Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

(Abg. Haasis CDU: Das ist der Fehler!)

Das erachte ich für Baden-Württemberg als eine völlig inadäquate Situation.

(Zuruf des Abg. Haasis CDU)

Es gibt, Herr Haasis, viele Bereiche, die in unserem Land Baden-Württemberg sehr gut sind und für die wir überall Anerkennung finden.

(Abg. Haasis CDU: Aufzählen!)

Aber das heißt doch nicht, dass es nicht Bereiche gäbe, in denen wir zulegen müssen, wenn wir – und das ist unser Job hier – das Wohl der Bürgerinnen und Bürger in BadenWürttemberg mehren und verbessern wollen.

Deswegen rate ich uns allen zu einer Debatte, in der gefragt wird:

(Zurufe der Abg. Haasis und Hans-Michael Bender CDU)

„Was können wir noch besser machen?“, und dazu, nicht wieder diese langweiligen Ländervergleiche aufzuzählen –

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Hans-Michael Bender: Warten Sie doch einmal ab, Herr Kuhn!)

wahrscheinlich ist das ganze Manuskript des Ministerpräsidenten voll davon –, wie die Situation andernorts ist.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Warum sind Sie so hektisch, Herr Kuhn?)

Wir haben die Aufgabe, die Bedingungen in Baden-Württemberg zu verbessern, und wir haben nicht die Aufgabe, uns in politischen Debatten hier in den Schlaf zu reden.

(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen – Zuruf des Abg. Pfisterer CDU)

Wenn Sie in Baden-Württemberg und außerhalb BadenWürttembergs herumkommen,

(Zuruf des Abg. Haasis CDU)

hören Sie über unser Land selbstverständlich viel Positives. Dieses Positive möchte ich nicht bestreiten.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Na also! – Zuruf des Abg. Kluck FDP/DVP)

Es ist ein reiches Industrieland, in dem es vielen – ich sage nicht: allen – Menschen sehr gut geht. Es hat eine schöne, grüne Landschaft. Allerdings stehen viele Leute, die durch das Land reisen, im Stau.

(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der CDU)

Die Leute finden Baden-Württemberg irgendwie sympathisch, wenn auch – –

Jawohl, klatschen Sie. Ich halte es für völlig logisch, dass man da klatscht. Ich bin nicht derjenige, der, weil er in der Opposition ist, durch das Land reist und sagt, in BadenWürttemberg sei alles Mist. Wo sind wir denn eigentlich?

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Dr. Stefan Schef- fold: Aber Sie kürzen doch die Straßenbaumittel!)

Jetzt schauen Sie aber einmal genau hin. Was Sie über Baden-Württemberg nicht hören können – nicht im Land und nicht außerhalb des Landes –, sind folgende Punkte, über die ich reden möchte.

Der erste: Sie hören nirgends, Baden-Württemberg sei das Land, das Herrn Eichel in Berlin zeige, wie man zu einem konsequenten Abbau der Nettoneuverschuldung kommt. Hier haben wir den Anschluss verloren. Ich werde Ihnen gleich sagen, warum.

Sie hören nirgendwo in Deutschland, dass Baden-Württemberg das ökologische Musterland wäre, das zeigt, wie man mit Ökologie auch Geld verdienen kann und gleichzeitig die Heimat schützen kann.

Sie hören nicht, dass in Baden-Württemberg eine neue Art von Aufbruch der Regionen versucht würde, verbunden mit einer Verwaltungsreform, die man anschauen kann und die Vorbildcharakter hat.

Sie hören auch nicht, dass dieses Land das Land wäre, das am meisten für die Kinder und für Familien mit Kindern tut. Dazu nachher noch mehr beim Thema Schulpolitik.

Ich finde auch – bei allem Lob über unsere Wirtschaftsstruktur –: Sie hören nicht, dass dort neue Aufbrüche für ganz neue Technologien wirklich stattfinden würden,

(Abg. Fleischer CDU: Natürlich! Waren Sie noch nie in Freiburg?)

und vor allem, dass wir im Dienstleistungssektor endlich aufbrechen würden und die Schwäche, die wir in der Wirtschaftsstruktur haben – zu viel klassische Industriestrukturen –, wirklich überwinden könnten.

Das sind Probleme, die das Land hat; und ich kann nur an Sie appellieren, jetzt mal aus diesem Wahlkampfgedöns rauszukommen und mitzudiskutieren, wie wir solche Probleme für unser Land lösen können.

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Die Haushaltsberatungen zeigen, dass der Ministerpräsident – auch was den Bereich des Staatsministeriums angeht – eigentlich nicht so sehr an diesen Fragen arbeitet, sondern dass seine Strategie lautet, mehr von dem, was uns schon stark macht, irgendwie zu optimieren. Diese neuen Felder beackert er aber eigentlich nicht.

