Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

(Abg. Wieser CDU: Wer hat das behauptet? – Abg. Veronika Netzhammer CDU: Aber es ist doch mal ein erster Schritt! Ohne Patente würde es noch weniger funktionieren!)

Von Modernisierung und Innovation wird viel gesprochen, und es wird ja auch daran gearbeitet. Viele Firmen in Baden-Württemberg haben damit begonnen, nach der Perfektionierung der End-of-Pipe-Technologien ihre Produkte und Produktionsverfahren daraufhin zu überprüfen, wie sie mit den Anforderungen der Erhaltung der natürlichen Grundlagen besser in Übereinstimmung gebracht werden können. Große, kleine und mittlere Unternehmen arbeiten daran, auf dem Weg zu einer Nullemission bei Produktionsverfahren und Produkten voranzukommen.

Aber mit diesen kreativen Potenzialen der Wirtschaft und der Wissenschaft hält die Technologiepolitik des Landes nicht Schritt. Technologie braucht eine Richtung, und das muss man Ihnen angesichts Ihrer unterschiedslosen Lobpreisungen der Biotechnologie spätestens dann klarmachen, wenn Sie sehen, dass die nicht absetzbaren Produkte der Gentechnik zum wirtschaftlichen Ruin derjenigen führen, die sie blind verfolgt und produziert haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Drautz FDP/DVP: Das ist ja abenteuerlich! – Abg. Wieser CDU: Sie sind der Nostradamus von Ba- den-Württemberg!)

Technologie braucht eine Richtung, die alte humane Frage nach dem Nutzen für wen. Der alte Imperativ, dass technische Entwicklung zu nichts anderem nutzen soll, als die Mühseligkeit der menschlichen Existenz zu erleichtern, ist eben nicht veraltet. Wer die Antwort darauf verweigert, schneidet sich auch die Möglichkeit ab, den wirtschaftlichen Erfolg zu fördern, der durch den ökologischen Umbau möglich wird. Denn nach Technologie, die ökologisch nützt, besteht eine große Nachfrage.

Wir wollen diese enormen Potenziale, die sich im ökologischen Umbau verbergen, für die Wirtschaft Baden-Württembergs nutzbar machen. Der globale Umweltmarkt hat 1998 770 Milliarden DM umgesetzt, und verschiedene Beobachter erwarten eine enorme Steigerung in den nächsten Jahren. Ich sehe nicht, dass die Landesregierung Ausreichendes dafür tut, dass sich die Wirtschaft in Baden-Württemberg an diesem Erfolg beteiligt.

Der Wirtschaftsminister hat kein Konzept für diesen entscheidenden Kern heutiger Wirtschaftspolitik. Ich entnehme dem Bericht des Wirtschaftsministeriums zum Staatshaushaltsplan ein Zitat, das man als Eingeständnis dieses Fiaskos werten könnte:

Gerade jedoch in zukunftsträchtigen Gebieten, in denen das Land zum Beispiel durch das Verbundforschungsprogramm als Teil der „Zukunftsoffensive Junge Generation“ erfolgreich Projekte auf den Weg gebracht hat, wird es ohne entsprechende Mittelausstattung kaum mehr präsent sein, beispielsweise in den Bereichen „Neue Medien“... oder „Softwareentwicklung“.

Zusätzliche Impulse aus neuen Forschungsprojekten zur Jahrtausendwende können aber nur mit neuen Projektmitteln aus weiteren Privatisierungserlösen gesetzt werden.

Somit kann derzeit,

so lese ich dort weiter –

zumindest aus den regulären Haushaltsmitteln, eine gerade im Übergang zur Informations- und Wissensgesellschaft erforderliche, kontinuierliche Technologiepolitik nicht im gebotenen Maß betrieben werden. Technologiepolitische Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich mittlerweile fast nur noch ad hoc aus den Privatisierungserlösen.

Dann heißt es als Fazit:

Eine Verstetigung der Technologie- und Innovationsförderung einschließlich zuverlässiger, innovationsfreundlicher Rahmenbedingungen ist daher dringend geboten.

Meine Damen und Herren, seit Beginn dieser Legislaturperiode fordern wir eine stetige, überprüfbare, evaluierte Technologieförderung. Nach vier Jahren sagt der Wirtschaftsminister in seinem Bericht,

(Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

sie sei dringend geboten. Wir hätten erwartet, dass in diesen vier Jahren ein Teil davon schon verwirklicht worden wäre.

