü- nen)

Dann gab es eine Bund-Länder-Kommission. 1996 hat sie ihre Ergebnisse abgeliefert. Die haben Sie auch nicht umgesetzt. Damals waren Sie an der Bundesregierung beteiligt, wir in der Mehrheit der A-Länder auf Länderseite. Was jetzt passiert, ist, dass gemäß der Koalitionsvereinbarung von Rot-Grün auf der Basis dieser Bund-LänderKommission eine Mietrechtsreform stattfindet. Das ist eine völlig vernünftige Angelegenheit und überwindet endlich den Stillstand in einem weiteren Bereich der Politik in der Bundesrepublik.

(Zuruf des Abg. Kurz CDU)

Und jetzt sagen Sie, das alles sei sehr einseitig.

(Abg. Kurz CDU: Das ist doch einseitig!)

Fangen wir jetzt einmal an mit diesen unterschiedlichen Kündigungsfristen. Für die Vermieter ändert sich überhaupt nichts. Für die Vermieter bleibt alles gleich.

(Abg. Fleischer CDU: Ja!)

Die werden überhaupt nicht schlechter gestellt. Was aber geändert wird, ist, dass man erkennt,

(Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

dass die Dynamik der Wirtschaft, die jetzt – begünstigt durch unsere Bundesregierung – aufbricht, auch ein Mehr an Mobilität von den Arbeitnehmern verlangt. Deshalb wird die Kündigungsfrist für diese reduziert. Das stellt den Vermieter nicht schlechter. Was Sie unterstellen, ist, dass es ein gleiches Gegenüber von Vermieter und Mieter gäbe. Das ist aber beim Mietrecht noch nie der Fall gewesen. Denn zwar waren die Fristen früher gleich, aber der Vermieter brauchte eine Begründung, und zwar eine sehr gute Begründung, um einem Mieter kündigen zu können,

(Abg. Kurz CDU: Die braucht er nach wie vor!)

und der Mieter brauchte die nie.

(Abg. Deuschle REP: Na also! Was wollen Sie denn damit? Dann unterstützen Sie das ja gerade mit Ihrer Argumentation!)

Die unterschiedliche Interessenlage wurde schon immer berücksichtigt, auch bei gleichen Fristen. Wenn man das nun bei diesem Bedürfnis nach zunehmender Mobilität macht und das dann in das neue Mietrecht aufnimmt, dann ist das nur sinnvoll.

Die Antwort der Regierung gibt ja übrigens gar kein Investitionshemmnis her. Die Große Anfrage ist mindestens halb

positiv und halb negativ beantwortet, zum Beispiel beim Thema, auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften gleich zu behandeln wie Familien,

(Abg. Deuschle REP: Aha!)

oder beim qualifizierten Mietspiegel, der endlich die notwendige Rechtssicherheit gibt, weil er die Gerichte bindet und weil er diesen Mietspiegel auch etwas aus dem Hinterzimmer herausholt, aus dem er häufig im Sinne von Geben und Nehmen zwischen Haus und Grund und dem Mieterbund formuliert wurde und deshalb auch nicht so verlässlich war. Jetzt wird das eine verlässliche Richtschnur, und das wird natürlich helfen, Streitigkeiten vor Gericht zu vermeiden.

Dann kommt diese Geschichte mit der Deckelung auf 20 %. Sie stimmen mir sicher zu, wenn ich sage, dass diese Deckelung in der Praxis kaum eine Rolle spielen wird; denn bei einem insgesamt ausgeglichenen Wohnungsmarkt ist es wenig realistisch, 30 % durchzusetzen. Allerdings müssen wir Vorsorge treffen, weil durch Ihre Wohnungspolitik die Knappheit in den Ballungsräumen und großen Städten des Landes zunimmt und sich die Marktsituation dort zulasten der Mieter verschlechtert. Wir wollen keine 30-%-Sprünge – da haben Sie völlig Recht –, und deshalb steht das auch da drin.

