(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Sie müs- sen doch erst einmal belegen, dass wir etwas tun müssen!)
obwohl es grauenvolle Fälle gegeben hat – zwei ganz schlimme Beispiele wurden bei der Ersten Beratung genannt; lesen Sie das nach –
und obwohl uns Anstaltsleiter sagen, dass sie immer wieder auch Häftlinge in die Freiheit entlassen müssten, bei denen das Rückfallrisiko geradezu mit Händen zu greifen sei? Dabei geht es um Straftäter, die während der Haftzeit eine erschreckende Aggressivität und Gewaltbereitschaft entwickelt haben, Straftäter, die Therapien strikt ablehnen, und Straftäter, die damit prahlen, ihre sexuellen Abartigkeiten demnächst in Freiheit wieder ausleben zu können, und sich gleichzeitig gegen jegliche Therapie zur Wehr setzen. Nein, Herr Kollege Oelmayer: Wir haben den Mut, für diese außergewöhnlichen Fälle – es sind nur wenige Fälle; auch darüber sind wir einig – außergewöhnliche gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen. Lieber, meine Damen und Herren, tragen wir ein rechtliches
als dass wir unsere Bürger dem Risiko aussetzen, zum Opfer solcher Straftäter zu werden. Mut und Handlungsfähigkeit werden von uns erwartet.
Die Befürchtung fehlender Gesetzgebungskompetenz ist nach dem Gutachten des Herrn Professor Würtenberger, glaube ich, ausgeräumt.
Auch die Bedenken bezüglich des Urteils des Europäischen Gerichtshofs, das in die Anhörung der SPD-Fraktion durch das Gutachten des Herrn Dr. Kinzig vom Freiburger MaxPlanck-Institut eingeführt wurde und in einem litauischen Fall ergangen ist, sind nach meinem Dafürhalten in vollem Umfange ausgeräumt. Diese Entscheidung aus dem Jahr 2000 betrifft in der Tat einen ganz anderen Fall. Der Betroffene war lediglich einer Straftat verdächtig. Zur Unterbindung weiterer Straftaten wurde er in Präventivgewahrsam genommen. Gegen diesen Betroffenen hat noch nicht einmal ein hinreichender Tatverdacht im Hinblick auf die
Straftat, die er begangen haben sollte, vorgelegen. Dazu sagt der EuGH in der Tat: Solche präventiven Maßnahmen müssen und dürfen nur darauf abzielen, den Betroffenen vor einen Richter zu stellen, und sie dürfen nicht darauf abzielen, ihn von weiteren Straftaten abzuhalten, wenn noch nicht einmal die erste überhaupt rechtskräftig festgestellt ist.
Das Unterbringungsgesetz des Landes betrifft eine ganz andere Fallkonstellation, nämlich die der Sicherungsverwahrung nach einem Strafurteil. Dies ist auch in der Rechtsprechung des EuGH durchgängig als zulässig erachtet worden. Es gibt nicht ein Urteil, das das Gegenteil sagt. Deswegen gehen wir in die richtige Richtung.
(Abg. Ingrid Blank CDU: Das ist interessant! – Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Haben Sie da alle Urteile nachgeguckt? – Abg. Bebber SPD: Zu diesem Fall gibt es überhaupt kein Urteil! – Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Da gibt es überhaupt kein Urteil! Da wird es aber bald ei- nes geben! – Unruhe)
Ich habe die Kommentare nachgelesen. Gerade der Fall, den ich Ihnen geschildert habe, wird ausführlich kommentiert.
