Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

Das Problem der fehlenden preiswerten Mietwohnungen verschärft sich noch dadurch, Herr Fleischer, dass in den

nächsten Jahren massiv Wohnungen aus der Sozialbindung fallen. Wenn eine Sozialwohnung aus der Bindung fällt, wird die Miete in der Regel an das allgemeine Niveau angepasst, und damit verschwindet diese preiswerte Wohnung vom Markt.

Die Kommission zur Untersuchung der Wohnungsversorgung hat diesen Punkt kritisch hervorgehoben. Sie fordert verstärkte Bemühungen speziell im Bereich des Mietwohnungsbaus. Aber die Landesregierung, die in dieser Kommission federführend vertreten war, greift diese Vorschläge nicht auf. Die Mittel für den sozialen Mietwohnungsbau bleiben praktisch gleich. Sie steigen lediglich in kosmetischer Weise von 5 % auf knapp 7 % der gesamten Wohnungsbauförderung. Verglichen mit den 30 % oder gar 60 %, die Mitte der Neunzigerjahre dafür ausgegeben wurden, ist das ein Nichts. Hier zeigen Sie, Herr Döring, als der zuständige Minister, dass Sie kein Gespür für die sozialen Probleme haben, die mit der Vernachlässigung des Mietwohnungsbaus verbunden sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und des Abg. Schmiedel SPD)

Herr Abg. Dr. Witzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Kurz?

Bitte schön.

Herr Dr. Witzel, ist Ihnen bekannt, dass im Jahr 2000 kein einziger Antrag auf Bezuschussung und Förderung einer Mietwohnung abgelehnt werden musste? Alle wurden befriedigt.

(Abg. Schmiedel SPD: Das ist doch Unsinn!)

Herr Kurz, ich muss im Gegenzug darauf hinweisen, dass man im Wohnungsbereich langfristig denken muss.

(Abg. Kurz CDU: Das machen wir ja! Das wollen wir doch!)

Wenn auch im Augenblick kein akuter Mangel vorhanden ist, so muss man doch jetzt schon reagieren, weil sich die nächste Krise schon wieder abzeichnet.

(Abg. Seimetz CDU: Das ist Schimpfen für die Zukunft!)

Nein, das ist verantwortungsbewusstes Handeln, weil man im Wohnungsbau nicht von heute auf morgen reagieren kann.

Meine Damen, meine Herren, ich komme jetzt zum zweiten Punkt. In der Wohnungspolitik kann es nicht nur um den Neubau gehen. Vielmehr müssen wir uns verstärkt um den Wohnungsbestand kümmern. Für eine solche Ausrichtung gibt es viele Gründe. Zum einen sprechen hierfür die geringeren Kosten einer Modernisierung im Vergleich zum Neubau. Zum anderen geht es aber auch um die bessere Ökobilanz. Denn jeder Neubau hat einen erheblichen Verbrauch an Ressourcen zur Folge.

(Zu- und Gegenrufe zwischen Abgeordneten der SPD und der CDU)

Herr Präsident, können Sie bitte einmal für Ruhe sorgen.

(Heiterkeit)

Sie werden doch diese Unruhe aushalten.

Ich halte das aus, Herr Präsident.

(Heiterkeit)

Wenn Sie sich hinter meinem Rücken befinden, halte ich alles aus.

(Heiterkeit)

Insbesondere ist die von allen Seiten beklagte zunehmende Flächenversiegelung unter anderem auch eine Folge der Konzentration auf den Neubau. Als Vertreter einer ökologischen Partei ist es mir daher ein besonderes Anliegen, die bestehenden Wohnungen so zu modernisieren, dass sie guten Komfort bieten und wenig Energie verbrauchen.

Dieses Anliegen der Modernisierung des Wohnungsbestands, insbesondere auch in energetischer Hinsicht, findet in diesem Haus breite Unterstützung. Trotzdem gab es bei der Landesregierung dabei zunächst eine ausführliche Sendepause. In der Koalitionsvereinbarung wurde dies zwar als wichtiges Ziel genannt. Aber dann versank die energetische Gebäudemodernisierung in einen tiefen Schlaf. Die Mittel im Haushalt wurden nämlich zunächst gestrichen. Erst 1999, also drei Jahre später, gab es Geld. Angesichts der Milliardeninvestitionen, die hier notwendig sind, sind die 15 Millionen DM im Landeshaushalt aber nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

Die Bundesregierung dagegen setzt in diesem Bereich, der auch für den Arbeitsmarkt und den Klimaschutz von entscheidender Bedeutung ist, einen Schwerpunkt. Aus den UMTS-Erlösen finanziert sie mit 2 Milliarden DM ein auf fünf Jahre angelegtes Altbausanierungsprogramm. Gemäß dem üblichen Schlüssel werden für Baden-Württemberg davon etwa 200 Millionen DM abfallen.

(Zuruf des Ministers Dr. Döring)

Herr Döring, so sind die Zahlen.

(Minister Dr. Döring: Haben Sie das Geld schon?)

Das beginnt ab nächstem Jahr.

Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zu meinem dritten Punkt. Er lautet: Gerade beim Bauen ist die Ökologie wichtig. Denn beim Bauen werden unsere zukünftigen Verbrauchsstrukturen langfristig festgelegt. Das Spektrum der ökologischen Folgen des Bauens ist dabei breit gefächert. Es reicht vom Flächenverbrauch für neue Baugebiete über den Energieverbrauch der Häuser, der bundesweit etwa ein Drittel des gesamten Primärenergiebedarfs ausmacht, bis hin zu den Abfallmengen, bei denen die Bauschuttfraktion den größten Einzelposten bildet.

