Protokoll der Sitzung vom 09.02.2000

(Anhaltender Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Schlager.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Mühlbeyer, ich würde gerne positiv reden über das Bündnis für Bildung und Beschäftigung, aber ich kann es angesichts des Scherbenhaufens, vor dem wir jetzt stehen, nicht tun.

(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen und der SPD – Zurufe von der CDU: Wo? – Abg. Wacker und Abg. Dr. Birk CDU: Waren Sie gerade draußen?)

Ich komme auch gleich noch zu den 59 Einzelmaßnahmen, auf die Sie so stolz sind.

Der DGB hat das Bündnis verlassen – ich zitiere die Begründung –, „weil keiner seiner wesentlichen Vorschläge aufgegriffen worden ist“. Wir haben also bisher einen Konsens erreicht zwischen Landesregierung und Arbeitgebern. Kann denn die Landesregierung darauf stolz sein, dass sie mit jenen übereingekommen ist, mit denen sie sich auch bisher schon gut verstanden hat?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Klar, der Konsens mit den Arbeitgebern fällt leichter, aber, Herr Mühlbeyer, Sie haben gesagt – und das ist wichtig –, zu einem Konsens gehören alle Beteiligten: Gewerkschaft, Arbeitgeber und Landesregierung. Sie müssen gemeinsam nach Lösungen suchen, und dazu müssen alle Beteiligten ein Stück von ihrer Position wegrücken. Gerade daran fehlt es bei der Landesregierung.

Der Ministerpräsident hat im Oktober das Gespräch mit dem DGB verweigert. Der Ministerpräsident hat im Januar das Gespräch verweigert mit der Begründung, er finde keinen Termin.

(Abg. Haas CDU: An welchem Tag war das? – Abg. Hauser REP: Da war er in Bangladesch!)

Mit Verlaub, das halte ich für eine Ausrede. Herr Ministerpräsident, Sie wollen einfach nicht von Ihren fest gefügten Positionen abrücken, aber das wäre die Voraussetzung dafür gewesen, um gemeinsam zu Ergebnissen zu kommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Und nun komme ich zu den 59 Einzelmaßnahmen. Von der Landesseite steht da alles noch einmal aufgeschrieben, was wir schon kennen. Es ist entweder schon begonnen oder schon beschlossen oder schon mehrfach angekündigt oder schon immer Teil der CDU-Politik. Der DGB sagt zu Recht: Es ist eine beschäftigungspolitische Nullnummer.

Aber jetzt sage ich Ihnen noch, was das Handwerk zu diesen 59 Maßnahmen sagt – ich zitiere –: „Das Gesamturteil kann nur lauten: ungenügend.“ Eine glatte Sechs schreibt Ihnen der Baden-Württembergische Handwerkstag unter Ihren Maßnahmenkatalog. Suchen Sie also die Fehler nicht nur außerhalb, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD – Zuruf des Abg. Kuhn Bünd- nis 90/Die Grünen)

Angesichts dieses Ergebnisses darf es Sie nicht wundern, meine Damen und Herren, wenn die Opposition heute fragt, ob Sie die Beschäftigungssicherung im Land auch wirklich ernst nehmen.

Es ist doch nichts Unbilliges, wenn der DGB die Altersteilzeit für Beamte endlich auch im Land Baden-Württemberg fordert, nachdem das alle anderen Bundesländer schon auf den Weg gebracht haben. Wir wären ja nie so vermessen, zu sagen, Baden-Württemberg solle vorangehen. Aber als Letzte noch aufzuspringen, das muss möglich sein.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Sturheit – und das möchte ich an den Ministerpräsidenten richten – ist sicher eine wichtige politische Eigenschaft. Wenn sie aber allzu groß ist, steht sie jedem Aufbruch und jeder neuen Idee im Weg. Das Bündnis für Bildung und Beschäftigung hätte ein Aufbruch sein sollen. Dem hat sich die Landesregierung konsequent verweigert.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hofer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Maurer hat der Regierungskoalition im Zuge der Diskussion über das Bündnis allgemein beschäftigungspolitisches Versagen vorgeworfen. Ich möchte solcher Polemik zunächst einmal die Welt der Fakten, die Welt der baden-württembergischen Realität entgegenstellen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Wir alle wissen, dass wir hier in Baden-Württemberg eine beschäftigungspolitische Bilanz vorlegen, die sich wirklich sehen lassen kann. Sie alle wissen, dass die Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg zusammen mit der in Bayern einsame Spitze gegenüber der in allen anderen Bundesländern war.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Deutlich!)

Jetzt sind wir sogar wieder Spitzenreiter vor Bayern.

