Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nicht erst seit der Beantwortung des Antrags der SPD wissen wir, dass wir an den beruflichen Schulen in Baden-Württemberg ein sehr großes strukturelles Defizit in der Unterrichtsversorgung haben. Strukturelles Defizit – damit meine ich: Es wird Pflichtunterricht nicht erteilt; es geht nicht nur um krankheitsbedingte oder fortbildungsbedingte Unterrichtsausfälle.
Dennoch sind die Zahlen, die jetzt in der Stellungnahme der Landesregierung zum Antrag enthalten sind, für mich ziemlich erschütternd, wenn Sie, Frau Kultusministerin, jetzt einräumen müssen, dass über 1 000 Deputate an den beruflichen Schulen fehlen. Wenn Unterricht in bestimmten Fächern aufgrund von Fachlehrermangel überhaupt nicht mehr erteilt werden kann, dann sind Sie Ihrer Ver
pflichtung, das allgemein bildende Schulwesen und das berufliche Schulwesen gleichwertig auszustatten, einfach schlichtweg nicht nachgekommen.
Es ist nicht zu akzeptieren, dass Sie ständig auf andere Bundesländer verweisen, die keine 13, sondern zum Beispiel nur 12 Wochenstunden Berufsschulunterricht festgelegt haben. Wenn Sie in Baden-Württemberg 13 Stunden festgelegt haben, müssen Sie sich an den eigenen Ansprüchen und nicht an denen anderer Bundesländer messen.
Alarmierend ist besonders der Fachlehrermangel in den Zukunftsberufen Computertechnik, Wirtschaftswissenschaften, Fertigungstechnik. Der Verweis auf die Konkurrenzsituation mit der freien Wirtschaft ist zwar richtig – das sehen wir genauso, die freie Wirtschaft wirbt die Elektrotechniker, wirbt die Ingenieure ab, wir verkennen dieses Problem nicht –, aber dies zeigt gleichzeitig, dass Sie keine Strategie entwickelt haben, wie in diesen Mangelbereichen die Unterrichtsversorgung dauerhaft gesichert werden kann.
Es ist auch richtig, wenn jetzt, wie vonseiten der SPD, ein Notprogramm zur Sicherung der Unterrichtsversorgung gefordert wird, aber wir brauchen ein schlüssiges Gesamtkonzept für die nächsten Jahre. Dazu gehören nach unserer Auffassung:
Erstens: Insgesamt müssen mehr Lehrerstellen geschaffen werden, wie es meine Fraktion ja beim Doppelhaushalt mit den zusätzlichen 2 000 Lehrerstellen beantragt hat. Dann können auch jährlich mehr Lehrerstunden, mehr Deputate an die beruflichen Schulen zugewiesen werden.
Zweitens: Es müssen Anreize zur Gewinnung von Spezialisten – Elektroingenieure, Diplomhandelslehrer, Informatiker – geschaffen werden. Eine Möglichkeit dazu: Eine Einstellungsgarantie für die Spezialisten bereits vor dem Referendariat. Meine Damen und Herren, es wird aber kein Weg daran vorbeiführen, Zulagen zum Referendariat zu zahlen, und es wird auch kein Weg daran vorbeiführen, aufgrund dieser extremen Mangelsituation zeitlich befristet zum anschließenden Gehalt Zulagen zu bezahlen, sonst ist der Schuldienst für hoch qualifizierte Spezialisten bei der Konkurrenzsituation mit der freien Wirtschaft einfach nicht attraktiv.
Drittens: Gerade beim beruflichen Schulwesen zeigt sich, dass das Berufsbeamtentum mit seinen starren Laufbahnregelungen die schnellen Anpassungen, die erforderlich sind, die Befriedigung des Reformbedarfs, aber auch die Personalplanung erschwert.
