Jetzt kommt ein Versuch, beides unter einen Hut zu bringen. Ich glaube aber, Herr Winckler, das ist kein Kompromiss, sondern es ist – in Teilen jedenfalls – Murks. Zwar ist es richtig, die Einkommensgrenzen anzuheben und die Abgaben zu verringern. Aber dann ist die Frage konkret zu beantworten: Lohnt sich der bürokratische Aufwand noch, und lohnt die drohende Abschreckung? Denn wenn ich dann doch über diese Grenze komme, dann muss ich eben doch zahlen.
Auf diese Frage gibt der Gesetzentwurf die Antwort. Herr Minister, in der Ausschussberatung wird uns dann schon interessieren, wie Sie sich das praktisch vorstellen. Wenn so verfahren würde, wie es Herr Winckler gerade geschildert hat, wäre es so: Da gibt es in einem Block eine Familie, die sich mit Auszugsgedanken trägt. Irgendjemand oder die Familie selbst teilt das dem Wohnungsamt mit. Dann kommt irgendjemand und stellt fest: „Ja, die wollen wir da halten, weil die für die Stabilität im Gebäude wichtig sind“, und dann zahlen die nichts oder weniger, und die Familie darüber, vielleicht eine türkische, die vielleicht ein genauso hohes Familieneinkommen hat, muss mehr zahlen. Wer beantwortet eigentlich die Frage? Das Wohnungsamt? Oder gibt es da so eine Art Wohlfahrtsausschuss? Wir halten es für ungeheuer problematisch, diese Diskussion so zu führen, dass die Frage auf einzelne Familien hin zu beantworten ist. Das schafft zwangsläufig Unfrieden und Unmut.
Deshalb, verehrter Herr Kollege: Weil die Südwest-SPD, die SPD aus Baden-Württemberg, über enormen Einfluss verfügt, gibt es natürlich bereits eine bundesweite Diskussion über die Frage der Sinnhaftigkeit einer Fehlbelegungsabgabe in weiterer Zukunft. Es gibt mittlerweile auch gewichtige Verbündete in dieser Frage, die sagen: Wir können zwar jetzt versuchen, aus einem Murks ein bisschen weniger Murks zu machen und noch einmal eine bürokratische Volte drehen; wir könnten aber auch ernsthaft eine Diskussion beginnen und fragen: Wollen wir angesichts der Notwendigkeit, diese Quartiere aus den Sechziger- und Siebzigerjahren zu stabilisieren, wirklich auch weiterhin mit diesem Instrument arbeiten? Ich persönlich gehöre zu denen, die sagen: Wir müssen etwas tun, und zwar etwas Richtiges.
Hinzu kommt, dass es Gemeinden gibt, die einen Verzicht auf die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe erwägen. Der zuständige Ausschuss im Gemeinderat der Stadt Stuttgart hat, wenn ich es richtig weiß, einstimmig beschlossen, auf die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe zu verzichten. Es gibt auch andere Städte, die sich mit diesem Gedanken tragen. Ich frage mich: Weshalb sollen wir diesen kommunalen Willen eigentlich nicht respektieren? Jetzt sagen Sie: Dem steht das Bundesrecht entgegen, weil das Bundesrecht verlangt, dass die Länder das festlegen. Aber wer hindert eigentlich das Land Baden-Württemberg daran, einen solchen kommunalen Wunsch zu respektieren und die Kommunen, die das aus ihren spezifischen Erwägungen heraus nicht wollen, aus der Liste der Städte herauszunehmen, die die Fehlbelegungsabgabe zu erheben haben?
Deshalb, Herr Minister, hätten wir gern bei der Ausschussberatung der Frage, wie die Herausnahme einzelner Wohnungen eigentlich konkret praktiziert werden soll, auch eine Antwort auf die Fragen, welche Kommunen in BadenWürttemberg an diesem Instrument festhalten wollen und welche Kommunen eher nicht daran festhalten wollen und ob Sie und die Koalitionsfraktionen bereit sind, den kommunalen Willen zu respektieren.
Wir wollen eine einfache und praktikable Lösung, ein Signal an diejenigen Familien, die in Gebieten mit Sozialwohnungen wohnen: „Ihr seid willkommen, ihr werdet gebraucht, macht weiter aktiv mit, ihr werdet nicht bestraft.“ Wir wollen die kommunale Entscheidungshoheit respektieren, und wir wollen allenfalls dann, wenn die Kommunen erklären, sie wollten das noch anwenden, darüber reden, ob die Instrumente, wie Sie sie hier vorschlagen, tauglich sind.
