Protokoll der Sitzung vom 25.10.2000

Politische Bildung braucht weiterhin vermehrt unsere Unterstützung, die ideelle, aber auch die finanzielle. Und sie braucht die Unterstützung durch Politikerinnen und Politiker. Die hat sie übrigens nicht, wenn diese sich ein komplexes Thema wie die Zuwanderung zum Wahlkampfmittel machen, sondern die hat sie dann, wenn Politikerinnen und Politiker mit schwierigen Themen sensibel umgehen, diffe

renziert den Dialog suchen und angemessene Lösungen zu finden suchen. Hier wie in anderen Feldern braucht politische Bildung das Vorbild in der Politik und konkrete Unterstützung.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Rech.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Unruhe, die an den Rändern der Demokratie immer dann aufkommt, wenn wir über politische Bildung reden, zeigt eigentlich, dass wir genau auf dem richtigen Weg sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Die außerschulische politische Bildung hat in einer so jungen Demokratie wie der unsrigen eine außerordentlich hohe Bedeutung. Wir tun gut daran, uns dies immer wieder vor Augen zu halten, gerade jetzt. Frau Kollegin Bregenzer hat dies gesagt. Ich kann das voll unterstreichen und will deswegen nur wenige Stichworte hinzufügen.

Unsere Gesellschaft steht vor neuen Herausforderungen, vor einer Umbruchsituation. Viele Menschen, vor allem junge – dies weiß jeder, der sich mit Bildungsarbeit beschäftigt –, sind verunsichert, nicht zuletzt wegen der rasanten weltweiten Entwicklungen. Vieles ist ganz einfach für unsere jungen Menschen nicht mehr überschaubar. Dabei denke ich gerade an die europapolitische Debatte heute Nachmittag. Da ist auch vieles an demokratischen Strukturen für unsere jungen Menschen nicht mehr überschaubar. Deswegen interessieren sich viele auch nicht mehr für das Thema Europa oder sind jedenfalls dafür nicht mehr erreichbar. Dies hängt mit der Unüberschaubarkeit der Strukturen zusammen, mit denen wir uns täglich umgeben. Das ist für uns kein Problem, aber für junge Menschen sehr wohl.

Deswegen hat die politische Bildung eine wichtige Aufklärungsarbeit im Sinne einer Stabilisierung demokratischer Strukturen zu leisten. Dies geschieht in Baden-Württemberg auf sehr breiter Basis. Die politische Bildungsarbeit wird von vielen Schultern getragen, und dafür bin ich dankbar. Da jede dieser Bildungseinrichtungen ganz Hervorragendes leistet, will ich mir die Zeit nehmen und Ihnen zumuten, sich eine Minute lang einmal die Aufzählung dieser Institutionen anzuhören, damit uns bewusst wird, in welcher Breite politische Bildungsarbeit in Baden-Württemberg geleistet wird.

Da gibt es die Volkshochschulen, die Kirchen, da ist der Ring politischer Jugend Baden-Württemberg, es gibt die Jugendakademien wie die Landesakademie für Jugendbildung in Weil der Stadt, das Studienhaus Wiesneck in Buchenbach und das Internationale Forum Bad Liebenzell. Auch die Parteienstiftungen möchte ich in dieser Aufzählung nicht vergessen, ebenso die Bildungswerke der Parteien, der Wirtschaft sowie der Gewerkschaften, die Kreisjugendringe, Stadtjugendringe, Jugendverbände usw. Auch die ländliche Erwachsenenbildung will ich hier mit einbeziehen.

Im Folgenden will ich das Augenmerk auf die Landeszentrale für politische Bildung lenken, weil sie die einzige staatliche Einrichtung in Baden-Württemberg ist, die ausdrücklich den Auftrag hat, auf überparteilicher Grundlage politische Bildungsarbeit zu leisten. Sie leistet diese in großem Umfang mit den anderen Trägern. Hier herrscht eine sehr gute und effektive Zusammenarbeit. Unsere Landeszentrale tut dies mit großem Einsatz, mit viel Idealismus, mit überzeugend überparteilicher Didaktik und deshalb mit beeindruckend hohem Ansehen bei den Teilnehmern der Veranstaltungen, bei allen Multiplikatoren und mit hohem Ansehen in der gesamten Bundesrepublik.

