Protokoll der Sitzung vom 19.07.2000

Fazit: Frau Kollegin Wonnay, wir tun mit dieser Verbesserung im Bereich des Landeserziehungsgelds keinen halbherzigen, sondern einen deutlichen Schritt zur Stärkung der Familien in unserem Lande. Weitere Schritte werden notwendig sein. Lassen Sie uns diese Schritte bald und, wenn möglich, auch gemeinsam tun.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Kluck FDP/DVP: Sehr gut!)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Schlierer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir in dieser Debatte eine kurze Bemerkung zum Vorredner: Herr Kollege Noll, Sie glauben doch nicht im Ernst, dass wir auf diese dümmliche Provokation von vorhin eingehen.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Haas CDU: Jetzt tun Sie es gerade!)

Sie haben mit dem Verweis auf uns einen gedanklichen Zusammenhang insinuiert, der unverschämt ist und den ich mit Nachdruck zurückweise.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Haben Sie sich getrof- fen gefühlt?)

Ich sage Ihnen mal eines: Sie sind noch nicht so lange hier dabei,

(Abg. Nagel SPD: Sie sind auch noch nicht lange dabei!)

sonst wüssten Sie, dass diese – ich sage es noch einmal – dümmlichen Debatten vor sechs, sieben Jahren hier geführt worden sind, als man uns Dinge in die Schuhe zu schieben versuchte, die damals von ganz anderen begangen wurden. Es steht außer Zweifel, dass jeder hier in diesem hohen Hause den Anschlag in Ludwigshafen verurteilt.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Schön, wenn Sie das so sagen!)

Da brauchen Sie nicht hinzustehen und so zu tun, als ob nur Sie das verurteilten und andere nicht. Ich sage Ihnen eines: Damit kündigen Sie eigentlich den demokratischen Konsens hier auf.

(Beifall bei den Republikanern – Zurufe von der SPD – Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grü- nen: Konsens!)

Wenn Sie noch einmal solche Schritte hier versuchen, sind Sie diejenigen, die sich außerhalb der parlamentarischen Ordnung stellen.

(Abg. König REP: Brandstifter Dr. Noll!)

Meine Damen und Herren, das ist unbequem – das weiß ich –, aber das müssen Sie eben zur Kenntnis nehmen.

(Abg. Zeller SPD: Sie Heuchler!)

Die größten Heuchler sitzen immer links außen, das wissen wir schon lange.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Zeller SPD: Oberheuchler!)

Wir wollen uns doch hier nicht darüber unterhalten, was Sie alles zu vertreten hätten, wenn ich einen solchen Zusammenhang auf Sie erstrecken würde. Denken Sie nur an den real existiert habenden Sozialismus.

(Beifall bei den Republikanern)

Nein, meine Damen und Herren. Diese familienpolitische Debatte wird zu einem Schaulaufen darüber, wer am familienfreundlichsten ist. Wer fordert am meisten? Welches Land zahlt am meisten? Wie sieht der Vergleich aus?

Pünktlich zur Debatte haben wir auch den Beschluss des Ministerrats zur Anhebung des Landeserziehungsgelds bekommen, den wir ausdrücklich begrüßen. Aber ich glaube, dass wir damit dem eigentlichen Problem nicht gerecht werden. Die Frage ist nämlich nicht, Frau Kollegin Blank, ob wir im Vergleich mit den anderen Bundesländern viel besser sind, sondern die Frage, die sich für uns stellt, ist doch die: Sind die Einschätzungen und sind die Maßnahmen ausreichend und geeignet, um das zentrale gesellschaftspolitische Problem der Zukunft zu lösen? Dieses Problem betrifft die demographische Frage, das demographische Dilemma, wie es der Bevölkerungswissenschaftler Schmid kürzlich in der FAZ zutreffend beschrieben hat.

Es nützt uns nichts, wenn wir jetzt Vergleiche innerhalb der Bundesrepublik Deutschland anstellen, sondern es wäre viel besser, wenn wir die Vergleiche einmal innerhalb Europas anstellten. Da fällt in der Tat auf, dass es Länder gibt, die inzwischen eine wesentlich bessere Bevölkerungsentwicklung erreicht haben als wir. Es fällt auf, dass es in Europa ein Gefälle zwischen Nord und Süd gibt. Das Ganze macht ja nur dann Sinn, wenn man einmal untersucht, welche unterschiedlichen familienpolitischen und sozialpolitischen Strategien dahinter stehen.

Der Vergleich muss also beispielsweise mit Skandinavien angestellt werden. Wir sehen doch ganz deutlich, dass es den Skandinaviern offensichtlich besser als bislang uns gelungen ist, das berufliche Ziel der Frauen mit der Erziehungsarbeit zu vereinbaren. Deswegen sind wir der Ansicht, auch wenn das vielleicht schmerzlich ist, dass wir bei unseren familienpolitischen Wunschbildern, die wir manchmal hegen und die in manchen Punkten vielleicht auch gar nicht falsch sind, doch so weit Abstriche machen sollten, als wir uns einfach einmal den realen Verhältnissen öffnen sollten.