Wir brauchen Spezialisten, zum Beispiel aus den technischen Fachhochschulen. Es ist doch absurd, dass ausgerechnet Ingenieure aus den Fachhochschulen, die viel praxisnäher, viel schultauglicher sind als zum Beispiel solche aus der wissenschaftlichen Ausbildung, keinen sofortigen Zugang zum höheren Dienst haben. Dieser alte Zopf muss weg.
Wir fordern zum Beispiel ein zweisemestriges pädagogisches Zusatzstudium für FH-Absolventen mit anschließender sofortiger Übernahme ins Referendariat zum höheren Dienst.
Viertens: Die Voraussetzungen dafür müssen geschaffen werden, dass qualifizierte Spezialisten aus der Lernortkooperation für einige Jahre in den Schuldienst überwechseln können. Wir brauchen dort diese Spezialisten im Angestelltenverhältnis, die dann anschließend wieder in die Wirtschaft wechseln; denn eine solche Fluktuation wird der Verzahnung von Arbeitswelt und Schule gut tun und wird auch die qualitative schulische Ausbildung an den beruflichen Schulen erhöhen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch ein Wort zur beabsichtigten Deckelung der beruflichen Vollzeitschulen sagen. Natürlich muss die absolute Priorität auf die Schaffung zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze gelegt werden. Die Wirtschaft, die Arbeitnehmer müssen in die Pflicht genommen werden und dürfen sich ihrer Verantwortung für die junge Generation nicht entziehen.
Ich sage aber deutlich: Bevor in den nächsten Jahren bei wachsenden Schülerinnen- und Schülerzahlen junge Menschen nach der Schule ohne Perspektive auf der Straße stehen, muss die Landesregierung offen sein für einen behutsamen Ausbau der beruflichen Vollzeitschulen. Berufliche Ausbildung, schulische Ausbildung sind teuer, aber die sozialen Folgekosten von unterlassener Ausbildung und Bildung sind unbezahlbar.
Meine Damen und Herren, unter den Gästen auf der Zuhörertribüne befindet sich der französische Generalkonsul in Stuttgart, Herr Francis Etienne, der sein Amt Ende des letzten Monats offiziell angetreten hat.
Herr Generalkonsul, ich darf Sie im Namen des Landtags sehr herzlich willkommen heißen. Ich bedanke mich für Ihr Interesse und wünsche Ihnen einen informativen Aufenthalt im Landtag.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die beruflichen Schulen sind eine wesentliche Säule des Bildungssystems in BadenWürttemberg. Dies wurde gestern erneut deutlich bei der Verabschiedung von Herrn Ministerialdirigent Degenhart, dem wir an dieser Stelle nochmals für sein langjähriges und fundiertes Wirken in diesem Bereich danken wollen.
Nun zum auf der Tagesordnung stehenden Antrag. Die SPD schlägt Schlachten von gestern, und sie kämpft auch noch an der falschen Front. Meine Damen und Herren, Ih
nen scheinen die Themen auszugehen. Sie holen deshalb in gewissen Abständen alte Initiativen heraus und bringen sie mit einem leicht modernisierten Kleidchen immer wieder. Ich erinnere mich sehr wohl daran, dass wir uns vor nicht allzu langer Zeit im Schulausschuss bereits ausführlich über die Unterrichtszeiten im Gastgewerbe unterhalten haben.
Fakt ist: Diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben gerade in den finanziell schwierigen letzten Jahren bewusst einen Schwerpunkt in die zukunftsorientierte Bildung für unsere Jugend gesetzt. Dies hat sich auch im beruflichen Schulwesen deutlich ausgewirkt.
Die Wiederbesetzung und Schaffung neuer Lehrerstellen ist anteilsmäßig auch den beruflichen Schulen zugute gekommen.
Im Einzelnen verweise ich zu diesen Maßnahmen auf das von der Kollegin Kuri bereits ausführlich Dargestellte.
Nun zu Ihrem Rechenmodell, Herr Wintruff. Ich glaube, wir sollten uns wirklich darüber einig werden, dass nicht in allen Berufen eine Pflichtbeschulung mit 13 Wochenstunden sinnvoll und nötig ist.
