Meine Damen und Herren, ich verstehe gut, dass man nach einem Instrument sucht, um den betroffenen Frauen zu helfen, ihnen zu ermöglichen, dass man die Krankheit möglichst früh erkennt, und damit ihre Überlebenschancen zu erhöhen. Aber die Studien, die bei Screenings in den USA, Kanada, Schottland und Schweden gemacht wurden, belegen nach Ansicht einiger Wissenschaftler eben nicht, dass die Frauen, die dann eher behandelt werden, auch bessere Überlebenschancen haben. Das war zuletzt im „Ärzteblatt“ vom Mai 2000 nachzulesen.
Deswegen müssen wir aufpassen, dass die Politik unter dem Druck von Leistungsanbietern hier nicht einem sinnlosen Aktionismus aufsitzt. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat 1996 beschlossen, es möge ein Screening geben, dass aber erst Modellversuche gemacht werden sollten. Davon laufen inzwischen mehrere im Bundesgebiet. Wir sollten jetzt schon noch die Ruhe haben, deren Ergebnisse abzuwarten, um entscheiden zu können, ob dies tatsächlich das Mittel der Wahl ist. Wenn wir sehen, dass dies den Frauen hilft, muss man es machen. Wenn es aber tatsächlich nicht hilft, dann wollen wir, bitte schön, die Frauen nicht unnötig dieser Strahlenbelastung und den Ängsten, die damit verbunden sind, aussetzen.
Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren: Ein wichtiger Gesichtspunkt beim Thema Brustkrebs ist für mich, die Patientinnen zu stärken. Wir erleben doch, dass sich gerade in diesem Bereich Frauen, die sich mit der Diagnose oder auch nur dem Verdacht konfrontiert sehen, vor einer völlig unüberschaubaren Informationslage über die Therapien befinden. Neulich hat auch die „Stuttgarter Zeitung“ berichtet, dass sich Frauen in dieser Situation schlecht beraten fühlen.
Ich will daran erinnern, dass bereits im letzten Jahr die Gesundheitsministerkonferenz beschlossen hat, es möge auf Landesebene neutrale Patienteninformationssysteme mit regelmäßigen Patientenbefragungen und unabhängige Patientenberatungsstellen geben. Meine Damen und Herren, im Verhältnis dazu finde ich die baden-württembergische Landesregierung zu passiv. Hier möchte ich Sie auffordern, meine Damen und Herren aus den Regierungsfraktionen und insbesondere die Frau Staatssekretärin im Sozialministerium, die Gestaltungsmöglichkeiten der Politik im Lande auch zu nutzen. Das wäre besser als der wohlfeile Ruf nach Bundesgesetzen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Diagnose Brustkrebs ist ein schockierender Einschnitt für jede Frau, aber nicht nur für die Frauen, sondern auch für die Umgebung der Frauen, für die Familie, die Kinder, das Umfeld, die Kollegen.
Die Tatsache, dass 1997 in Baden-Württemberg 22 146 Frauen an Brustkrebs erkrankten – 1995 war es noch jede zehnte Frau, 1997 jede achte Frau, Tendenz steigend –, ist alarmierend und sollte eine Herausforderung für die Verantwortlichen sein, daraus Konsequenzen zu ziehen.
Fachgesellschaften und Gruppierungen, unter anderen auch der Landesfrauenrat, fordern daher, Mittel für mehr Ursachenforschung einzustellen und ein flächendeckendes Früherkennungsprogramm auf qualitätsgesicherter Basis einzurichten.
Was finden wir heute vor? Wir haben in Baden-Württemberg heute schon eine Röntgenverordnung zur Qualitätssicherung. Wir haben eine so genannte Ärztliche Stelle bei der Landesärztekammer, die dafür sorgt, dass Röntgengeräte, also die Technik, aber auch medizinische Aspekte ausreichend berücksichtigt werden, ausreichend kontrolliert werden und ständig, zum Teil täglich bzw. monatlich, überprüft werden.
Qualität hängt in diesen Praxen aber bisher auch davon ab, wie weit sich die Ärzte, die röntgen, auch nach den Leitlinien ihrer Fachgesellschaften richten. Das ist also eine interne Qualitätssicherung, die aber ständig auch extern überprüft werden muss.
Wir haben weiterhin die europäischen Richtlinien, genannt EUREF, die allerdings nur für die Brustkrebs-ScreeningStudien gelten, also für solche Studien, die im benachbarten europäischen Ausland schon durchgeführt wurden und noch durchgeführt werden. Diese Studien umfassen nicht nur technische, sondern auch medizinische und organisatorische Aspekte.
In Deutschland gilt das Mammographie-Screening, wie bekannt ist, nicht als Leistung der Krankenkasse, sondern nur die rein kurative Mammographie wird von den Kostenträgern erstattet. Das heißt, zunächst muss ein Anhaltspunkt oder eine Verdachtsdiagnose da sein. Dann kann auf Anordnung geröntgt werden. Das heißt also, dass die EUREF, die europäischen Richtlinien, bei uns keine Anwendung finden.
Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat 1996 drei Modellprojekte initiiert, die zunächst einmal testen sollen, wie es sich denn mit diesen so genannten Mammographie-Screenings verhält, bevor dieses Verfahren in Deutschland flächendeckend eingeführt wird. Inzwischen gelten für die übliche kurative Mammographie weiterhin die Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die so genannte kurative Röntgenuntersuchung. Diese Mindestanforderungen wurden von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aufgestellt und werden dort geregelt.
Wir haben ferner in Baden-Württemberg ein so genanntes Krebsregister. Das gibt es erst seit 1994. Es erfasst die Zahl der invasiven und nicht invasiven Brustkrebserkrankungen, das Alter der Patientin, den Zeitraum, in dem die Erkran
kung erstmals auftrat, und auch regionale Gesichtspunkte. Dieses Krebsregister könnte unter Umständen ein guter Vorläufer für ein flächendeckendes Mammographie-Screening sein.
Ob und wie weit man den Frauen in Deutschland nun ein Mammographie-Screening anbieten soll, wird in der Tat kontrovers diskutiert. Gefordert wird eine solche Reihenuntersuchung schon lange von einer Mehrheit der Fachgesellschaften. Das soll ein Angebot sein, das Frauen zwischen 50 und 70 Jahren, also im mittleren Lebensalter, gemacht wird, alle zwei Jahre eine Mammographie durchführen zu lassen. Der Modellversuch ist auf fünf Jahre begrenzt und beginnt in Bremen. Die Frauen werden dort jetzt eingeladen. Dann haben wir einen Zeitraum von fünf Jahren. Dieser ist sicherlich viel zu kurz, denn in der Tat ist mindestens über einen Zeitraum von zehn Jahren zu erfassen, welche Daten vorliegen und welche Ergebnisse gefunden werden können.
Dieser Modellversuch lohnt sich auch nur dann, wenn es gelingt, die Brustkrebssterblichkeit herabzusetzen. Als Beispiel nenne ich Schweden. Frau Kollegin Bender, Sie haben ein „Ärzteblatt“ vom Mai zitiert. Ich zitiere ein „Ärzteblatt“ vom Oktober, also ein wesentlich aktuelleres. Danach hat das Screening in Schweden eine Reduktion der Mortalitätsrate um 20 bis 30 % ergeben.
In den Niederlanden ist es ähnlich. In den Niederlanden werden in so genannten zentralen Instituten auch Mammographien durchgeführt. Auch dort hat man eine verminderte Mortalitätsrate, und zwar um 17 bis 22 %.
Ich komme zum Schluss: Nach Ansicht der Kassen werden im Moment drei bis fünf Millionen Mammographien durchgeführt, die sich in der so genannten Grauzone, das heißt im nicht kurativen Bereich, befinden. Man weiß von diesen Mammographien nicht, ob sie tatsächlich treffsicher sind oder nicht.
Wir haben daher einen Antrag eingebracht – deswegen komme ich noch einmal auf die Bundesgesetzgebung zurück –, in dem wir fordern, dass der Bund dies regelt. Diese Forderung wird von 17 Fachgesellschaften gestellt. Das ist nicht auf unserem Mist gewachsen, sondern es ist eine Forderung von Experten, durch Bundesgesetzgebung zu garantieren, dass Qualitätsstandards für das Mammographie-Screening eingeführt werden. Wir bitten Sie, diesen Antrag anzunehmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben bei den Brustkrebserkrankungen einen deutlichen Fallzahlanstieg. Gründe dafür wurden in der Stellungnahme der Landesregierung genannt. Ich möchte noch einen ganz wichtigen Grund hinzufügen, an dem wir relativ wenig ändern können. Brustkrebs ist ein Krebs, der mit zunehmendem Alter sehr viel häufiger wird. Es gibt Untersuchungen, die besagen: Wenn alle Frauen hundert Jahre alt würden, hätte jede dritte Brustkrebs. Unabhängig vom Stand der Forschung wird also die Altersentwicklung, werden die erweiterten Lebenschancen zu erhöhten Risiken in diesem Bereich führen.
Deutliche medizinische Fortschritte gibt es auch in BadenWürttemberg im Bereich der brusterhaltenden Therapie und bei der Fünf-Jahres-Überlebensrate. Ich bin seit 25 Jahren Frauenarzt. Die Chancen haben sich in diesem Zeitraum etwa verdoppelt, kann man sagen. Dennoch gibt es jährlich bundesweit 19 000 Tote und 40 000 Neuerkrankungen. Brustkrebs ist inzwischen der häufigste Krebs bei Frauen.
