Ja, so ist es. Dieser Anteil von Gefangenen in unseren Anstalten nimmt zu. Wenn heute einer der Betroffenen 100 oder 200 DM nach Hause schickt, ergibt sich das paradoxe Ergebnis, dass er in seinem Heimatland als beruflich erfolgreich gilt.
Die Schweiz, wo die Löhne höher sind als bei uns, steht exakt vor dem Problem: Manche reisen als Drogenkuriere, weil sie sagen: „Wenn ich erwischt werde, kann mir nicht viel passieren. Dann sitze ich ein paar Jahre. Danach probiere ich es vielleicht noch einmal. Mit 40 gehe ich in mein Heimatland zurück und bin ein gemachter Mann.“ Das klingt paradox, ist aber zunehmend so. Auch dieses Argument dürfen Sie nicht unterschätzen.
Das führt uns auf den Punkt zurück: Es ist Arbeit zu therapeutischen Zwecken. Dort findet eine Resozialisierung statt. Die Arbeit ist das Hauptresozialisierungsmittel. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht gesagt. Ich entnehme dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aber natürlich, dass wir die Möglichkeiten für die Resozialisierung maximieren müssen. Genau das können wir nicht, wenn wir die Löhne beliebig erhöhen.
Erschreckend – damit will ich schließen – ist aber wieder einmal die Art, wie der Bund vorgeht. Ich habe gestern gehört, der Bund wolle nächste Woche über die Fraktionen einen Vorschlag einbringen. Er bringt ihn über die Fraktionen ein, damit die Länder nicht mitreden können. Denn das ist die Folge. Wenn die Bundestagsfraktionen von Rot und Grün dieses Gesetz einbringen, entfällt die Stellungnahme der Länder. So einfach kann man es sich machen, wenn man die Länder nicht hinter sich hat.
Ich füge in Klammern hinzu: Rot und Grün bringen über die Fraktionen am Freitag nächster Woche auch einen Entwurf zur Rechtsmittelreform ein.
Die Länder werden abgehängt. Die Politik des Bundes ist überhastet. Man hat Angst, von Misserfolg zu Misserfolg zu kommen. Jetzt reagiert man panisch und bringt Entwürfe ein, die die Länder massiv betreffen, ohne ihnen auch nur die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben.
Das ist Bundespolitik im Jahr 2000, wie wir sie uns in unseren schlimmsten Träumen nicht vorgestellt hätten.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Justizminister hat hier dieses Problem ausführlich vorgetragen und auch alle Punkte erwähnt. Eines vermisse ich bei dieser Debatte: die Anwort der Opposition, wie sie das finanzieren will. Sie stellen einfach einen Betrag in den Raum, aber ich habe keinen einzigen Wortbeitrag dazu gehört, wie dies aus unserem Landeshaushalt finanziert werden soll. Dafür ist ausschließlich unser Landeshaushalt zuständig. Hierzu kommt von Ihnen kein kreativer Vorschlag. Bis jetzt habe ich noch nichts gehört; ich mahne es jetzt einmal an: Aus welchem Etat wollen Sie das finanzieren?
Selbstverständlich – das wurde jetzt auch noch einmal klar herausgestellt – kommen wir dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nach. Wir halten es für wichtig, dass sich Arbeit lohnt. Das ist eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts. Arbeit kann sich nicht nur finanziell lohnen, sondern zum Beispiel auch in Form von Haftzeitverkürzung oder mehr Urlaub – aber selbstverständlich nicht durch Gewährung von Freizeit. Ein Gefangener will ja gerade deshalb arbeiten, um die Zeit zu überbrücken. Freizeit im Gefängnis bringt also gar nichts, aber mehr Urlaub, mehr Kontakte zur Familie, mehr Kontakte zur Freiheit bringen etwas. Das ist, meine ich, das Ziel. Deshalb stehen wir voll dahinter. Wir erhöhen ja diesen Betrag; wir gehen auf 7 %, 8 %. In dieser Größenordnung lassen wir mit uns reden.
Es ist uns aber – darauf möchte ich noch einmal hinweisen – von Berlin ein Gesetz vorgegeben, das nicht mit den Ländern abgestimmt ist und das wieder über unsere Köpfe hinweggeht: rot-grüne Politik gegen die Länderinteressen. Wenn wir von Föderalismus reden, bitte ich, sich auch danach zu richten. Eine der wenigen ureigenen Aufgaben der Länder ist doch die Justiz. Jedes Land hat allein dafür zu sorgen, dass die Justiz funktioniert. Bei uns funktioniert sie, und das wollen wir erhalten.
