(Lebhafter Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen – Zurufe der Abg. Göbel und Kiefl CDU)
Das Wort nach § 82 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält der Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Herr Dr. Salomon.
Die Frage, meine Damen und Herren, was diese Regierungserklärung zum Thema BSE sollte, hat nicht nur uns beschäftigt, sondern das ging ja weit in Ihre Reihen hinein. Alle haben sich gefragt: Was soll diese Regierungserklärung zu diesem Zeitpunkt?
Ich hätte mir gewünscht, dass Sie sich vor wenigen Wochen zu einem ganz anderen Thema, nämlich zum Rechtsextremismus, hier im Plenum zu Wort gemeldet hätten bzw. vielleicht eine Regierungserklärung abgegeben hätten.
Jetzt habe ich Ihre Regierungserklärung vernommen und in der ersten Runde auch gesagt, wie sie auf mich gewirkt hat. Ich weiß jetzt – ich war als Kind Asterix-Leser –, dass Sie glauben – –
In Ihrer Regierungserklärung gibt es einen Satz, der nicht zum Rest passt. Sie sagten nämlich sinngemäß, die Globalisierung führe dazu, dass man natürlich auch um BadenWürttemberg keinen Zaun errichten könne. Aber Sie tun so, als hätten wir hier in Baden-Württemberg folgende Situation: Baden-Württemberg, du hast es besser! Hier ist alles Klasse. Die Landwirtschaft bei uns ist schon Spitze.
Der Begriff „ökologische Landwirtschaft“ kommt zwar nicht vor, aber auch Frau Staiblin sagt: Bei uns ist alles bestens; die anderen sollen sich erst einmal so anstrengen. Bei uns gibt es keine Tierfabriken.
Es ist alles toll, und wenn irgendetwas nicht toll ist, dann ist die Bundesregierung schuld, dann ist die EU schuld, dann sind irgendwelche Verbrecher schuld, die auf Umwegen britisches Rindfleisch in dieses Land bringen.
Das kann doch nicht sein, meine Damen und Herren! Sie können sich doch hier nicht hinstellen und so tun, als hätten Sie mit der EU-Politik, die Sie 20 Jahre mitgemacht haben, nichts zu tun.
Ich gebe gern zu, dass die EU-Landwirtschaftspolitik nicht nur überholt ist, sondern dringend überholt werden sollte.
dass das, was Herr Schröder jetzt im Bundestag gesagt hat, wir müssten zu einer Entwicklung weg von den Tierfabriken und hin zu einer artgerechten Tierhaltung kommen, auch in der EU erst einmal umgesetzt werden muss. Das ist überhaupt keine Frage.
Das ist eine Aufgabe, die man wahrscheinlich auch nicht in Monaten, sondern nur in Jahren erledigen kann. Aber das geht nur dann, wenn sich das Bewusstsein insgesamt ändert, und da sind wir am Punkt: Das Bewusstsein muss sich ändern.
Ich war vor wenigen Wochen in Wangen bei der Biokäserei Zurwies. Herr Kiefl kennt sie. Die reden auch gut über Sie, Herr Kiefl, weil Sie sich für diese Käserei einsetzen, wie ich gehört habe.
Das kann man ja hier auch einmal sagen. – Aber die Leute von der Biokäserei sagen auch Folgendes – und Sie, Herr Kiefl, wissen, dass ich jetzt die Wahrheit sage; früher hat es ja geheißen, die Bauern stellten deshalb nicht um, weil man mit Öko nichts verdiene und das alles Humbug sei –: 90 % der Bauern würden sofort umsteigen und wären sogar scharf drauf, umzusteigen, doch das Problem sei, dass die Käserei keinen Markt habe und den Käse nicht losbekomme, weil die entsprechende Aufklärungsarbeit fehle.
Wenn Sie den biologischen Landbau fördern wollen, dann dürfen Sie nicht subventionieren, sondern dann müssen Sie eine Vermarktungsoffensive starten! Das ist der entscheidende Punkt.
Meine Damen und Herren, warum werden in Österreich, das ähnlich ländlich strukturiert ist wie wir, mittlerweile 16 % der Höfe biologisch bewirtschaftet und 10 % der Nahrungsmittel biologisch erzeugt? Warum sind es bei uns nur 3 % der Nahrungsmittel? Warum sind es in der Schweiz 7 %? Warum tut man in diesem Land nichts offensiv, um diesen Anteil zu erhöhen?
Ich sage noch eines dazu: Man wird natürlich nicht dazu kommen, dass man alles auf Bio umstellt. Die Italiener wollen einen Anteil von 25 % erreichen. Sie sind zwar noch weit von diesem Prozentsatz entfernt, aber sie setzten sich wenigstens Ziele.