Wir alle wissen, dass, was noch wichtiger ist, die Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg stärker zurückgegangen ist als irgendwo anders.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das alles ist das Verdienst der Wirtschaft, der Unternehmen im Lande und der Belegschaften. Das liegt auch an einer guten Wirtschaftsstruktur, ist aber auch das Verdienst einer zielgerichteten Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Behringer CDU)

Im Übrigen sind wir auch bei der Lehrstellenversorgung vorbildlich. Ich sage das deshalb, weil hier bereits ein funktionierendes Bündnis besteht, nämlich das vom Wirtschaftsminister initiierte Bündnis für Ausbildung.

Dennoch: Trotz all dieser guten Daten ist für uns keine Frage, dass der Abbau der Arbeitslosigkeit das Hauptthema bleiben wird, welches Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bestimmt, und wir wollen da auch weitere Erfolge.

Die Quote ist übrigens weiter rückläufig, wie wir heute wieder sehen können: etwa im Bereich der Region Stuttgart 5,5 %. Auf den Fildern kann man sogar schon eine Drei vor dem Komma feststellen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Im Zuge der prognostizierten Wirtschaftsentwicklung – Wachstum über 3 % – und der demographischen Entwicklung wird das noch weiter zurückgehen.

Das Problem liegt darin, dass sich trotz dieser guten Entwicklung die Arbeitslosigkeit in Teilen gleichzeitig verfestigt. Ein paar Beispiele sollen das belegen: Von den 71 000 Arbeitslosen in der Region sind 22 000 älter als 55 Jahre, sind 23 000 ohne deutschen Pass,

(Abg. Deuschle REP: Hört, hört!)

sind 5 000 behindert und sind 25 000 Langzeitarbeitslose. Gleichzeitig vermelden etwa die Hälfte aller Betriebe, dass sie die offenen Stellen nicht besetzen können. Das ist das Problem! Da geht es weniger um Umverteilung von Arbeit, sondern da geht es darum, dass Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage nicht übereinstimmen. Alle sind sich darüber einig, dass die Strategie bei den gering Qualifizierten beginnen muss,

(Beifall bei der CDU – Abg. Deuschle REP: Rich- tig!)

und da kann ein Bündnis für Arbeit helfen, da muss ein Bündnis für Arbeit helfen. Deshalb hat die FDP/DVP auf ein solches Bündnis gedrängt, übrigens auch der Wirtschaftsminister. Allerdings ist dann auch wichtig, dass man ein richtiges Verständnis von diesem Bündnis hat. Das ist zunächst einmal eine Plattform für Meinungs- und Positionsaustausch. Im Erfolgsfall kann das zu Handlungsempfehlungen führen. Aber, Herr Maurer, das sind Empfehlungen; Sie beklagen ja immer die Unverbindlichkeit.

(Abg. Maurer SPD: Sie machen doch eine Lehr- stunde für die CDU!)

Ja, die Lehrstunde ist nötig. – Die Entscheidungen fallen hier im Parlament oder bei den Tarifpartnern. Das ist doch völlig klar. Bei einem solchen Bündnis wird es immer Punkte geben können, die im Dissens bleiben. Das ist doch nicht das Problem. Jedenfalls sind Gesprächsvorbedingungen, Junktims, veröffentlichte Forderungen in Drohgebärde etwas Kontraproduktives.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Natürlich geht es darum, zunächst einmal Beiträge einzubringen, aber Arbeitsniederlegungen zu machen, wenn die eine oder andere Forderung nicht erfüllt wird, ist kontraproduktiv. Hätte man das im Bund so gemacht, wäre das Bündnis dort schon längst mausetot.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Herr Maurer, zum Abschluss komme ich noch auf die – weil Sie das auch als Nullnummer bezeichnet haben – 59 Handlungsempfehlungen, die alle sehr gut und sehr richtig sind. Dass die zum Teil bereits geplant sind, dass die zum Teil schon angegangen sind, was ist denn daran schlimm? Das zeigt doch nur, dass wir in Baden-Württemberg nicht bei der Stunde null beginnen,

(Zuruf von der FDP/DVP: Sehr richtig!)

sondern schon früher angefangen haben. Was ist denn daran schlimm, dass diese Empfehlungen nicht alle neu sind? Unser Problem in Deutschland ist doch nicht, dass wir alles neu erkennen, sondern dass wir das Erkannte endlich einmal umsetzen müssten. Das ist das Problem.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Die FDP/DVP-Fraktion appelliert an die Gewerkschaften, die Einladung zum Bündnisgespräch am 17. Februar anzunehmen. Brücken sind hierzu genügend gebaut worden.

Auch für die FDP/DVP-Fraktion – ich komme zum Ende – ist beim Thema „Altersteilzeit für Landesbeamte“ für die Zukunft noch nicht das letzte Wort gesprochen.