Dann stellt sich tatsächlich die Frage: Reicht die bisherige Staffelung von Maßnahmen – Erziehungsurlaub, Bundeserziehungsgeld, Landeserziehungsgeld und begleitende Maßnahmen – auch für jene aus, die nicht mehr vom Familienbegriff des Grundgesetzes erfasst sind? Wir glauben, dass das nicht ausreicht. Wir glauben auch nicht, dass wir uns hier auf Lorbeeren ausruhen können, die von der Politik hier im Lande erreicht wurden.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Das tun wir ja nicht!)

Dabei darf ich mir noch die Bemerkung erlauben, dass die Forderung nach einer Erhöhung des Landeserziehungsgelds nicht neu ist. Meine Fraktion hat bei den Etatberatungen der letzten Haushalte – ich habe das noch einmal nachgesehen – wiederholt Anträge hierzu gestellt; diese wurden damals aber von allen anderen vier „familienfreundlichen“ Fraktionen abgelehnt. Das Entscheidende müsste eigentlich sein, dass wir eine neue Konzeption schaffen, die vielleicht auf dem Grundgerüst aufbauen könnte, dass wir sagen: Wir führen ein zweistufiges Erziehungsgehalt ein, das für die gesamte Zeit der Erziehung gilt und in verschiedenen Phasen dadurch finanzierbar wird, dass wir andere Leistungen, die heute – ich sage das einmal so – im sozialen Bereich „dazugestückelt“ werden – Leistungen nach dem BSHG oder auch aus der Arbeitslosenversicherung –, zusammenfassen und eine komplette Lösung schaffen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Abgeschrieben!)

Das Konzept kann ich Ihnen innerhalb der kurzen Redezeit natürlich nicht vorstellen. Aber ich kann es Ihnen gern zeigen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wir kennen es! Das ha- ben Sie wahrscheinlich irgendwo gelesen! – Abg. Ingrid Blank CDU: Wir kennen es!)

Wir könnten das machen und damit wirklich versuchen, eine Trendwende herbeizuführen, Herr Noll, und nicht bloß hier herumzureden, wie Sie das getan haben. Wir könnten versuchen, eine Trendwende herbeizuführen mit dem Ziel, Familiengründung mit Kindern tatsächlich wieder attraktiv zu machen.

(Beifall bei den Republikanern – Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Dann haben wir mehr gewonnen, Herr Noll, als wenn Sie hier darüber schwadronieren, dass man mit „Kindern“ selbstverständlich alle meint, die hier geboren seien. Denn Sie gehören zu jenen Leuten, die glauben, das Dilemma, in dem wir stecken, dadurch lösen zu können, dass Sie mit Migration eine Kompensation herbeiführen.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Habe ich das gesagt?)

Genau das ist der Fehler der FDP, die das ja lauthals verkündet. Dazu sage ich Ihnen nur eines: Sie lösen keine Probleme, sondern Sie sind schon heute verantwortlich für die neuen Probleme, die wir bekommen werden und über die wir dann in wenigen Jahren hier sprechen müssen.

(Beifall bei den Republikanern – Zuruf des Abg. König REP)

Das Wort erhält Herr Sozialminister Dr. Repnik.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion, die Landesregierung von Baden-Württemberg und auch die FDP/ DVP-Fraktion – wir arbeiten da ja sehr eng und intensiv zusammen –

(Abg. Dr. Walter Müller SPD: Das merkt man aber nicht! – Zuruf der Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/ Die Grünen)

lassen sich von dem Leitbild leiten, das da heißt: Wir wollen, dass in Baden-Württemberg Familie und Beruf vereinbar sind. Ich glaube, dass wir auf unsere Konzepte sehr stolz sein können.

Mir scheint, meine Damen von der linken Seite, Frau Bender und Frau Wonnay, dass Sie auf einem anderen Stern wohnen oder schlichtweg die Lebenswirklichkeit in BadenWürttemberg nicht zur Kenntnis nehmen oder nicht zur Kenntnis nehmen wollen.

(Abg. Haas CDU: So ist es! – Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Das ist euer Problem!)

Wenn dann noch gesagt wird, wir würden von der Opposition getrieben und würden uns nur durch Nachbohren langsam entwickeln, muss ich, Frau Wonnay, sagen, dass Sie auf einem ganz anderen Stern leben.

(Abg. Wieser CDU: Dem Wonnay-Stern!)

Denn eines ist klar, und das sollte man auch einmal sagen: Es gab vor eineinhalb Jahren eine Große Anfrage der SPDFraktion, eingebracht am 8. Oktober 1998,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Etwas antiquarisch!)

mit dem Betreff: „Politische Konsequenzen aus dem Familienbericht 1998 der Landesregierung“. Bis heute hat die SPD-Fraktion diese liegen lassen.

(Abg. Haas CDU: Peinlich, was?)

Es war der SPD nicht wert, weder im Ausschuss noch im Parlament, einmal in eineinhalb Jahren über die Familie zu diskutieren. Das ist die Lebenswirklichkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)