Noch eines: Die Hoffnung des Wirtschaftsministers auf sprudelnde neue Privatisierungsmittel ist ein weiterer Hinweis darauf, wie verfehlt die Konstruktion der Stiftung mit den Milliardenerlösen aus dem Verkauf der EnBW-Anteile ist, eine Stiftung, die eine dringende staatliche Aufgabe an die juristische Konstruktion der Gemeinnützigkeit knüpft. Im Übrigen: Meine Gesprächspartner haben früher immer gedacht, das Handeln einer Landesregierung stehe ohnehin immer unter dem Gebot der Gemeinnützigkeit, aber sie denken nicht juristisch.

Es ist auch darauf hinzuweisen: Die Technologiepolitik ist auch für die kleineren und mittleren Unternehmen ein entscheidender Vorteil. Der Rechnungshof rügt doch nicht ohne Grund, dass das mit der Förderung der Institute für die wirtschaftsnahe Forschung verfolgte Ziel, den Technologietransfer vor allem in die mittelständischen Unternehmen, die die Wirtschaft des Landes prägen, zu unterstützen, durchweg nicht erreicht worden sei. Dabei geht es nicht nur darum, Geld aufzubringen und in die verschiedenen Fördertöpfe zu werfen. Dabei geht es auch darum, dass man ein Konzept für die Entwicklung dieser Technologiepolitik haben muss.

Der entscheidende Hebel dafür ist eine Politik, die die Regionen stärkt. Die Landesregierung hat dazu kürzlich sehr viel Beherzigenswertes gesagt. Das heißt, Regionalpolitik, Stärkung der Netzwerke in den Regionen ist bei der Landesregierung oder zumindest bei den Beamten in der Landesregierung, die die Texte schreiben, als Konzept, als Vorstellung schon angekommen, nicht aber in den Vorschlägen der Landesregierung selbst.

Es gibt eine Erklärung dafür, dass die Landesregierung den in den Ministerien von Beamten formulierten Einsichten nicht folgt: Es liegt wohl daran, dass sich die CDU wie ein Mehltau über das Land legt und ihre Machterhaltung an ein entsprechendes Netzwerk von Macht und nicht von Regionen knüpft.

(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen – Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Wieser: Das sind ja kühne Konstruktionen! – Zuruf des Abg. Drautz FDP/DVP)

Herr Wieser, das wird bei denen, die entsprechende Erfahrungen damit machen, schon sehr einsichtig sein.

(Zuruf der Abg. Dr. Carmina Brenner CDU)

Meine Damen und Herren, die Zahl der Arbeitslosen wird in unserem Land im kommenden Jahr zurückgehen. Die Voraussetzungen für eine bessere wirtschaftliche Entwicklung sind derzeit gut. Die konjunkturellen und bundespolitischen Rahmenbedingungen verbessern sich.

(Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Es gibt also Chancen für einen Strukturwandel zum Vorteil der Wirtschaft in Baden-Württemberg. Wenn aber die absolute Zahl der Arbeitslosen sinkt, so verschwinden die spezifischen Probleme der Arbeitslosigkeit in unserem Land nicht. Sie verschärfen sich vielmehr noch: mehr Langzeitarbeitslose, eine größere Zahl weniger qualifizierter Arbeit Suchender, mehr Frauen, die Arbeit suchen, Branchen, denen es schlechter geht als anderen, und Regionen mit größeren Schwächen in der Beschäftigung als bei anderen. Gerade hier könnte das Land mehr tun als bisher. Eine Politik, die die Regionen stärkt, ist im Vorteil. Sie kann die regionale Wirtschaftsförderung mit aktiver Beschäftigungspolitik in der Region verbinden.

Was macht die Landesregierung? Sie setzt das Bündnis für Bildung und Beschäftigung mutwillig aufs Spiel. Statt hier im Bündnis mit den Akteuren in Baden-Württemberg und mit der Gewerkschaft zu vereinbaren, was in den Regionen zur Qualifizierung von Beschäftigung getan werden kann, statt einen Fonds für Bildung und Beschäftigung einzurichten, in dem die von Arbeitslosigkeit Bedrohten schon im Vorfeld aufgefangen, qualifiziert und für den Arbeitsmarkt wieder befähigt werden können – eine Politik, die gerade den kleinen und mittleren Unternehmen nützt –, lässt die Landesregierung mutwillig zu, dass das Bündnis für Bildung und Beschäftigung nicht erfolgreich ist.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Grau, grau ist alle Theo- rie!)

