Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

Deswegen lautet das zukunftsträchtige Verkehrskonzept, mehr von diesem Verkehr auf die Schiene, auf die Busse, auf die Bahnen zu verlagern, insbesondere auch beim Güterverkehr. Dass Sie hier nur über Straßenbau reden und in Ihrer ganzen Rede kein Wort zur Ökologie und kein Wort zu einem vernünftigen Verkehrskonzept gesagt haben, spricht nicht für Sie als Ministerpräsident dieses Landes, sondern macht deutlich, dass Ihnen die Ökologie nichts wert ist. Sie haben eine Stunde und zehn Minuten geredet, aber kein Wort zur Ökologie gesagt.

(Abg. Gerd Scheffold CDU: Zum Schienenverkehr kommt von der Bundesregierung auch nichts!)

Das ist, finde ich, auch ein Beleg dafür, dass dieses Land weit weg davon ist, ein ökologisches Musterland zu sein.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte noch eine kurze Bemerkung zur Technologiepolitik machen. Ich glaube, Herr Teufel, dass Sie da genauer hinschauen müssen. Wir sind Schlusslicht bei den neuen Umwelttechnologien im Solarbereich, und zwar nicht bei der Forschung, aber sehr wohl in der Anwendung und in der Produktion. Da haben Sie ja alles heruntergefahren. Das ist ein ganz klarer Beleg dafür, dass die Zukunftstechnologie dieses Jahrhunderts am Standort Baden-Württemberg vorbeigeht. Ich werde dies so lange sagen, bis es sich hier ändert, weil Sie da Zukunftschancen im Hightechbereich – da geht es ja um Hightech – für das Land vergeigen.

Wir haben keinen Schwerpunkt bei der Materialtechnik, wo es darum geht, neue Werkstoffe systematisch für den Umweltschutz einzusetzen. Dies wird da und dort gemacht und erforscht, aber ein Kompetenzzentrum, wie es etwa Bayern bei anderen Technologien hat, haben Sie bei diesen Technologien insgesamt nicht geschaffen.

(Abg. Haas CDU: Wir haben vier oder fünf!)

Dann steht es noch immer schlecht um den Medienstandort Stuttgart. Da können Sie, Herr Palmer, mir erzählen, was Sie wollen. Aber wenn Sie die Stadt Stuttgart und die Region Stuttgart – trotz Ludwigsburg, was ich für eine positive Entwicklung halte – mit anderen Medienstandorten wie München, Köln, Hamburg und demnächst auch Berlin vergleichen, dann sieht es zappenduster aus, weil wir da etwas zu spät und insgesamt zu wenig gemacht haben. Ich werde nicht müde, auch darauf hinzuweisen.

Dann gibt es ein Problem, dem Sie sich in dieser ganzen Vorleserei von Firmenneugründungen und davon, wo wir überall Spitze sind, einfach entziehen: Wir schaffen es nicht, im Bereich moderner und neuer Dienstleistungen Fuß zu fassen.

(Abg. Oettinger CDU: Wie?)

Mit Dienstleistungen meine ich vor allem auch die so genannten produktionsnahen Dienstleistungen.

(Zurufe der Abg. Deuschle REP und Dr. Birk CDU)

Das ist ja das Herzstück bei uns: produktionsnahe Dienstleistungen, also Konstruktionen, CAD, CID. Da gibt es ein Problem, Herr Birk. Vielleicht werden Sie es erst in einigen Jahren zur Kenntnis nehmen.

(Abg. Dr. Birk CDU: Jetzt bin ich einmal ge- spannt, was kommt! Seit wann wollen Sie etwas von Produktion wissen? – Zuruf des Ministerpräsi- denten Teufel)

Herr Teufel, hören Sie sich das einfach in Ruhe an. – Gerade die produktionsnahen Dienstleistungen, die bei vielen unserer Firmen im Maschinenbau und bei Werkzeugma

schinenherstellern in einer direkten Verbindung stehen, sind aufgrund der neuen Techniken massiv verlegbar. Sie können CAD-Dienstleistungen für Daimler-Benz oder für Bosch von überall auf der Erde und auf der Welt machen, von Irland, von Indien oder von wo auch immer, und dies geschieht.