Die Situation in einzelnen Berufen ist genauso zu berücksichtigen wie die parallel angebotenen und ebenso wichtigen Theorie- und Praxisunterrichte, die zum Beispiel durch Kammern, Innungen und Verbände verlangt werden. Wir können nicht alles aufeinander setzen, sondern wir müssen die Zeiten synergetisch einteilen.
Nun gibt es in der Tat – das wird auch in der Stellungnahme des Ministeriums deutlich – gewisse Problemzonen, zum Beispiel im fachpraktischen Unterricht und bei bestimmten Mangelfächern. Hier sind allerdings Deputate, das heißt Geld, durchaus vorhanden. Hier fehlen die Bewerber. Das heißt, ein Notprogramm, wie Sie es fordern, würde überhaupt nicht helfen.
Diese Situation kehrt in gewissen regelmäßigen Zeitabläufen immer wieder, weil sie konjunkturabhängig ist. Sobald in der Wirtschaft Mangel an Bewerbern herrscht, werden diese vorrangig in die Wirtschaft gehen – weil sie einfach die Möglichkeit hat, im Gehalt viel flexibler zu reagieren –, sodass wir Schwierigkeiten haben, für unsere Schulen genügend geeignete Bewerber zu finden. Das Kultusministerium hat hier aber durchaus bereits Maßnahmen ergriffen. Ich verweise nur auf die Anzeigenserie.
In den nächsten Jahren erwarten wir eine Zunahme der Schülerzahl an beruflichen Schulen bis etwa Mitte des Jahrzehnts. Hier deutet sich in der Tat ein gewisser Engpass an. Auch hier wurde deshalb bereits reagiert. Das Kultusministerium hat mir mitgeteilt, dass bereits mit dem Finanzministerium gesprochen wurde über eine Rücknahme
der Reduzierung der Anwärterbezüge für Referendare im beruflichen Bereich und eine Bundesratsinitiative zur Wiedereinführung der bewussten Fußnote im Bundesbesoldungsgesetz, die einen Sonderzuschlag für Bewerber ermöglicht, die aus einem bereits ausgeübten anderen Beruf kommen. Hier, werte Kollegen von der Opposition, ist Ihre Aktivität nötig, weil Sie die anderen Länder überzeugen müssen, dass dies sinnvoll und wichtig ist, damit sie dem zustimmen.
Ein stetes Jammern, Herr Kollege Wintruff, wird allerdings nicht dazu beitragen, das Ansehen und das Image der Lehrer an beruflichen Schulen zu fördern. Das brauchen wir aber, wenn wir junge Menschen dafür gewinnen wollen, den hochinteressanten Beruf des Lehrers an einer beruflichen Schule anzustreben.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle einen besonderen Dank an alle Lehrerinnen und Lehrer aussprechen, die sich gerade in den beruflichen Schulen besonders engagieren. Wie oft erlebe ich, wenn ich eine berufliche Schule besuche, dass ich einen Raum gezeigt bekomme,
(Abg. Bebber SPD: Die fühlen sich verhohnepipelt angesichts der Vernachlässigung durch die Regie- rung!)
von dem gesagt wird: Den haben die Lehrer zum großen Teil mit den Schülern zusammen selbst ausgestattet. Dieses Engagement müssen wir würdigen. Ich sage deshalb auch hier noch einmal ausdrücklich: Wir müssen darüber nachdenken, wie wir die leistungsorientierte Besoldung unserer Lehrer weiter ausbauen können, um solches Engagement nicht nur mit guten Worten, sondern auch finanziell zu belohnen.
Wir müssen auch das Engagement der Lehrer belohnen, die sich zum Beispiel für ihre Arbeit einen eigenen PC beschafft haben und diesen in manchen Finanzamtsbezirken derzeit nicht einmal als Werbungskosten absetzen dürfen. Auch hier ist politische Initiative gefragt.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Rau CDU zur FDP/DVP: Euch muss man ja aufwecken!)