Ich will dies an ein paar Beispielen darstellen.

Das erste: Sie haben die Haushaltskonsolidierung wirklich abgebrochen. Es gab eine Zeit, in der wir im Land auf diesem Gebiet wirklich viel erreicht haben. Als die Konjunktur schlecht war und als der Finanzminister noch einen anderen Namen hatte, da wurde wirklich einigermaßen eingespart. Aber dies ist aufgegeben worden.

(Widerspruch bei der CDU – Abg. Fleischer CDU: Was haben Sie damals gesagt? Das ist doch pure Heuchelei! – Weitere Zurufe)

Das ist so. – Aber jetzt ist die Konsolidierung abgebrochen.

(Unruhe)

In der Finanzpolitik, Herr Fleischer, steckt die Wahrheit in den Zahlen.

(Abg. Fleischer CDU: Bloß haben Sie damals ge- nau das Gegenteil gesagt!)

Als Herr Teufel 1992 den ersten Haushalt zu verantworten hatte, hatten wir 1,95 Milliarden DM Nettoneuverschuldung, und im Jahr 2000, so der Haushalt, werden wir 1,9 Milliarden DM haben. Also, das ist nicht konsolidiert im Sinne davon, dass die Neuverschuldung abgebaut worden wäre. Die Nettoneuverschuldung ist vielmehr in etwa gleich geblieben, obwohl wir in dieser Zeit insgesamt 3,36 Milliarden DM Privatisierungserlöse in die Ausgaben des Landes mit eingespielt haben. Da muss sich doch jeder fragen, was passiert, wenn solche Einnahmen eines Tages nicht mehr zur Verfügung stehen.

Wenn Sie diese Zahlen bestreiten, will ich es noch drastischer sagen: In der vorvorletzten mittelfristigen Finanzplanung,

(Abg. Haas CDU: Wann war die?)

der mittelfristigen Finanzplanung für den Zeitraum 1996 bis 2000, hatten wir eine Neuverschuldung von 750 Millionen DM anvisiert. Als 1997 die Steuereinnahmen wegbrachen, hat man diese Zahl auf 2 Milliarden DM korrigiert. Jetzt sind aber 1998 und 1999 die Steuereinnahmen wieder massiv gestiegen, doch man hat diese mittelfristige Finanzplanung nicht korrigiert. Sie sind mit den 300 Millionen DM, die Sie nur aus den Mehreinnahmen und nicht aufgrund von Einsparungen zusätzlich zur Verfügung haben, nicht in den alten Stand der 750 Millionen DM getreten, sondern machen wieder 1,9 Milliarden DM Schulden. So etwas ist keine Konsolidierung, sondern so etwas ist Abbruch von Konsolidierung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Wir haben Ihnen in den Beratungen ja einen Weg gezeigt, wie man – durch einen Verkauf und durch Schuldentilgung – nachhaltig konsolidieren kann. Übrigens sind wir die Einzigen in diesem Hause, die die Neuausgaben konsequent durch Einsparungen finanzieren – wir haben ja auch Anträge für Investitionen gestellt – und die Schulden zurückzahlen wollen und die – jetzt kommt der springende Punkt – die 130 Millionen DM, die man jährlich an vermiedenen Zinsen hat, nicht wieder ausgeben wollen, sondern tatsächlich Jahr für Jahr einen Posten in dieser Größenordnung von zusätzlicher Reduktion der Nettoneuverschuldung des Landes insgesamt haben wollen.

Dann haben Sie, Herr Ministerpräsident, die mit dem EnBW-Verkauf sich bietenden Chancen nicht genutzt. Ich will jetzt mal ganz offen sagen: Erklären Sie mal diesem Hause nachher in Ihrer Rede, was eigentlich aus der Arbeitsplatzgarantie geworden ist und was eigentlich aus der viel gerühmten Diskussion um den strategischen Mehrwert für das Land geworden ist. Ich fordere Sie auch auf, den Kaufvertrag, den Sie unterschrieben haben, den Fraktionen des Landtags zur Verfügung zu stellen; denn Sie haben monatelang hier irgendwelche Nebelkerzen geliefert, und dann ist es ganz plötzlich mit der Unterschrift ganz still geworden. Das lassen wir als Opposition nicht zu.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Sie haben – und da steht es in Baden-Württemberg wirklich schlecht – sich im Bereich des öffentlichen Dienstes der Einführung der Altersteilzeit nachhaltig mit einer Sturheit widersetzt, die mich nur an die Aschermittwochsdiskussion insgesamt erinnern kann.

(Abg. Oettinger CDU: Aschermittwoch?)