Das wird eine interessante Debatte. Man darf sich nicht, wie Sie gerade, ideologisch an diesem Aspekt festklammern: die Fehlbelegungsabgabe beibehalten, auch wenn wir sehen, dass es jede Menge Fehlentwicklungen gibt, und auch angesichts dessen, dass die Zahl der Wohnungen, die mit einer Fehlbelegungsabgabe belegt werden können, sowieso kontinuierlich abnimmt und das Aufkommen jetzt sowieso noch einmal sinkt.
Daher sollte man sich wirklich vorurteilsfrei in die Diskussion darüber begeben, ob wir die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe nicht in die politische Entscheidung der jeweiligen Gemeinde stellen. Wenn wir uns auf dieser Ebene treffen können, dann erreichen wir sicher eine zentrale Verbesserung bei dem gemeinsamen Anliegen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fehlbelegungsabgabe halten wir Grünen im Prinzip für ein sinnvolles Instrument, um Mieter von Sozialwohnungen, die aufgrund ihres Einkommens keinen Anspruch mehr auf diese Vergünstigung haben, an den Kosten der Förderung zu beteiligen und auf diese Weise einen sozialen Ausgleich zu erreichen. Aus diesen prinzipiellen Gerechtigkeitsüberlegungen heraus lehnen wir Grünen die völlige Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe ab.
Es gibt allerdings gute Gründe dafür, den Städten bei der Anwendung dieses Instruments mehr Freiräume einzuräumen. Wir erkennen dabei an – das ist ja auch schon gesagt worden –, dass Mieter mit höherem Einkommen insbesondere in Stadtvierteln, die über eine hohe Konzentration von Sozialwohnungen verfügen, oftmals eine sozial stabilisierende Funktion für diese Siedlungen haben, und wenn Wohnungen bzw. gewisse Stadtviertel von der Erhebung der Fehlbelegungsabgabe ausgenommen werden, kann das einer einseitigen Mieterstruktur bzw. der Herausbildung sozialer Brennpunkte entgegenwirken. Wir treten daher dafür ein, dass den Kommunen verstärkt die Möglichkeit eingeräumt wird, im Rahmen der verfassungsmäßigen Grenzen eigenständig über den Einsatz und die Ausgestaltung der Fehlbelegungsabgabe zu entscheiden. Denn ein differenzierter Einsatz der Fehlbelegungsabgabe kann die soziale Dynamik stärker berücksichtigen. Das leistet einen Beitrag zu stabilen Nachbarschaften und lebendigen Stadtvierteln. Wir meinen, den Einwänden, die Herr Kollege Schmiedel eben vorgetragen hat, kann am besten begegnet werden, wenn konkret vor Ort entschieden wird. Dazu ist es wichtig, dass die Kommunen mehr entscheiden können,
dass sie selbst Richtlinien entwickeln können, wie die Fehlbelegungsabgabe erhoben wird und welche Wohnungen ausgenommen werden.
Herr Schmiedel, es ist natürlich nicht so, dass das auf einen speziellen Mieter zugeschnitten werden soll.
Aber die Kommunen wissen selbst, welche Viertel problematisch sind, wo die Entstehung sozialer Brennpunkte droht. Dann soll die Kommune die Möglichkeit erhalten, diese Viertel, diese Straßenzüge oder diese Wohnblöcke aus der Fehlbelegungsabgabe herauszunehmen.
Andererseits soll die Kommune auch die Möglichkeit behalten, wenn die Sozialwohnungen dezentral über das ganze Stadtgebiet verstreut sind und es keinerlei Probleme gibt, die Fehlbelegungsabgabe weiterhin zu erheben und die Erträge daraus sinnvoll zu nutzen.
