Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Zweitens: Für die restlichen 20 % ist das Gesetz modern und praktikabel. Es setzt nämlich nicht auf starre Regelungen, sondern auf Konsens, auf Betriebsvereinbarungen und auf tarifliche Regelungen. Jetzt sagen Sie, da entstehe eine gewisse Unsicherheit.

(Zuruf des Abg. Kurz CDU)

Man kann es Ihnen nicht recht machen. Entweder es ist überreguliert, dann ist es falsch, oder es setzt auf Konsens, und dann fehlen Ihnen die eindeutigen Regelungen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ich habe Ihren Partei- freund Metzger zitiert! Sonst niemand!)

Mein Parteifreund Metzger ist ein ausgezeichneter Finanzer; in Sachen Teilzeit kann er noch ein bisschen dazulernen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Dieses Gesetz ermöglicht nämlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weit besser als bisher. Das ist eben gerade keine Frage, die nur Frauen beschäftigt, sondern das ist eine Frage, die heute 38 % der Vollzeitbeschäftigten angeht, die gern mehr Teilzeit arbeiten wollen und auch bereit sind, auf einen Teil ihres bisherigen Einkommens zu verzichten. Auch Männer in Führungspositionen wollen Beruf und Familie miteinander vereinbaren können. Deswegen ist dieses Gesetz eine richtige Antwort auf moderne Fragestellungen, nämlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Außerdem regelt die Bundesregierung nicht Dinge, die in anderen EU-Ländern nicht geregelt sind, wild durcheinander, sondern es geht um die Umsetzung einer EU-Richtlinie, die bis zum Juli nächsten Jahres ohnehin umgesetzt sein muss.

Es ist auch ein Gesetz, das ein Vorbild hat, nämlich in den Niederlanden. Dort haben wir eine wesentlich höhere Teilzeitquote, und dort sind zusätzliche neue Stellen entstanden, weil mehr in Teilzeit gearbeitet wird.

Wir haben doch keine Vollbeschäftigung, meine Damen und Herren. Wir müssen doch die Potenziale, die für den Arbeitsmarkt in der Teilzeit liegen, auch ausschöpfen.

Ich will in der ersten Runde noch einen grundsätzlichen Satz sagen. Jedes Mal, wenn etwas Neues kommt, prophezeien Sie eine Katastrophe. Wer zum fünften und sechsten Mal eine Katastrophe prophezeit, die dann nicht eintritt, wird mit dieser Prophezeiung unglaubwürdig.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Jedes Mal bessert ihr nach! Keine Regelung, die nicht nachgebessert wird!)

Angeblich ist alles, was aus Berlin kommt, Gift. Wenn dieses Gift weiterhin zu mehr Wachstum, Beschäftigung und Arbeitsplätzen führt, dann kann ich nur sagen: Mehr davon.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Deuschle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Beim Debattenbeitrag des Kollegen Nagel, bei dieser klassenkämpferischen Rede habe ich mir überlegt, für wen er spricht. Spricht er hier für die SPD oder vielleicht gar für die PDS? Diesen Eindruck haben Sie durchaus hinterlassen, Herr Kollege Nagel.

(Zuruf des Abg. Bebber SPD)

Ich möchte jetzt nach Ihrer Rede, die kein einziges Sachargument in die Debatte eingebracht hat, nun doch versuchen, etwas sachlicher zu reden.

(Zuruf von der SPD)

Ich habe mich gefragt, warum die FDP/DVP gerade heute diese Debatte veranstaltet. Will man dem Herrn Wirtschaftsminister gewissermaßen eine Vorlage geben, dass er sich hier als Kämpfer gegen die schlechte Berliner Politik profilieren kann? Ich nehme immer mehr zur Kenntnis, dass hier Themen, die im Bundestag schon besprochen worden sind, heruntergezurrt werden und dann irgendwie ein Landesbezug gesucht wird.