Ich denke, dass rückfallgefährdete Straftäter damit auch dazu bewogen werden können, die Resozialisierungsangebote im Strafvollzug anzunehmen und insbesondere an einer den Rückfall verhindernden Therapie teilzunehmen. Vielleicht brauchen wir mehr Therapieplätze, ganz sicher sogar. Aber wir brauchen auch mehr Druck gerade auf diese Tätergruppe, von der wir hier reden, von diesen Angeboten dann tatsächlich auch Gebrauch zu machen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Rech, wenn wirklich die Zuständigkeit des Bundes gegeben wäre, dann wäre das unter Umständen wieder problematisch. Sie haben das so locker angesprochen. Wir sind ja davon ausgegangen, dass die Bundeszuständigkeit gerade nicht gegeben ist
und wir auf polizeirechtlichem Gebiet die Möglichkeit haben, eine landesrechtliche Regelung zu treffen.
(Abg. Rech CDU: Das habe ich ja gesagt! – Ge- genruf des Abg. Brechtken SPD: Das Problem ist: Das eine schließt das andere aus!)
Wir haben die begründete Befürchtung, dass der von der Landesregierung vorgelegte Entwurf nicht zum Ziel führt. Auch nachdem in drei Punkten im Ständigen Ausschuss Abänderungen erfolgt sind, bleiben gravierende Schwachstellen im Gesetzentwurf. Diese Schwachstellen bergen die große Gefahr, dass entweder die gesetzliche Regelung im Ernstfall als verfassungswidrig aufgehoben wird oder aber die für die Unterbringung angeführten Gründe vom Gericht nicht akzeptiert werden können, weil das Verfahren nicht einwandfrei ist. Wenn das so schief ginge, dann hätte das die Folge, dass das Vertrauen in den Rechtsstaat erheblichen Schaden erlitte. Nach unserer Auffassung ist ein solcher Schaden vermeidbar, wenn man ein handwerklich ordentliches Gesetz macht.
Wir meinen, man hätte bei der Beratung den Sachverstand mithilfe einer mündlichen Anhörung ausführlich einbeziehen sollen. Wir haben auf Fraktionsebene eine Anhörung durchgeführt und haben zusätzlich zu schriftlich vorliegenden Äußerungen Sachverständige anderer Einrichtungen und Organisationen gehört: die Präsidentin des Vereins der deutschen Strafverteidiger, den Kriminologen Dr. Kinzig vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Oberregierungsrat Ullenbruch von der JVA Freiburg, den Präsidenten des Amtsgerichts Stuttgart, Herrn Bort, Herrn Staatsanwalt a. D. Nusser, beide vom Verein der Richter und Staatsanwälte, sowie den ehemaligen Leiter des Zentrums für Psychiatrie in Emmendingen. Sie alle haben erhebliche Kritik vorgebracht, und es wäre weiß Gott bei einem Gesetz, mit dem wir, übereinstimmend gesagt, Neuland betreten, dringend angezeigt gewesen, eine öffentliche Anhörung durchzuführen, bei der dann auch Rückfragen bei den Sachverständigen möglich gewesen wären und die Sachverständigen untereinander ihre Argumente hätten austauschen können.
Das wäre auch in dem vorgegebenen Zeitrahmen noch möglich gewesen. Wir hätten das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschieden können, wenn eine öffentliche Anhörung rechtzeitig vorbereitet worden wäre.
Selbst jetzt zum Schluss wäre es noch möglich gewesen, eine gemeinsame Anhörung des Innenausschusses und des Ständigen Ausschusses durchzuführen.
Es war lediglich – ich schätze das nicht gering – Professor Würtenberger, der von der Landesregierung den Auftrag zum Sachverständigengutachten hatte, der keine Bedenken gegen diesen Gesetzesvorschlag hatte.
Die SPD hat konkrete Vorschläge zur Änderung unterbreitet. Sie beinhalteten – ich will es so kurz und so schnell machen, wie es geht –, dass nicht die Vollzugsanstalt Antragsteller für die nachträgliche Unterbringung sein soll, sondern eine polizeiliche Behörde. Was im Gesetz, übrigens durchgängig, drin ist, das ist ein Mischmasch von polizeirechtlichen Maßnahmen und Strafverfahrensregeln. Die Gutachter haben alle gesagt: Es ist fatal, wenn die Vollzugsanstalt, in der der Betreffende untergebracht ist, auch noch den Antrag auf weitere Unterbringung stellen soll. Hinterher ist dieser Mensch dann in genau dieser Vollzugsanstalt. Da passiert dann nichts Gescheites mehr an Therapie und Ähnlichem.