(Abg. Dr. Birk CDU: Wollen Sie damit eine Struk- turdebatte über die Region Stuttgart lostreten?)

Meine Frage und mein Punkt ist, dass Sie zu wenig – –

(Abg. Dr. Birk CDU: Herr Kuhn, da haben Sie kei- ne Ahnung!)

Seien Sie doch jetzt einmal ruhig und hören sich das einfach an.

(Abg. Dr. Birk CDU: Lesen Sie doch einmal den Strukturbericht über die Region Stuttgart!)

Seien Sie doch jetzt einmal ruhig. Sie können ja, wenn Sie nicht selbst reden dürfen, nachher noch über Ihren Vorsitzenden reden. Das ist doch nicht so schwierig.

(Abg. Dr. Birk CDU: Aber Sie verbreiten etwas, was schlichtweg nicht der Wahrheit entspricht!)

Mein Vorwurf heißt, dass es keine systematische Anstrengung des Landes gibt, dieser Gefahr der wirtschaftlichen Strukturkrisen, die für den heutigen Standort besteht, eines Tages Herr zu werden. Schauen Sie sich einmal an, was in Nordrhein-Westfalen oder in anderen Ländern der Fall war.

(Abg. Dr. Birk CDU: Aber da sind wir stark!)

Diese Krisen entstehen doch immer dann, wenn man zu lange glaubt, dass die Stärken eines Standorts immer währen werden und keine Gefährdung für diese Stärken insgesamt kommt.

(Abg. Dr. Birk CDU: Bei der produktionsnahen Dienstleistung sind wir noch immer stark!)

Damit möchte ich zum Schluss kommen.

Herr Teufel, wir haben ja heute viel über Ihr Staatsministerium und über Ihren Regierungsstil sowie über Ihre Arbeit als Ministerpräsident geredet. Ich muss abschließend sagen: Ich bin bei der zentralen Frage, die die Debatte ja dominiert hat, enttäuscht über Ihre Ausführungen. Sie haben die wesentlichen Fragen der Opposition nicht beantwortet, sondern sind ihnen ausgewichen.

(Zuruf des Abg. Haas CDU)

Sie haben andere Fragen beantwortet, die niemand gestellt hat. Ich glaube, Sie sind der Verantwortung, die Sie als Vorsitzender der CDU in Baden-Württemberg haben, nicht gerecht geworden. Vielleicht werden Sie das an anderer Stelle nachholen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Nach § 82 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält Herr Abg. Dr. Schlierer das Wort.

(Zuruf von der SPD: Was ist mit Mittagspause?)

Außer der Wortmeldung von Herrn Dr. Schlierer liegt noch eine Wortmeldung des Herrn Kollegen Oettinger vor, ebenfalls nach § 82 Abs. 4. Dann kann, denke ich, über die Anträge abgestimmt werden, und danach treten wir in die Mittagspause ein.

Bitte schön, Herr Abg. Dr. Schlierer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich drei Punkte der Debatte noch einmal aufgreifen. Zunächst zur Frage, wie in der Spendenaffäre seitens der CDU-Führung agiert wurde bzw. wie die Dinge heute vom Herrn Ministerpräsidenten in Bezug auf seine frühere Tätigkeit als stellvertretender Bundesvorsitzender dieser Partei dargestellt wurden.

(Abg. Deuschle REP: Hören Sie doch einmal zu, Herr Ministerpräsident!)

