(Zurufe des Abg. Haas CDU – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Gebt mal dem Haas ein Zäpfle! Das ist ja nicht auszuhalten! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Veränderungen beim Zivildienst und deren Folgen für die sozialen Einrichtungen und die Betroffenen sind als Problem ernst zu nehmen.
(Abg. Haas CDU: Haben Sie mal gehört, was die Liga zu dem Thema sagt? – Gegenruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Haas, halt mal die Gosch!)
der kürzlich angesichts der Rentenvorschläge von Herrn Merz gesagt hat – ich zitiere aus der „Stuttgarter Zeitung“ vom 10. April –:
CDU und CSU sollten die Regierung ins Visier nehmen und nicht deren Aufgabe übernehmen, Konzepte vorzulegen.
Diese Art Arbeitsteilung, bei der die Regierung die Konzepte macht und die Opposition nölt, meine Damen und Herren von der CDU,
Vollends peinlich wird es jedoch, wenn die größte Regierungsfraktion im Land versucht, ein solchermaßen reduziertes Oppositionsverständnis der Bundestagsfraktion im Landtag noch einmal nachzuspielen. Da weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll.
Nun zur Sache: Ich glaube, was Sie gar nicht richtig verstanden haben oder verstehen wollen, ist, dass es in erster Linie ja gar nicht um Einsparungen geht. Es geht vielmehr um ein Thema, das „Gleichstellung des Zivildienstes mit dem Wehrdienst“ lautet. Das ist etwas, was Sie jahrzehntelang hintertrieben haben. Sie waren immer der Meinung, die Zivildienstleistenden müssten dafür, dass sie sich vor dem Wehrdienst drücken, durch eine längere Zeit bestraft werden.
Da waren die Mayer-Vorfelders und andere, die mit leuchtenden Augen beim Bundesverfassungsgericht von ihren Wehrübungen erzählt und so getan haben, als sei es der Standard, dass alle noch etliche Male dazu eingezogen werden, obwohl dies eben gar nicht Praxis ist.
Wir gehen jetzt endlich den überfälligen Schritt der Verkürzung der Dienstzeit, der Angleichung an den Wehrdienst. Zwar ist es immer noch ein Monat mehr, aber es ist richtig, dass jetzt der Zivildienst nicht mehr in derselben Weise durch die Länge des Dienstes diskriminiert wird wie vorher.
Ich darf noch auf einen weiteren Akt der Gleichstellung hinweisen. Es ist die rot-grüne Bundesregierung, die beschlossen hat, dass Zivildienstleistende jetzt genau so wie Wehrdienstleistende ab dem siebten Monat eine Solderhöhung bekommen. Das heißt, auch hier gilt Gleichstellung, und das ist richtig so.
Bei der Verkürzung des Zivildienstes entstehen natürlich auch Einsparungen. Aber dass Sie jetzt hier heulen, Frau Stanienda, als Vertreterin einer Partei, in der es ja nun viele alte Männer gibt,
die noch die Antwort auf die Frage „Haben Sie gedient?“ als Beweis für die Mannhaftigkeit eines Menschen nehmen, das ist ja eher peinlich.
(Beifall und Heiterkeit beim Bündnis 90/Die Grü- nen und bei der SPD – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Unter der Gürtellinie! – Gegenruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Nein, das war Blattschuss!)
Sie entdecken jetzt auf einmal den Zivildienst und seine Wichtigkeit und sprechen von Versorgungslücken. Vielleicht haben Sie da auch etwas nicht verstanden.
Der Zivildienst ist ursprünglich als ein Ersatzdienst eingeführt worden. Da hat man an soziale Tätigkeitsfelder noch gar nicht gedacht.
Dann hat sich das so entwickelt, dass immer mehr Zivildienstleistende in den sozialen Bereichen tätig wurden, weil sie nämlich auch selber dort sehr viel zufriedener waren. Aber es ist, Herr Kollege Haasis – und Sie scheinen da nicht sachkundig zu sein –,
bis heute so, dass die Einrichtung, die einen Zivildienstplatz anbietet, unterschreibt, dass es sich um einen Platz handelt, durch den kein Arbeitsplatz wegfällt und durch den die Neubesetzung eines Arbeitsplatzes nicht verhindert wird.
Nun ist es auch so, dass es seit Jahren – und da haben gerade auch Sie mitgemacht – auch ein augenzwinkerndes Einverständnis gibt zwischen den Verbänden und der Politik – –
Diese arbeitsmarktpolitische Neutralität steht auf dem Papier. Die ist nicht Praxis. Und der Zivildienst hat es sogar ermöglicht, dass ganz neue Tätigkeitsfelder im sozialen Bereich entstanden sind, etwa die individuelle Schwerstbehindertenbetreuung. Deswegen ist es richtig, sich über die Perspektive des Zivildienstes, wenn der Wehrdienst weiter verkürzt wird oder ganz wegfällt, Gedanken zu machen.
Dies will ich gerne tun. Ob aber die CDU-Fraktion, meine Damen und Herren, dafür die richtige Gesprächspartnerin ist, da habe ich meine Zweifel.
(Lebhafter Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Bebber SPD: Bender macht alte Männer munter!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte eingangs betonen, dass es natürlich eine Entwicklung war, die den Zivildienst als ein wesentliches Element unserer, möchte ich einmal sagen, sozialen Infrastruktur darstellt, einen wichti
gen Baustein. Ich freue mich schon auch, dass man von den Begriffen „Verweigerung, Drückebergerei“ zum Begriff eines Leistungsträgers, nämlich des zivilen Dienstes, gekommen ist. Allerdings muss ich sagen, ohne jetzt polemisch werden zu wollen: Es verfestigt sich schon der Eindruck, Herr Müller, dass Sparen bei Ihnen immer dann, wenn Sie es tun, selbst wenn Sie es im sozialen Bereich tun, gerecht ist. Wenn wir es dagegen tun, kritisieren Sie es hier heftigst.
(Beifall des Abg. Hofer FDP/DVP – Abg. Dr. Walter Müller SPD: Wir halten es für vertretbar! – Abg. Bebber SPD: Bei den Zahnärzten! – Abg. Brechtken SPD: Wir haben nur bei den Zahnärzten Probleme!)
Herr Müller, Sie können natürlich auch nicht, indem Sie die zusätzlichen Kosten auf den einzelnen Zivildienstleistenden herunterbrechen, versuchen, die Dimension zu relativieren. Es sind immerhin zwischen 600 Millionen DM und 700 Millionen DM, die Sie in diesem Bereich einsparen. Das muss man einfach einmal ganz klar sehen. Das ist einmal der monetäre Aspekt.