Damit komme ich zum zweiten Punkt. In diesem Gesetzentwurf sollen neue Verwendungsmöglichkeiten für die Gelder aus der Fehlbelegungsabgabe zugelassen werden. Zum einen kommt der Erwerb von Belegungsrechten dazu, zum anderen Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes gerade in solchen Siedlungen, die problematisch zu werden drohen. Das halten wir Grüne für sehr wichtig. Gerade weil viele Sozialwohnungen aus der Bindung fallen, ist der Erwerb von Belegungsrechten für die Kommunen ein sehr wichtiger Weg, um dem Mangel an sozialen Mietwohnungen entgegenzutreten. Es ist aber auch wichtig, dass Wohnviertel, die sich möglicherweise zu sozialen Brennpunkten entwickeln, attraktiv gestaltet werden, damit Mieter, die ein höheres Einkommen haben und sich auch woanders eine Wohnung leisten könnten, in diesen Wohnvierteln bleiben.
Wir halten deshalb im Grundsatz das Anliegen dieses Gesetzentwurfs für unterstützenswert, und ich kann insofern die Zustimmung der Grünen zu diesem Gesetzentwurf signalisieren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das baden-württembergische Fehlbelegungsrecht soll mit Wirkung vom 1. Januar 2001 dahin gehend geändert werden, dass die Belastung durch die Fehlbelegungsabgabe maßvoll zurückgeführt wird. Zusätzlich sollen den Gemeinden Instrumente zur Bewältigung von Problemen an die Hand gegeben werden, die durch die Ausbildung einseitiger Strukturen in Sozialwohnungsgebieten, insbesondere in den großen Sozialwohnungsgebieten der Sechziger- und Siebzigerjahre, entstanden sind.
Bei der Regelung der Fehlbelegungsabgabe tut man gut daran, sich vor Augen zu halten, dass eine der größten städtebaulichen und wohnungsbaupolitischen Aufgaben der Gegenwart und der Zukunft darin liegt, den Altbaubestand zu erhalten, ihn zu modernisieren und ihn sozial so zu durchmischen, dass er auch in der Zukunft funktioniert.
Viele unserer städtischen Sozialwohnungsgebiete sind in einer Zeit entstanden, in der das Wohnungswesen noch vornehmlich von Verteilung und Zuteilung beherrscht war. Der Wohnungsmarkt war bei weitem noch nicht so entwickelt und auch noch nicht so entspannt wie heute. Gefördert wurden in erster Linie Wohnungen nach dem ersten Förderweg des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, das heißt mit erheblichen Steuermitteln in das Wohnobjekt, und nicht wie heute in erster Linie über das System der einkommensorientierten Förderung, das heißt der Subjektförderung.
Angesichts der in der Zwischenzeit eingetretenen Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt und der Notwendigkeit, die Altbaubestände zu modernisieren, gibt es Stimmen, die vorschlagen, ja geradezu fordern, wie etwa der Verband baden-württembergischer Wohnungsbauunternehmen, die Fehlbelegungsabgabe abzuschaffen.
Diese Forderung kollidiert wiederum mit dem sicherlich nicht unberechtigten sozial- und ordnungspolitischen Hinweis, dass man in großem Umfang öffentliche Mittel ausgegeben habe mit der Bindung für einen sozial berechtigten Kreis, dem diese Mittel auch vorbehalten bleiben müssen.
Ich denke, dass der vorgelegte Gesetzentwurf hier die richtige Interessenabwägung vornimmt. Zum einen werden Eingriffsschwelle und Erhebungsstufen sowie der Unterschied der Sozialmiete zum Mietpreis einer ungeförderten vergleichbaren Miete so angehoben bzw. begrenzt, dass der Mieter bei der Fehlbelegungsabgabe in einem Maß entlastet wird, wie es schon vor 1996 der Fall war.
Richtigerweise wurde dem Gesichtspunkt Rechnung getragen, dass sich das Einkommen in den letzten fünf Jahren nominal zwar um 6 % erhöht hat. Aber wegen der im gleichen Zeitraum gestiegenen Lebenshaltungskosten in Höhe von 4,5 % war es real eben nur eine Erhöhung um 1,5 %.
Dies bedeutet, anhand eines praktischen Beispiels aufgezeigt: Bei einem Rentnerhaushalt mit zwei Personen steigt die Einkommensgrenze von derzeit 45 000 auf 52 000 DM an. Dies erscheint mir recht und billig und auch sozial ausgewogen.
