Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Einzelhandel in Baden-Württemberg beschäftigt in 54 000 Betrieben 260 000 Mitarbeiter, stellt 16 000 Ausbildungsplätze zur Verfügung und setzt jährlich ca. 90 Milliarden DM um. Er steht seit Jahren in einem sehr starken Konzentrationsprozess. Das zeigt sich zum Beispiel am Marktanteil der mittelständischen Facheinzelhandelsbetriebe, der von 55 % im Jahr 1980 auf 36 % im Jahr 1995 zurückgegangen ist. Für 2010 wird dieser Wert deutschlandweit nach Schätzungen des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels auf 25 % zurückgehen.
Was Baden-Württemberg betrifft, sind die Zahlen ähnlich: 35 000 Unternehmen, das heißt also ca. 60 % der Betriebe, haben nur noch einen Anteil von knapp 7 % des Gesamtumsatzes. Andererseits decken 250 Unternehmen mit jeweils rund 25 Millionen DM Umsatz zwei Drittel – 67 % – des Gesamtumsatzes ab.
Die kleinen und mittleren Unternehmen mit ihren strukturellen Nachteilen, wie zum Beispiel einem geringen Einkaufsvolumen, der Verdrängung aus den besseren Standorten in der Innenstadt, der Unterkapitalisierung mit Folgen für die Kreditbeschaffung, drohen immer mehr zu den Verlierern des Verdrängungswettwerbs im Einzelhandelsbereich zu werden.
Diese Entwicklung widerlegt alle, die der Auffassung waren, dass der Einzelhandel aufgrund seiner lokalen Abhängigkeit von Einkaufs- und Konsumgewohnheiten am wenigsten globalisierungsanfällig sei. In der jüngsten Zeit zeigt sich sehr deutlich, welche Wirkungen vom Globalisierungsschub durch den EU-Binnenmarkt ausgehen. Im Rahmen dieses EU-Binnenmarkts haben expansionistische Strategien von Einzelhandelsgiganten wie dem französischen Carrefour oder dem US-amerikanischen Konzern Wal-Mart diese neuen Möglichkeiten.
Sollte es zum Beispiel Wal-Mart gelingen, den deutschen Lebensmittelkonzern Metro zu übernehmen, wäre WalMart mit einem Schlag Marktführer in Deutschland. Damit würde sich auch die jetzige Struktur im Lebensmitteleinzelhandel nochmals ganz erheblich verändern. Die Marktanteile würden noch stärker auf einige wenige größere Unternehmen konzentriert.
Auch wenn der Verbraucher kurzfristig von dieser Entwicklung in Form niedrigerer Preise profitieren wird, wird er langfristig keine Freude haben, denn spätestens nach dem Ende der so genannten Marktbereinigung wird ihm die Rechnung mit höheren Preisen präsentiert.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 92. Sitzung des 12. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.
Meine Damen und Herren, Herr Abg. Fritz Kuhn hat sein Landtagsmandat zum 27. Juni dieses Jahres niedergelegt. Der Landeswahlleiter, den ich davon unterrichtet habe, hat mir mit Schreiben vom 19. Juli mitgeteilt, dass das Mandat auf Herrn Phillip Müller, Stuttgart, übergegangen ist. Er hat die Wahl am 19. Juli angenommen und damit von diesem Tag an die rechtliche Stellung eines Abgeordneten des 12. Landtags von Baden-Württemberg erworben.
Herr Müller, ich begrüße Sie im Namen des ganzen Hauses sehr herzlich und wünsche Ihnen für Ihre Arbeit als Abgeordneter viel Erfolg.
Meine Damen und Herren, heute hat Frau Kollegin Kipfer Geburtstag. Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich ihr
Große Anfrage der Fraktion Die Republikaner mit der Antwort der Landesregierung – Einzelhandel in BadenWürttemberg – Drucksache 12/1933
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, für das Schlusswort fünf Minuten.