Ein Schwerpunkt der künftigen Arbeit muss nicht eine Verbesserung der Therapie sein, sondern die Früherkennung. Ich nenne erstens die Propagierung der Selbstuntersuchung, die ich für sehr wichtig halte, und zweitens die regelmäßige Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen, vor allem zwischen dem 50. und dem 80. Lebensjahr. Diese Frauen denken oft: Bei mir lohnt es sich nicht mehr, ich bin darüber hinaus. Das ist genau die falsche Einstellung, in diesem Alter ist Vorsorge wichtig.
Ein dritter Punkt ist die Verbesserung der Frühdiagnostik. Wir haben in diesem dritten Bereich politischen Handlungsbedarf. Wir müssen die Qualitätssicherung erheblich weiterentwickeln. Die SPD hat im Dezember des vergangenen Jahres einen Antrag zur Verbesserung der Qualitätssicherung gestellt, der im Sozialausschuss diskutiert wurde. Ich zitiere aus der Stellungnahme der Landesregierung:
Die Landesregierung ist der Auffassung, dass mit den vorhandenen rechtlichen Vorgaben und wissenschaftlichen Leitlinien zur Qualitätssicherung bereits zum jetzigen Zeitpunkt wirksame Instrumente zur weiteren Optimierung der Früherkennung vorhanden sind.
Das war die Meinung der Landesregierung, getragen von CDU und FDP/DVP, im März dieses Jahres. Im Oktober sehen Sie plötzlich Handlungsbedarf, und den eigentümlicherweise – oder verständlicherweise – auf Bundesebene. Da wird jeder fragen: Wer hat denn in den letzten 15 Jahren regiert,
und können wir alles, was Sie in diesen 15 Jahren haben schleifen lassen, in zwei, drei Jahren korrigieren? Ich meine, dass Sie als Landes-CDU zuerst einmal die Verantwortung im Lande übernehmen sollten.
Ich denke, es muss etwas getan werden. Wir sprechen uns wie die Landesregierung für ein flächenhaftes Mammographie-Screening aus. Allerdings muss diesem flächenhaften Mammographie-Screening eine Qualitätssicherung voraus
gehen. Auch darin sind wir uns mit der Fachwelt einig. Ich zitiere Professor Ulrich Mödder, den Präsidenten der Deutschen Röntgengesellschaft:
Das heißt, angesichts dieser unterschiedlichen Qualitätsniveaus der Geräte und der Auswertung können wir zu den Frauen nicht sagen: Macht Screening. Screening bedeutet: Bei 1 000 Untersuchungen entdeckt man ein bis drei Mikrokarzinome, aber es werden 997 Frauen bestrahlt mit einer Dosis, die heute einfach nicht mehr akzeptabel ist.
Heute gibt es Geräte, die bei zehn Mammographien dieselbe Strahlendosis abgeben wie ein anderes Gerät bei einer. Wir sind nicht auf dem Stand dessen, was wissenschaftlich möglich ist. Deshalb sagen wir: Erst muss die Qualitätssicherung da sein; dann kann man Screening machen.
Diese Meinung kam übrigens aus Holland, wo schon Screening durchgeführt wird. Dort wurde gesagt: Ohne Qualitätssicherung ist ein Screening für Frauen mit Sicherheit gefährlich, und zwar auch deshalb, weil man nach dem Screening denkt, man hat nichts. Dabei war nur die Bildauflösung zu schlecht. Man wiegt sich ein Jahr in Sicherheit, und in Wirklichkeit war doch ein Mikrokarzinom da, das erst später erkannt wird.
Die SPD-Fraktion sagt also klar und deutlich: Zuerst müssen wir die Qualitätssicherung in den Griff bekommen. Wir brauchen auch eine Verbundkette, in der zum Beispiel die Probeexzision ebenso enthalten ist wie der Ultraschall, also nicht nur die Mammographie. Qualitätssicherung verbessern heißt für uns, die Geräte auf den Stand zu bringen, der wissenschaftlich möglich ist, die Absenkung der Strahlendosis, die bessere Ausbildung des Assistenzpersonals, die Einführung einer lückenlosen Dokumentation. Bestehende Praxis im Land ist ja, dass der Röntgenologe letztlich gar nicht weiß, was bei der Probeexzision herauskam. Er muss eine Rückmeldung erhalten. Darum sagen wir: In diesem Bereich muss es eine lückenlose Dokumentation geben. Wir brauchen außerdem Kontrollzentren, die unabhängig sind und die diese Geräte kontrollieren, sowie eine Doppelbefundung.
Zusammengefasst: Die EUREF-Richtlinien, die diesen Standard vorsehen, müssen wir auch in Deutschland umsetzen.
Abschließend komme ich auf ein Kompetenzproblem zu sprechen. Zuständig ist zum einen die Selbstverwaltung. Mich wundert es, Herr Kollege Glück, dass sich die FDP/ DVP einem Antrag, in dem ein Bundesgesetz zur Qualitätsverbesserung der Mammographie gefordert wird, gleich
anschließt. Ich höre vom Kollegen Noll immer „Vorfahrt für die Selbstverwaltung“, Freiwilligkeit usw.