Jetzt die Sache mit der Steuer. Dass Sie noch den Mut haben, die früheren steuerlichen Regelungen hier zu verteidigen und zu sagen, man hätte alles so lassen sollen, wie es war, ist schon ziemlich frech. Sie erinnern sich vielleicht daran, dass Ihre Steuerbefreiungstatbestände dazu geführt haben, dass es zum Volkssport geworden war, dass insbesondere Millionäre und Superreiche nach Schlupflöchern gesucht haben, um nicht einmal mehr eine müde Mark Steuern zahlen zu müssen.

(Abg. Kurz CDU: Dadurch wurden Wohnungen gebaut! – Gegenruf des Abg. Brechtken SPD: Leer stehende in den neuen Ländern wurden gebaut, Herr Kollege!)

Sie erinnern sich daran, dass das Steueraufkommen im Zuständigkeitsbereich der Finanzämter, in denen es eine Häufung von Millioneneinkommen gab und die deshalb in der Regel früher immer 300, 400, 500 Millionen DM Einkommensteuer eingenommen haben, nicht nur auf null gegangen ist, sondern dass die Finanzämter sogar zurückzahlen mussten. Das heißt, die Groschen der Arbeitnehmer mussten dafür verwendet werden, um Millionären Steuern zurückzuerstatten.

Dies – dass nur noch die Verluste wichtig waren und nicht mehr die Investitionen, weil überhaupt niemand danach gefragt hat, ob sich die Investition irgendwann rechnet, sondern nur wichtig war, dass man hohe Verlustzuweisungen bekommen hat – hat auch dazu geführt, dass man beispielsweise in den östlichen Ländern Luxuswohnungen gebaut hat, für die es überhaupt keine Nachfrage gibt und die heute als Leerstand in der Gegend rumstehen.

Sie haben einen wichtigen Marktfaktor, nämlich die Nachfrage- und die Gewinnorientierung, außer Kraft gesetzt, und deshalb ist es völlig richtig, dass das geändert wurde.

Ich gebe zu, dass § 2 b des Einkommensteuergesetzes, weil es so viel Änderungsbedarf gab, tatsächlich missverständlich war und hätte so verstanden werden können, dass auch Anfangsverluste, wie sie im Wohnungsbau unvermeidlich sind, unter diesen Spekulationsparagraphen fallen. Aber Sie wissen wie ich, dass es mittlerweile einen Ministererlass gibt, der dies richtig stellt und der klar macht: Wenn einer investiert, um wenigstens mittel- und langfristig Gewinne zu erzielen, dann hat er überhaupt keine Probleme mit der Verrechnung von Verlusten aus dieser Investition mit anderen Einkommen.

Jetzt zum Schluss, Herr Präsident:

(Heiterkeit des Abg. Brechtken SPD – Abg. Brechtken SPD: Da brauchst du nur den Frieder anzugucken! Dann weißt du, wie weit die Redezeit ist!)

Investitionshemmend sind nicht die notwendigen Reformen in Berlin, sondern investitionshemmend sind solche Diskussionen, wie Sie sie führen. Wenn Sie heute noch behaupten, die Investitionsumlage werde von 11 auf 9 % reduziert, obwohl die längst wieder auf 11 % steht und die Regierung mehrfach erklärt hat, dass sie bei 11 % sinnvoll ist, dann erweisen sich Ihre Diskussion und Ihre Propaganda natürlich bei denjenigen, die es glauben, als ein Investitionshemmnis.

Deshalb kann ich Sie nur auffordern: Gehen Sie sachlich mit dem Thema um! Tragen Sie dazu bei, dass die Wahrheit diskutiert wird

(Abg. Kurz CDU: Die diskutieren wir!)

und dass man nicht einen Popanz aufbaut! Vor allem: Lösen Sie Ihre Aufgaben im Land Baden-Württemberg. Denn eines steht fest – –

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, Sie wollten schon seit geraumer Zeit zum Schluss kommen.