Schon jetzt ist festzustellen, dass sich der Lebensmitteleinzelhandel aus der Fläche zurückzieht. In vielen Gemeinden, aber interessanterweise jetzt auch in immer mehr Stadtbezirken einzelner Großstädte – ab 1 500 bis 2 000 Einwohnern – gibt es schon keine Geschäfte mehr. Dazu kommt, dass Kleinbetriebe mit einem Einkaufsvolumen von bis zu einer Dreiviertelmillion Mark es immer schwerer haben, überhaupt noch Ware zu bekommen, da es für Lieferanten immer unattraktiver wird, derartige Betriebe zu beliefern.
Aber auch das Verbraucherverhalten forciert diese Entwicklung. Die Erlebniswelten auf der grünen Wiese haben im Vergleich zu den Geschäften im Stadtzentrum entscheidende Kostenvorteile, die sich natürlich auch auf den Endpreis auswirken. Die Geschäfte im Stadtzentrum, wo in der Regel hohe Mieten erhoben werden, können da oft nicht mithalten.
Erschwerend hinzu kommt das sehr strenge Vorgehen gegen den Individualverkehr in den Innenstädten. Wir Republikaner sind der Meinung, dass der öffentliche Nahverkehr zwar seine Berechtigung hat, aber das Auto nicht ersetzen kann. Wer dennoch an der Verdrängung des Autos aus den Innenstädten arbeitet, ist verantwortlich dafür, dass die Geschäfte dort mehr und mehr um ihre Existenz kämpfen müssen.
Die Ertragssituation dieser Geschäfte ist zurzeit so schlecht, dass viele Betriebe mit der Eigenfinanzierung nicht mehr zurechtkommen und deswegen eine notwendige Modernisierung oder Erweiterung nicht mehr selbst finanzieren können. Die Betriebe sind dann also zunehmend auf Fremdfinanzierung angewiesen. Hierin liegt das Problem. Viele Betriebe haben immer größere Schwierigkeiten, Herr Pfister, vernünftige Finanzierungskonditionen von den Banken zu bekommen. Deshalb fordern wir Republikaner auch die Landesregierung, Herr Döring, auf,
die mittelständischen Finanzierungseinrichtungen wie die Bürgschaftsbank oder die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft stärker zu fördern als bisher.
Meine Damen und Herren, bei der Errichtung von Einzelhandelsgroßflächen auf der grünen Wiese ist die Politik gefordert. Das Konkurrenzgerangel zwischen den Gemeinden um die Ansiedlung immer neuer Erlebnisparks hat inzwischen nicht mehr hinnehmbare Folgen angenommen. Wenn dieser Entwicklung nicht entgegengesteuert wird, droht nicht nur die Verödung der Innenstädte, sondern dann drohen Versorgungsengpässe im ländlichen Raum, aber auch in manchen Stadtbezirken. Diese Entwicklung kann auch nicht im Sinne des Landes Baden-Württemberg sein, Herr Wirtschaftsminister.
Immerhin gibt es inzwischen eine Reihe von Vorschlägen, wie dieser Entwicklung begegnet werden kann. Konkret meinen wir Republikaner zum Beispiel den Vorschlag, beim großflächigen Einzelhandel die Planungshoheit der Kommunen gegenüber der Region einzuschränken. In diesem Zusammenhang hat auch der Verband Region Stuttgart einen meines Erachtens vorbildlichen Weg gewiesen.
Die Region will durch ein mit den Gemeinden und Städten abgestimmtes Märktekonzept diesen Wildwuchs in geordnete Bahnen lenken und durch die Festlegung im Regionalplan geordnete Strukturen schaffen. Ich meine, dass dieses Vorgehen immerhin eine gewisse kleine Chance für die vielen Einzelhändler in den Ortskernen darstellt, die von dem Verdrängungswettbewerb auf den Grünflächen mehr und mehr bedroht werden.
Inwieweit auch das Konzept des City-Marketing, bei dem wohl auch das Wirtschaftsministerium etwas beteiligt war, Herr Minister,
hier weiterhelfen kann, das wird sich in der Praxis sehr schnell vor Ort entscheiden. Das kann an einem Ort klappen, und an einem anderen Ort braucht das bei weitem nicht zu klappen.