(Beifall bei den Republikanern)

Um was geht es hier? Es geht hier schon um eine zentrale Frage, meine Damen und Herren. Es geht darum, inwieweit Arbeitnehmerrechte in Zeiten zunehmender Globalisierung einigermaßen noch nationalstaatlich gesichert werden können.

Es ist schon ein Anliegen, das ich bei der Bundesregierung oder auch beim Bundesarbeitsminister, Herrn Riester, sehe. Er nimmt natürlich auch zur Kenntnis, dass es durch diesen Globalisierungsschub, von dem wir alle betroffen sind, immer mehr zu einer Individualisierung der Arbeit kommt, dass auch immer stärker neue Arbeitsformen – Teilzeit, Telearbeit, Leiharbeit – entstehen. Nun stellt sich natürlich die Frage: Lassen wir das alles laufen, oder wie organisieren, wie ordnen wir diese neuen Entwicklungen?

Ich sage an dieser Stelle eindeutig: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Tarifverträge gerade durch diesen Prozess immer stärker unter Druck kommen. Die Folge ist natürlich, dass einerseits die Arbeitnehmer neue Freiheiten bekommen – das ist ganz klar –, andererseits sind hiermit natürlich auch Risiken verbunden. Wenn man sich da um eine sachliche Lösung bemüht, ist das sicherlich sehr zu begrüßen.

Ich möchte hier die Position der Republikaner klar machen. Für uns sind Tarifverträge nicht altmodisch. Um es ganz deutlich zu sagen: Wir glauben, dass Tarifverträge auch noch in einigen Jahren und Jahrzehnten eine wichtige Rolle spielen müssen, schon aus Schutzgründen. Wir sind aber für eine stärkere Flexibilisierung der Arbeits- und Tarifverträge. Sie müssen also weiterentwickelt werden. Darum kommen wir nicht herum.

Ich sage auch zweitens, dass sich die gesetzliche Mitbestimmung, so, wie sie sich in Deutschland entwickelt hat, durchaus bewährt hat. Ich glaube, wir müssen gegenüber anderen Ländern sagen: Dies ist ein gewisser Standortvorteil für Deutschland und kein Nachteil. Wir müssen zu erreichen versuchen, dass diese gute Politik in anderen Ländern übernommen wird. Ich weiß, dass das schwierig ist, aber wir sollten mit einem gewissen Selbstbewusstsein nach außen vertreten, dass es für uns ein Standortvorteil ist.

Es wird immer mehr, auch in Teilen der Wirtschaft und der ihr nahe stehenden Publizistik, die These vertreten, dass das jetzige Betriebsverfassungsgesetz nicht mehr in die Landschaft passe und wegen dieser Entwicklung, die von der Globalisierung kommt, abgeschafft werden solle. Ich habe in einem Kommentar der „Stuttgarter Zeitung“ vor einigen Tagen etwas in dieser Richtung gelesen. Da wurde davon gesprochen, das Betriebsverfassungsgesetz sei ein Unikum. Nein, diese Auffassung lehnen wir Republikaner ab. Das bisherige Betriebsverfassungsgesetz hat sich durchaus bewährt und war zum Segen für unser Land.

(Beifall bei den Republikanern)

Aber jetzt kommt der entscheidende Punkt: Die Weiterentwicklung des Betriebsverfassungsgesetzes in der jetzt von Bundesarbeitsminister Riester vorgeschlagenen Form wird von uns abgelehnt. Warum und mit welchen Argumenten wir sie ablehnen, werde ich nachher in der zweiten Runde sagen.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Fauser.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem wir jetzt relativ viele Allgemeinplätze gehört haben, sollten wir wieder auf den Boden der Welt zurückkommen und uns überlegen, worüber wir überhaupt debattieren.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Krisch REP: Was war denn ein Allgemeinplatz?)