Herr Teufel, ich will Ihnen – vielleicht im Gegensatz zu einigen anderen Rednern – nicht unterstellen, dass Sie möglicherweise von Vorgängen in der obersten CDU-Führung gewusst haben. Es ist durchaus möglich, dass Sie davon nichts gewusst haben. Aber eine Frage lässt sich nur schwer beantworten, auch von Ihnen: Glauben Sie, dass mit einer solchen Darstellung draußen beim Bürger noch ein Rest von Glaubwürdigkeit bewahrt werden kann, wenn Sie sich bewusst machen, dass das ja nicht der erste Vorgang dieser Art war? Es war ja nicht das erste Mal, dass es Probleme im Zusammenhang mit der Parteienfinanzierung gab.

Die Flick-Affäre mag zwar von dem einen oder anderen schon vergessen worden sein, aber es gab ja auch hier im Land Baden-Württemberg Probleme mit der Staatsbürgerlichen Vereinigung. Auch hier im Land sind damals Mittel regelrecht „gewaschen“ worden, um sie dann beispielsweise der CDU zukommen zu lassen.

Die Menschen draußen haben das nicht vergessen, und ich sage Ihnen eines voraus: Das Hauptproblem wird sein, dass man einem Politiker inzwischen gar nicht mehr abnimmt, dass er genügend Sensibilität entwickelt, um im eigenen Bereich mit Sorgfalt genau auf jene Dinge zu achten, die eben aufgrund dieser Vorgänge bei jedem Normalbürger nur Kopfschütteln auslösen können.

Allerdings – das möchte ich einräumen – ist das Verhalten der SPD absurd, wenn sie hier im Land so tut, als dürfe sie Chefankläger sein. Das, was wir in Nordrhein-Westfalen erlebt haben, ist ein Vorgang, der mindestens genauso schwerwiegend ist, wenn man eines beachtet: Diese schwarze Reisekasse, die Sie sich dort gebildet haben, war ein glatter und vorsätzlicher Umweg um das Parlament herum. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat sich regelrecht einen Nebenhaushalt in Form der WestLB geschaffen und dort mit ihrem „Reisebüro“ die Rechnungskontrolle des Landes und des Parlaments umgangen. Ich sage bloß eines: Da bilden Sie selber Maßstäbe, an denen wir Sie dann auch messen werden.

(Beifall bei den Republikanern und des Abg. Beh- ringer CDU)

Zu der Frage von Spenden von Unternehmen mit Landesbeteiligung – Herr Ministerpräsident, Sie haben das vorhin auch angesprochen und auf Ergebnisse von Untersuchungen hingewiesen – will ich nur Folgendes sagen: Es mag ja sein, dass die Annahme solcher Spenden nach § 25 des Parteiengesetzes rechtmäßig war. Aber es stellt sich noch eine andere Frage: Ist die Annahme solcher Spenden akzeptabel?

§ 25 des Parteiengesetzes listet in einem gewissen Katalog jene Fälle auf, in denen Spenden von juristischen Personen nicht zulässig sind. Es wird so sein, dass dieser Katalog nie vollständig wird. Wir selber sind deswegen auch der Ansicht, dass man juristische Personen als Spendengeber generell herausnehmen sollte. Es ist doch so, dass ein solches Unternehmen, das mehr oder weniger eigentlich im Eigentum der Bürger steht,

(Abg. Deuschle REP: Eben!)

die Finanzierung von Parteien betreibt,

(Abg. Deuschle REP: Von einzelnen!)

obwohl der Bereich der staatlichen Teilfinanzierung, die über den Staat an die Parteien fließt, nach § 18 des Parteiengesetzes klar und abschließend geregelt ist.

(Abg. Deuschle REP: Aha!)

Also hätte ich normalerweise erwartet, dass jede Partei sagt: Wenn ich eine Spende von einem Unternehmen bekomme, an dem der Staat beteiligt ist, nehme ich diese Spende nicht an, weil das de facto eine Umgehung des Rechts ist, das wir im Parteiengesetz festgelegt haben.