Ich möchte jetzt zum Schluss noch einmal ganz deutlich sagen: Die Fraktion Die Republikaner wird sich auch weiterhin für die berechtigten Anliegen der Einzelhändler einsetzen und sich dagegen wenden, dass diese zu Opfern der Globalisierung werden.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Große Anfrage Drucksache 12/1933 ist zwar in vielen Punkten schon überholt, aber sie zeigt doch einige Trends auf, die sich in den letzten zwei Jahren noch deutlich verstärkt haben. Sie haben das schon gesagt, Herr Deuschle: Es geht um den Trend zur grünen Wiese, den Trend zur Großfläche, den Trend zum Erlebnispark, zum Einzelhandel in Verbindung mit Großkinos, zu Sport- und Spaßeinrichtungen, Veranstaltungs- und Musical-Palästen in Kombination mit Handel.
Warum? Das hat mehrere Gründe. Der Mobilitätsgrad der Bevölkerung, und zwar aller Altersgruppen, hat sich sicher noch erhöht, und die Bequemlichkeit auch. Mit Sicherheit verändert sich der Lebensstil. Der Trend geht mehr dahin, dass wir nicht nur einkaufen wollen, sondern beim Einkaufen auch etwas erleben wollen. Wir wollen die Kombination zwischen Gastronomie, Einzelhandel und Freizeitangeboten, eben ein insgesamt spannendes Angebot. Auch die Arbeitszeiten haben sich verändert. Die Flexibilisierung der Arbeitswelt hat uns andere zeitliche Freiräume gegeben. Dadurch nehmen wir manchmal auch längere Entfernungen in Kauf. Außerdem nutzt der Konsument zunehmend die neuen Medien. Der Konsument wendet sich nicht nur den neuen Medien, sondern auch einer ganzen Reihe anderer Handelsschienen zu.
Wie reagiert der Handel jetzt auf diese Situation? Eine große Wirtschaftszeitung hat neulich geschrieben: „Der deutsche Lebensmittelhandel betreibt kollektiven Selbstmord.“ Das ist im Augenblick auch die Situation. Daran ist der Handel selber aber ganz intensiv beteiligt.
Es herrscht ein gnadenloser Preiskampf, sodass sehr viele aufgeben müssen, inzwischen nicht nur die Kleineren, sondern auch Große. Wenn Wal-Mart mit Metro verhandelt, dann reden wir von einer Kaufpreisvorstellung von 40 Milliarden Dollar. Das sind Größenordnungen, bei denen nur noch wenige auf der Welt mitbieten können.
Es geht also um Flächenzuwachs und Umsatzzuwachs, koste es, was es wolle. Das haben Sie schon gesagt. Der Konsument kann sich freuen. Man fragt sich: Sind 1,39 DM für ein halbes Pfund Butter unter Einstandspreis?
Eigentlich ja. Das Kartellamt hat versucht, dagegen vorzugehen. Letztes Jahr sind Metro und Rewe freigesprochen worden. Der Tiger ist zahnlos.
Als Produzenten zahlen wir inzwischen – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – „Auslistungsvermeidungsgelder“ oder „Umsatzankurbelungsrabatte“. In diesem Rabattdickicht kennt sich keiner mehr aus, und auch das Kartellamt kann nichts machen. Alle diese Nachlässe dürfen die Handelsketten auf die Preise aufschlagen, und damit können sie fast immer nachweisen, dass der Preis nicht unter den Einstandskosten liegt. Außerdem ist das ein Gebiet, auf dem sehr selten jemand klagt, weil sich diese Klage meistens wieder gegen einen selber wendet.
Was kann man machen? Der Wandel ist in allen Bereichen deutlich zu fühlen. Die grüne Wiese ist ja nicht qua Gesetz vorgegeben. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum wir den Wandel nicht innerhalb der Tore unserer Städte und Gemeinden vollziehen können.