Ich erinnere nur daran, was allein das 630-DM-Gesetz an Unfug und an Bürokratiebelastung verursacht. Da kann

man wirklich nur staunen. Ich gehe jede Wette ein, meine Damen und Herren, dass sich 50 % der Abgeordneten an diesem Gesetz vorbeimogeln, weil sie weder eine Betriebsnummer bei ihrem Finanzamt beantragt haben noch über Schecks mit ihrer Krankenkasse zusammenarbeiten. Jede Wette, dass sie überhaupt nicht wissen – –

(Abg. Birzele SPD: Haben Sie diese Erkenntnis durch eine Umfrage in Ihrer Fraktion gewonnen?)

Ich habe diese Erkenntnis bei der Zweitwohnungsbesteuerung der Berliner Abgeordneten gewonnen.

(Zuruf des Abg. Birzele SPD)

Ich kann Ihnen sagen, dass man vor Ort dringend deutlich machen müsste, welcher Unsinn hierbei gemacht wird. Der Bürokratiekosten-TÜV und der Standardpranger, der glücklicherweise eingeführt wurde, waren ein Schritt in die richtige Richtung.

(Abg. Schmiedel SPD: Das war eine Luftnummer erster Güte! – Abg. Birzele SPD: Herr Pfister, ha- ben Sie eine Betriebsnummer?)

Frau Schlager hat deutlich gesagt und in den Beratungen der Mittelstandsenquetekommission gehört, dass die Bürokratiebelastung in allen Bereichen viel zu hoch ist.

Ich verweise auf die Steuerreform. Nicht nur hat Herr Eichel zugestanden, dass die Steuerreform keineswegs zu weniger komplexen Regelungen führt, sondern auch Herr Bareis stellte fest, dass es sich hierbei um eine absolute weitere Verkomplizierung handelt und bald überhaupt niemand mehr – einschließlich der Steuerberater – damit umgehen kann. Sie müssen einmal Ihrem Mitarbeiter, dem Sie zum Beispiel ein Dienstfahrzeug geben, erklären, warum er ein Fahrzeug mit einem Listenpreis von 60 000 DM, das nur noch einen Verkehrswert von 30 000 DM hat, mit 60 000 DM versteuern muss. Das ist überhaupt nicht arbeitnehmerfreundlich, und das müsste eigentlich auch Herrn Nagel einleuchten.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Richtig! Das sind die praktischen Beispiele! Sehr gut! Mach weiter!)

Wenn ich daran denke, dass Unternehmer die Mehrwertsteuer ihrer Übernachtungskosten, die betrieblich verursacht sind, nicht mehr absetzen können, dann kann ich mich nur noch wundern.

Schauen Sie sich die Auflagen an, die Sie immer mehr verstärken und ausweiten. Ich kann Ihnen das Buch, das Gärtnereien zur Beurteilung von Gefährdungspotenzialen ausfüllen müssen, zeigen. Dazu braucht man einen eigenen Mitarbeiter.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Beschäfti- gungstherapie!)

Heute sagen schon viele junge Männer, sie machten sich nicht selbstständig, weil sie keine preiswerte Ehefrau hätten, die ihnen den gesamten „Bürokratiekruscht“ abnehme.

(Abg. Deuschle REP: Oder Ehemann!)

Und wenn Sie sich mit Unternehmen unterhalten, erhalten Sie dieselbe Auskunft.

Meine Damen und Herren, Sie verteuern laufend die Produkte und belasten damit unseren Standort.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das verkaufen Sie dann im Grunde genommen als neue Arbeitsplätze. Das sind Arbeitsplätze, die den Ast, auf dem wir sitzen, kurz- und langfristig absägen. Sogar das Finanzministerium in Berlin hat dies erkannt und deshalb ein Beschwerdetelefon – man höre und staune – eingerichtet. Ich hoffe, dass die Damen und Herren in Berlin einmal darauf hören und nicht nur das Finanzministerium darüber Bescheid weiß, sondern dies auch interministeriell behandelt wird, dass sie nicht völlig unkoordiniert im Sozialbereich, im Umweltbereich da und dort irgendetwas „ganz Neues“ machen, während unter dem Strich niemand mehr in der Lage ist, durchzublicken.