Ich finde auch, dass das HQZ gestärkt werden muss. Wir haben das vorhin auch ausgeführt. Frau Staiblin hat es – heute in den „Stuttgarter Nachrichten“ nachzulesen – auch gesagt, und ich will nicht wiederholen, was Herr Maurer dazu gesagt hat. Da gibt es scheinbar auch Informationsdefizite innerhalb der Landesregierung. Aber insgesamt muss man zu einer Qualitätsverbesserung kommen. Ich frage mich nur, warum Sie das nicht offensiv ansprechen, warum Sie den Bewusstseinswandel, den die Leute derzeit anscheinend durchmachen, nicht fördern,
sondern Entwarnung geben, und auf 24 Seiten Regierungserklärung nur schreiben: In Baden-Württemberg haben wir in den letzten 125 000 Jahren alles richtig gemacht, und das wird auch weiterhin so sein. Das ist unglaublich.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD – Abg. Kiefl CDU: Aber Agrarfabriken haben wir keine!)
Jetzt noch zu zwei Dingen, die allerdings wichtig sind. Sie, Herr Ministerpräsident, waren ja in den Siebzigerjahren Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, und es ist Ihnen heute noch wichtig, sich als Vertreter der Landwirte hier im Land darzustellen. Dafür habe ich auch Verständnis. Aber ich habe kein Verständnis für Geschichtsklitterung.
Sie haben Anfang der Neunzigerjahre – das habe ich in meiner Rede erwähnt – eben nichts getan, um den Import britischen Rindfleisches zu stoppen. Erst 1996 ist die Regierung tätig geworden. Der Konflikt zwischen immer der Agrarlobby verpflichteten Landwirtschaftsministern und dem Verbraucher- und Gesundheitsschutz ist kein Konflikt zwischen SPD und CDU, den kann man nicht parteipolitisch festmachen, sondern das ist ein Konflikt in der Gewichtung. 1993 zum Beispiel hat Horst Seehofer einen Importstopp gefordert und wollte die Verfütterung von Tiermehl verbieten lassen. Herr Borchert von der CDU hat das abgeblockt; das wurde nicht gemacht. Die Agrarlobby hat sich durchgesetzt.
Das zieht sich durch die Jahre durch. 1996 wurde der Importstopp verhängt, aber 1999 – das will ich Ihnen jetzt noch einmal deutlich sagen, ich habe mich in diese Geschichte eingelesen – hat die EU mit 14 : 1 Stimmen die Aufhebung dieses Importstopps verfügt. Die Deutschen waren dagegen, haben als Einzige dagegen gearbeitet und haben in Verhandlungen eine Kennzeichnungspflicht durchgesetzt. Das Problem der Kennzeichnungspflicht, die EU-Recht ist, ist allerdings, dass sie von verschiedenen Ländern nicht umgesetzt wird. Das ist das eigentliche Problem.
Wie gesagt, über deutsche Ladentheken geht offiziell kein Kilo britisches Rindfleisch; es kann nicht gekauft werden. Also ist es etwas populistisch, zu sagen: „Wir brauchen dringend einen Importstopp für britisches Rindfleisch“, wenn eh keines da ist. Das muss man doch auch einmal festhalten.
Zum Thema Risikomaterial sind Sie einfach falsch informiert, Herr Ministerpräsident. Was Herr Maurer gesagt hat, entspricht den Tatsachen: Ihre Ministerin hat sich dagegen gewehrt, dass man dieses Material jetzt nicht mehr zu Tiermehl verarbeitet und es damit nicht mehr in die Nahrungskette kommt. Sie hat gesagt, das sollte weiter gemacht werden. Das war der Punkt.
Nein, Herr Ministerpräsident, das ist ein Missverständnis. Sie haben gesagt, es gehe um Abfall, um Beseitigung. Es geht aber nicht um Beseitigung, sondern darum, ob man weiterhin aus dem Risikomaterial, also aus Hirn, Rückenmark usw., Tiermehl herstellen darf oder nicht. Frau Staiblin hat zusammen mit ihrem bayerischen Kollegen gesagt: Jawohl, das wollen wir weiterhin machen,
mit der Begründung: Unser Tiermehl ist sicher. Zwar spricht einiges dafür, dass unser Tiermehl das sicherste in Europa ist,
Der Anteil des infizierten Materials wird zwar mit diesem Verfahren deutlich reduziert, aber nicht auf null.
Deshalb ist es auch völlig richtig – sonst würde es keinen Sinn machen –, dass man das deutsche Tiermehl nicht weiterverwertet. Das ist doch der eigentliche Punkt.
Herr Ministerpräsident, Sie haben vor einer halben Stunde gesagt, Sie seien dagegen, dass das Verbot der Tiermehlverfütterung nur ein halbes Jahr gelte, man solle es auf immer ausdehnen.