Das ist sehr praktisch. Fragen Sie einmal den DGB.

Die überbetrieblichen Ausbildungsstätten sind nach wie vor unterfinanziert.

Die Ausbildungsverbünde sind nach wie vor nicht ausreichend gefördert, es gibt immer noch zu wenig Kontaktstellen Frau und Beruf. Das Land sollte sich endlich dazu entschließen, die angekündigte Stiftung für Weiterbildung auf den Weg zu bringen. Sie sollten sich darauf verständigen, ein Sanierungsmanagement im Land einzuführen, damit es, wenn es mal zum Schwur kommt, nicht bloß bei den großen Unternehmen zu Hilfen kommt, sondern dass auch die kleineren und mittleren Unternehmen – die Beschäftigten und Unternehmer – dieses Sanierungsmanagement in Anspruch nehmen können.

(Minister Dr. Döring: Also, so ein Unsinn, den Sie da erzählen!)

Dazu sollten auch die von der EU bereitgestellten Fördermittel des Europäischen Sozialfonds wirklich genutzt werden. Diese Mittel sind ein wichtiges arbeitsmarktpolitisches Instrument.

Meine Damen und Herren, Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Demonst- rativer Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wieser CDU: So weit sind Sie schon! Doll ist das! – Weitere Zurufe: Sehr richtig!)

Aber Sie sehen: Es gibt genug zu tun für eine Wirtschaftspolitik, wenn man sie will, und es gilt auf genügend Vorschläge einzugehen, die es gibt, wenn man sie sieht. Dazu braucht es eine Wirtschaftspolitik, zu der der FDP/DVPWirtschaftsminister allerdings offensichtlich nicht fähig oder nicht willens ist. Dazu braucht es einen Wirtschaftsminister, dessen Talent in mehr besteht als darin, Aufmerksamkeit zu erregen. Ich meine, sein vorzügliches Arbeitsinstrument scheint die Posaune zu sein, mit der er sich auf allen möglichen Feldern – man ist versucht, es so zu sagen – „betäterätätigt“. Ich glaube, dass dieses Land diese Wirtschaftspolitik nicht verdient hat, und wir werden nicht aufhören, daran zu arbeiten, dass sie sich ändert.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort erhält Frau Abg. Fauser.

(Abg. Schmiedel SPD: Jetzt wird es schwer!)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dr. Hildebrandt, was Sie gerade ausgeführt haben, war ein Beschäftigungsprogramm

(Abg. Deuschle REP: Für Akademiker!)

für noch mehr Beamte. Das, was aus Ihnen sprach, war wahrscheinlich der Neid der Nichtbesitzenden. Es ist natürlich zugegebenermaßen für eine Opposition schwierig, bei einer solch hervorragenden Wirtschaftspolitik und bei einem solch hervorragenden Ergebnis

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Anhaltspunkte zu finden und im Grunde genommen mühsam zu versuchen, alles, was hier an Positivem geleistet wurde, kaputtzureden.

Meine Damen und Herren, wir haben einen ganz hervorragenden Standort, und dies nicht wegen der neuen rot-grünen Regierung in Berlin. Wir haben Glück, wir haben trotzdem noch eine florierende Wirtschaft, und man kann hoffen, dass in Berlin nicht noch mehr Unsinn, als es im letzten Jahr der Fall war, angestellt wird, um uns diesen wirtschaftlichen Aufschwung abzuwürgen.

Die Ökosteuer, die Neuregelungen zur Scheinselbstständigkeit und zu den 630-DM-Jobs, die extreme Verlängerung von Abschreibungszeiten wirken auf jeden Fall investitionshemmend. Wir, meine Damen und Herren, sind der Meinung, dass wir selbstverständlich unseren großen Erfolg hier im Land auch unserer guten mittelständischen Wirtschaftsstruktur verdanken.

(Abg. Deuschle REP: Das sowieso!)

Ohne die vielen kleinen und mittelgroßen Unternehmen, die Unternehmerpersönlichkeiten im Land hätten wir weniger Innovation, weniger Wachstum und mehr Arbeitslose.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Dazu brauchen wir auch in Zukunft faire Chancen für den Mittelstand, eine Deregulierungsoffensive, die Unterstützung kleinerer Firmen, zumal beim Einstieg in internationale Märkte, eine weitere Exportoffensive, wir brauchen eine enge Verzahnung von Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. All dies, meine Damen und Herren, machen wir hier im Land mit großem Nachdruck.