Ich bin am Ende, Herr Präsident.

(Heiterkeit – Abg. Fleischer CDU: Wenn er we- nigstens etwas Vernünftiges sagen würde!)

Weil er neu gewählt wurde: Der neu gewählte Vorsitzende des Verbands der Bauindustrie Nordbaden, Thomas Schleicher, hat Folgendes gesagt – ich zitiere wörtlich –: „Der Wohnungsbau ist tot, weil es keine öffentlichen Förderprogramme für privates Wohnungseigentum gibt.“

Also: Tun Sie was im Land Baden-Württemberg, und bauen Sie keinen bundespolitischen Popanz auf!

(Beifall bei der SPD – Abg. Brechtken SPD: Sehr gut!)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Witzel.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen, meine Herren! Die zwei Großen Anfragen der CDU und dazu

noch das Landeswohnungsbauprogramm 2001 bieten genügend Stoff, um mehrere Stunden darüber zu diskutieren. Angesichts der beschränkten Redezeit werde ich mich aber zurückhalten. Ich verzichte darauf, auf die Vorwürfe einzugehen, die Herr Kurz an die Bundesregierung gerichtet hat – dazu hat Herr Schmiedel dankenswerterweise schon das Notwendige gesagt. Ich werde mich auf das beschränken, worüber wir wirklich entscheiden können, nämlich auf das Landeswohnungsbauprogramm.

Ich möchte drei Punkte herausheben: erstens die allgemeine Ausrichtung der Wohnungsbauförderung, zweitens die Konzentration unserer Bemühungen auf den Wohnungsbestand, drittens das ökologische Bauen.

Meine Damen, meine Herren, der Wohnungsmarkt ist derzeit in weiten Bereichen entspannt – das hat Herr Kurz schon festgestellt. Der Wohnungsmangel, der noch Anfang der Neunzigerjahre herrschte, ist überwunden. Wer heute eine Wohnung sucht, kann fast überall eine finden, vorausgesetzt, er besitzt dafür auch das nötige Kleingeld.

In dieser Situation kann und muss sich der Staat von alten Zielvorstellungen des sozialen Wohnungsbaus verabschieden, nämlich für die breiten Schichten der Bevölkerung zu sorgen. Angesichts der hohen Staatsverschuldung müssen die Fördermittel gezielt eingesetzt werden, und das heißt: nicht mehr Förderung praktisch für alle, sondern Konzentration der Förderung auf diejenigen Haushalte, die wirklich Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt haben, also diejenigen, die trotz des großen Angebots keine bezahlbare Wohnung finden. Das sind zum Beispiel kinderreiche Familien, vor allem aber Haushalte mit geringem Einkommen in Ballungszentren.

Hier ist auch die Landespolitik gefordert. Die Landesregierung richtet ihre Förderung zwar auf kinderreiche Familien aus, aber Haushalte mit wirklich geringem Einkommen gehen dabei leer aus. Denn wer wenig verdient, zum Beispiel eine allein erziehende Mutter, braucht eine preiswerte Mietwohnung. Das Angebot der Landesregierung, sie beim Kauf eines Reihenhäuschens zu unterstützen, hilft ihr schlicht und einfach nicht weiter.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die notwendige preiswerte Mietwohnung fehlt, weil die Landesregierung hierfür die Förderung brutalst zusammengestrichen hat. 1995 wurden hier im Land noch 12 000 soziale Mietwohnungen gefördert, dieses Jahr sind es nur noch 200.

(Abg. Fleischer CDU: 300!)

Nächstes Jahr sollen es zwar 300 werden, Herr Fleischer, aber im Vergleich zu den 12 000 ist das alles noch ein Nasenwasser und ein Schlag ins Gesicht für alle Familien mit geringem Einkommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Flei- scher CDU: Ihnen ist die Subjektförderung wohl nicht geläufig?)

Das Problem der fehlenden preiswerten Mietwohnungen verschärft sich noch dadurch, Herr Fleischer, dass in den