Angesichts der vielfältigen Auswirkungen des Bauens ist das ökologische Bauen das Gebot der Stunde. Was wir in

diesem Bereich heute versäumen, können wir in den nächsten 20 Jahren nicht mehr korrigieren. Wer das ökologische Bauen ignoriert, verpasst daher Chancen für nachhaltiges Wirtschaften und schafft Altlasten für die nächste Generation.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Vor diesem Hintergrund ist es höchst fatal, dass Sie, Herr Döring – er ist gerade nicht da –

(Zurufe: Doch!)

wo ist er? –

(Minister Dr. Döring sitzt auf seinem Abgeordne- tenplatz. – Zurufe: Da ist er!)

da ist er –, im neuen Landeswohnungsbauprogramm auch die letzten Reste der Förderung des ökologischen Bauens getilgt haben.

In den vergangenen Jahren gab es zumindest noch das Sonderprogramm „Rationelles und ökologisches Bauen“. Dieses Förderprogramm bedeutete zwar nur einen Fördervorrang. Der Großteil der Mittel entfiel dabei auf das kostengünstige Bauen. Das hatte mit Ökologie wenig am Hut. Aber es war trotz allem ein kleines Zeichen dafür, dass die Ökologie, wenn auch viel zu wenig, noch Beachtung findet.

Aber selbst dieses kleine Zeichen für die Ökologie wurde im neuen Landeswohnungsbauprogramm aus Ihrem Haus, Herr Döring, ersatzlos getilgt. Damit entfallen zum Beispiel Vorteile, die bisher dem Bauen in Holzbauweise eingeräumt wurden. Wir wissen aber: Wer mit Holz baut, schafft einen CO2-Speicher und entlastet somit das Klima. Wer mit Holz baut, nutzt einen nachwachsenden Rohstoff, der in unseren Wäldern und insbesondere nach dem Orkan Lothar reichlich vorhanden ist. Und zum Dritten: Wer mit Holz baut, hat auch keine Probleme, den Niedrigenergiestandard oder auch den Passivhausstandard zu erreichen. Dies und noch viel mehr spricht für die stärkere Nutzung des Rohstoffs Holz im Wohnungsbau.

Aber damit ich nicht missverstanden werde, möchte ich deutlich hinzufügen: Wir wollen kein Monopol für das Holz. Andere Baustoffe sollen auch Chancen am Markt behalten. Aber angesichts der vielfältigen Vorteile von Holz ist nicht zu verstehen, dass die Landesregierung gerade jetzt, ein Jahr nach dem Orkan Lothar, die Förderung der Holzbauweise eingestellt hat.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Natürlich bedeutet ökologisches Bauen mehr als nur die Verwendung gewisser Baustoffe. Neue Energie- und Verkehrskonzepte gehören ebenso dazu. In Nordrhein-Westfalen werden in diesem Sinne 50 Solarsiedlungen gefördert, die in umfassendem Sinne ökologisch innovatives Bauen demonstrieren. Aber hier im Lande werden im neuen Landeswohnungsbauprogramm auch die letzten Reste, die im vorherigen Programm noch ansatzweise vorhanden waren, ersatzlos gestrichen. Das zeigt: Diese Regierung denkt nicht zukunftsfähig und handelt erst recht nicht dementsprechend.

Meine Damen und Herren, ich fasse meine Kritik abschließend in drei Sätzen zusammen.

Erstens: Die Landesregierung vernachlässigt in sträflicher Art und Weise den sozialen Mietwohnungsbau.

Zweitens: Die Bemühungen um die energetische Modernisierung des Wohnungsbestands werden von uns zwar anerkannt, aber sie sind bei weitem nicht ausreichend.

Drittens: Die große Aufgabe des ökologischen Bauens wird von dieser Landesregierung nicht anerkannt. Es ist daher Zeit für eine neue, eine ökologisch orientierte Landesregierung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Brechtken SPD: Sehr gut!)

Das Wort erhält Herr Abg. Hofer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die beiden Großen Anfragen der CDU-Fraktion und auch der Bericht über die Wohnungsbauförderung zeigen, dass der Wohnungsmarkt sich landesweit in einem Maße entspannt hat, wie es landesweit noch nie der Fall war – wenn man von den Großstädten und den Universitätsstädten absieht.

Es zeigt sich aber auch – das füge ich hinzu –, dass Engpässe drohen, denen man vorzubeugen hat. Die stark absinkenden Fertigungszahlen lassen vor allem – auch hier stimme ich dem zuvor Gesagten zu – bei den Mietwohnungen in der Zukunft Knappheiten befürchten. Die Zahl der neuen Wohnungen bleibt nun schon im zweiten Jahr hinter den Bedarfszahlen zurück, mit allen negativen Auswirkungen auf die Bauwirtschaft. Aus der Vergangenheit wissen wir aus leidvoller Erfahrung, wie schnell es gehen kann, dass der Wohnungsmarkt von einem Plus ins Minus umschwenkt. Es ist also schon Handlungsbedarf vorhanden, damit die Wohnraumversorgung nicht wieder vom Überschuss zum Mangel wechselt.