Deshalb meine ich, dass eine mäßige Erhöhung notwendig ist und gewährt werden soll. Daneben sollen kreative andere Lösungsvorschläge durchdacht werden. Diese werden wir vorlegen, und wir haben solche auch schon vorgelegt. Deshalb bitte ich Sie, den Justizminister zu unterstützen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte doch noch einmal auf den Begriff der Angemessenheit zu sprechen kommen. Ich denke, die Sprecher unserer Opposition verkennen grundle
gend den Begriff, wie er vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil gemeint ist: nicht „angemessen“ im Sinne von Gegenleistungen, wie sie auf dem freien Markt für Arbeitsleistungen angemessen sind, sondern – ich darf es noch einmal zitieren, da haben Sie eben nicht zugehört,
als ich in der ersten Runde aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1998 zitiert habe –: Die geleistete Arbeit muss eine „angemessene Anerkennung“ finden. Ich füge hinzu: im Rahmen der Erreichung des Ziels der Resozialisierung. Das ist etwas völlig anderes.
(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig! – Abg. Bebber SPD: Lesen Sie mal weiter! Lesen Sie wei- ter!)
Ich habe Ihnen zitiert, dass das Bundesverfassungsgericht davon spricht, dass der Gesetzgeber einen weiten Einschätzungsraum habe. Er kann insofern die typischen Bedingungen des Strafvollzugs, insbesondere auch die Marktferne in Rechnung stellen. Das sind doch ganz andere Kategorien als der angemessene Lohn auf dem freien Arbeitsmarkt. Das ist Punkt 1.
Punkt 2: Meine Damen und Herren, natürlich ist die Arbeit in den Strafvollzugsanstalten auch unter arbeitstherapeutischen Gesichtspunkten zu sehen. Aber es gibt dafür auch eine spezielle arbeitstherapeutische Betreuung. Im Gesetz selbst heißt es nämlich, dass der Gefangene auch „grundsätzlich eine wirtschaftlich ergiebige Arbeit“ verrichten soll. Das heißt, gerade um das Resozialisierungsziel zu gewährleisten, soll der Gefangene keine virtuelle, rein beschäftigungstherapeutisch motivierte Arbeit leisten, sondern er muss auch spüren, dass er grundsätzlich eine vernünftige, wirtschaftlich sinnvolle und – wie es das Gesetz sagt – auch eine ergiebige Arbeit erbringt.
Das heißt mit anderen Worten: Wenn den Vorschlägen der Bundesjustizministerin Folge geleistet werden müsste, würde das bedeuten, dass die zusätzlichen Kosten von 20 Millionen DM – allein für unser Land – für eine „Gefangenenlohnerhöhung“, wie sie nun in den Bundestag eingebracht werden soll, von den Betrieben in den Vollzugsanstalten zu erwirtschaften sind – was nicht möglich ist – oder über den Justizhaushalt vom Steuerzahler subventioniert werden müssen. Mit beidem sind wir nicht einverstanden, weder mit dem einen noch mit dem anderen.
Meine Damen und Herren, der Beschluss der Justizministerkonferenz vom November letzten Jahres, eindeutig gefasst auch mit den Stimmen der rot-grün geführten Bundesländer, ist ein vernünftiges und vertretbares Ergebnis. Ich halte es schlichtweg für einen Skandal, wie die Bundesjustizministerin darüber hinweggeht, als wenn es diesen Beschluss der Justizministerkonferenz nicht gäbe.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Capezzuto SPD: Das ist doch absurd! – Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: So ein Blödsinn!)
Ja, das ist absurd, Herr Kollege Birzele, nach dem Motto „Die finanzielle Situation im Strafvollzug der Bundesländer geht mich nichts an, Hauptsache, der Bund muss nicht zahlen“.
Zunächst einmal, Herr Kollege Käs: Ich weiß nicht, was Sie unter Ernsthaftigkeit verstehen. Das mag Ihre eigene Meinung sein. Zum anderen muss ich Ihnen sagen: Wenn Sie schon etwas anprangern, dann sollten Sie das auch belegen können. Anscheinend haben Sie meinen Ausführungen nicht zuhören wollen – ich habe Ihnen zugehört, sonst könnte ich jetzt nicht antworten –, denn ich habe ganz klar in meinen Vorschlägen von Schuldentilgung und von Schadensregulierung gesprochen, wenn diese Mehrentlohnung stattfinden würde. Also bitte nicht verallgemeinern, sondern den Ausführungen genau zuhören!
(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Das ist kein Gejammere! Das haben Sie missverstanden! Das ist ein direkter Angriff auf die unsinnige Politik der Justizministerin!)
Erinnern Sie sich doch an die Worte Ihres Fraktionsvorsitzenden, und benehmen Sie sich entsprechend. Sie haben anscheinend vergessen, dass wir diese 20 Millionen DM ganz locker und sehr einfach einsparen könnten, wenn die Landesregierung, die Sie ja hier in diesem Hause mittragen, diese unsinnige Imagekampagne, bei der ein unbescholtener Bürger auf allen Vieren einem Leoparden entgegenläuft, unterlassen würde.
Wir könnten mit diesem Geld mehr für die innere Sicherheit tun. Denn wenn wir eine vernünftige Resozialisierung zustande bringen, Herr Kollege Bender, dann haben wir
damit auch etwas für die innere Sicherheit getan. Wie ich vorhin in der ersten Runde schon bemerkt habe, erwarten wir dadurch eine Minderung von Rückfällen in die Kriminalität, und das führt doch zu Kostenersparnissen.