Die größte Tragweite allerdings beinhaltet die vorgesehene Regelung im neu hinzugefügten Absatz 3 in § 3 des Gesetzes über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen, wonach es den Gemeinden ermöglicht wird, für Wohngebäude oder einzelne Wohnungen ganz oder teilweise von der Erhebung der Fehlbelegungsabgabe abzusehen, wenn dies dem Erfordernis sozial gemischter Belegungsstrukturen dient.
Diese Regelung ist zum einen vom Inhalt her sehr weitgehend. Zum anderen ist sie insbesondere aber von den Kriterien her so allgemein gehalten, dass es eigentlich auch hätte umgekehrt lauten können: Die Gemeinden entscheiden selbst, ob sie unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts sozial gemischter Belegungsstrukturen eine Fehlbelegungsabgabe erheben wollen. Eine solche Regelung, die ganz auf die Eigenverantwortung der Kommunen abstellt, wäre mir eigentlich lieber gewesen.
Sie wäre jedoch nach übereinstimmender Auskunft von Innenministerium, Wirtschaftsministerium und Justizministerium rechtlich nicht haltbar.
Zu begrüßen ist auch, dass das Abgabeaufkommen für den Kauf von Belegungsrechten, für die Modernisierung des Altbaubestands
Für die Zukunft wird man die Konsequenz ziehen müssen, dass von der Objekt- grundsätzlich auf die Subjektförderung umgestellt wird.
Ob die vorgesehene Anhebung der Eingriffsschwelle genügt, um auch Mieter mit etwas höherem Einkommen in Sozialwohngebieten zu halten, wird sich zeigen. Im Interesse der Verhinderung sozialer Gettos mit steigenden Kriminalitätsraten, sinkender Lebensqualität und ungünstiger Belegung von sozialen Einrichtungen wie zum Beispiel Kindergärten muss ein entsprechender Versuch gemacht werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Herr Minister hat seine Rede vorhin mit den Worten eröffnet: „Die Fehlbelegungsabgabe ist nach wie vor richtig.“ Aber das Wirtschaftsministerium hat die Aussage getroffen, dass die Fehlbelegungsabgabe landesweit entfallen könnte, wenn nur in der Durchführungsverordnung kei
ne fehlbelegungsabgabeerhebungspflichtigen Städte ausgewiesen würden. Herr Minister, offiziell äußern Sie sich so und quasi unter vier Augen etwas anders. Dieses Verhalten halte ich für nicht ganz richtig und nicht ganz redlich.
Die SPD – so habe ich den Kollegen Schmiedel verstanden – tendiert eigentlich dazu, die Fehlbelegungsabgabe ganz entfallen zu lassen. So hat sich auch die SPD in Stuttgart verhalten. Aber warum setzen Sie das nicht bei der Bundesregierung durch? Es handelt sich hier um ein Bundesgesetz.
Zum Handwerklichen des Gesetzentwurfs, Herr Minister. Laut Ziffer 3 des Artikels 1 soll in § 3 ein Absatz 3 angefügt werden. Kollegin Fauser hat dies auch angeschnitten. Danach kann von der Erhebung einer Ausgleichszahlung abgesehen werden, wenn „Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies dem Erhalt oder der Wiederherstellung sozial gemischter Belegungsstrukturen dient“. Jetzt ist die Frage: Wer definiert eigentlich, was „Erhalt oder Wiederherstellung gemischter Belegungsstrukturen“ ist? Ist es noch gemischt, wenn nur noch 5 % der Anwohner deutsche Staatsbürger sind, oder dürfen es auch 50 % sein, und wie weit dürfen Kommunen widerspruchslos selbst entscheiden? Frau Kollegin Fauser hat es erwähnt. Korrigiert – und, wenn ja, nach welchen Kriterien – beispielsweise das Regierungspräsidium oder das Wirtschaftsministerium solche Entscheidungen? Das alles steht nicht im Detail im Gesetzentwurf. Das wird Probleme geben. Was wäre beispielsweise, wenn Stuttgart den Stadtteil Ostheim gänzlich freistellen würde, Heslach aber nicht? Das wäre doch eine Diskriminierung von Heslach. Hier muss im Ausschuss nachgebessert werden. Wir werden dazu Anträge einbringen, auch zur Einstufung der Ausgleichszahlungen.
Schließlich, Herr Minister, sollte die Umstellung von D-Mark auf Euro direkt im Gesetzestext genannt und nicht irgendwo in einer Begründung versteckt werden.