Genauso ist es, wenn ein Sachverständiger aus der Vollzugsanstalt ein Gutachten abgeben soll. Wenn der Betroffene hinterher in die Anstalt zurückkommt und den gleichen Gutachter vorfindet, gibt es keine vernünftige Therapie mehr. Das heißt, ein Betroffener muss ein Vertrauensverhältnis zu einem Therapeuten haben, sonst taugt die Therapie nichts.
Es ist von den Gutachtern auch gesagt worden: Wenn man einen Therapeuten aus der Anstalt nimmt, dann wird sich der Betreffende in der Anstalt schon entsprechend benehmen. Gerade diese potenziellen Straftäter werden so eingestuft, dass sie sich hervorragend auf ihre Umgebung einstellen können und dann Wohlverhalten zeigen. Man wird gerade denen, die man äußerlich, vom Verhalten her greifen will, im Vollzug nichts anmerken, was dazu führen könnte, dass hinterher der Antrag auf nachträgliche Unterbringung gestellt wird.
Ich sage Ihnen etwas ganz anderes. Wenn ein Architekt beim Bau Ihres Hauses Fehler gemacht hat, kämen Sie doch auch nicht im Entferntesten auf die Idee, genau diesen Architekten hinterher als Sachverständigen im Bauprozess zu bestellen.
Nein, das ist nicht zynisch. Es ist eine Befangenheit da. Das soll damit ausgedrückt werden, nicht mehr und nicht weniger. Der Leiter der Anstalt muss eben Informationen an den Gutachter weitergeben, so wie das sonst auch immer der Fall ist. Therapeuten explorieren ihre Mandanten, auch ohne dass sie sie vorher jemals gesehen oder gekannt haben. Das ist der normale Vorgang, übrigens in jedem Strafprozess.
Mir läuft jetzt die Zeit davon. – Wir haben die Fristen anders setzen wollen, wir haben verschiedene Einzelregelungen anders fassen wollen. Herr Kiesswetter, ich halte das für zynisch, was Sie im Ausschuss vorgetragen haben: Die vorgetragenen Kritikpunkte seien lebens- und praxisfern. Das waren haarscharf die Punkte, die uns die angehörten Sachverständigen genannt haben: Rechtsanwälte, Staatsanwälte, Therapeuten, Vollzugsbedienstete, alles Leute aus der Praxis, und auch der Weiße Ring, der sich für den Opferschutz einsetzt wie sonst niemand.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meinen Beitrag im Rahmen der Zweiten Beratung möchte ich an und für sich dafür nutzen, für unsere Fraktion nochmals auf den Punkt zu bringen, warum wir dieses Gesetzesvorhaben der Landesregierung ablehnen.
Ich bin dem Herrn Kollegen Berichterstatter dankbar dafür, dass er dem hohen Haus einen Bericht erstattet hat und diesen mit dem Hinweis eingeleitet hat, dass alle Fraktionen dieses Hauses der Auffassung sind, dass gefährliche Straftäter nicht ohne Not in die Freiheit entlassen werden dürfen.
(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Hans-Michael Bender: Da muss man auch den Mut haben, das zu entscheiden! – Gegenruf des Abg. Bebber SPD: Das ist nicht eine Frage des Mutes!)
Aber, Herr Kollege Rech, es verwundert mich schon, dass Sie, wenn Sie mich zitieren und dabei die richtigen Schlüsse mit zitieren, diese Schlüsse mit Ihrem juristischen Sachverstand nicht nachvollziehen können.