Deswegen danke ich jedem einzelnen Mitarbeiter und jeder einzelnen Mitarbeiterin, und zwar auch im Namen des Kuratoriums. Das darf ich sicherlich im Namen der Kollegen, die dort tätig sind, tun. Ich bin stolz darauf, diesem Kuratorium anzugehören, und bin stolz auf den Geist, der gerade dort herrscht.

Danken will ich aber auch der Landesregierung für die Beantwortung dieser Großen Anfrage und für ihre Haltung zur Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, darf ich aus der Antwort der Landesregierung zitieren, wo es heißt:

Die Landesregierung hält die Landeszentrale für politische Bildung in ihrer bestehenden und bewährten Form für unersetzlich.

(Beifall des Abg. Hehn CDU)

Ich will mich diesem Votum in vollem Umfang anschließen und darauf hinweisen, dass die Landeszentrale eine hellwache Institution ist,

(Abg. Hehn CDU: Jawohl! – Abg. Ingrid Blank CDU: Wir sind hellwach!)

die auf die Entwicklungen reagiert, wie gerade jetzt auf den Extremismus in jeglicher Form. Sie begegnet den Jugendlichen auf Augenhöhe. Dies ist ganz wichtig. Ich darf nur darauf hinweisen, dass in wenigen Tagen, am 7. November, in Freiburg ab 22 Uhr die amerikanische Wahlparty stattfindet. Sie alle sind eingeladen. Mit Direktschaltungen in die USA und vielem anderem mehr wird in erfrischender Form Demokratie vermittelt. Dies ist Politik auf Augenhöhe der Jugendlichen. Ich bin dankbar für diese innovativen und kreativen Ansätze.

Im Erwachsenenbereich sind Polizei und Bundeswehr dankbar für das Angebot der Landeszentrale. Vieles andere mehr, meine Damen und Herren, kann hier nicht aufgezählt werden, weil die Aktivitäten der Landeszentrale einfach so vielfältig sind,

(Abg. Rapp REP: Und so teuer!)

dass das den Umfang einer mehrstündigen Debatte einnehmen würde.

Ich will aber zum Schluss auch nachdenklich sagen, dass die Landeszentrale im Zuge der Sparbeschlüsse in den letzten Jahren hat Federn lassen müssen. Wir haben sechs Stellen verloren und 700 000 DM an Sachmitteln eingebüßt. Daneben haben wir Aufgaben wie das freiwillige ökologi

sche Jahr oder auch die Gedenkstättenarbeit hinzubekommen. Meine Damen und Herren, derzeit ist die Landeszentrale vor allem auch durch den Extremismus gefordert. Sie hat ein Achtpunkteprogramm aufgelegt und einen innovativen Ansatz aufgegriffen. Sie darf deshalb nicht geschwächt, sondern muss auch in dieser Funktion unterstützt und weiter gefördert werden.

Deswegen, meine Damen und Herren, haben wir einen Antrag eingebracht, der die Landeszentrale auffordert, ein Konzept zu entwickeln bzw. dieses Konzept vorzulegen und die Kosten hierfür zu ermitteln. Ich bin sicher, dass wir dann zu einer wirksamen Unterstützung gerade auch dieses Projekts kommen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat Frau Abg. Thon.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das „Münchner Manifest“ zum Auftrag der Bundeszentrale und der Landeszentralen für politische Bildung, verfasst von der Kultusministerkonferenz, hat die Überschrift „Demokratie braucht politische Bildung“. Das heißt, politische Bildung ist eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren von Demokratie überhaupt. Das gerät häufig in Vergessenheit.

(Abg. Hehn CDU: Gehen Sie doch einmal in den Kurs hinein!)

Aber nachdem einer politischen Öffentlichkeit das Ausmaß von Rechtsextremismus, Gewalt gegen Menschen wie Ausländer oder Obdachlose und von Antisemitismus seit diesem Sommer wieder deutlich geworden ist,

(Abg. Deuschle REP: Und gegen Deutsche hat es auch Gewalt gegeben!)

wird die Frage nach der politischen Bildung erneut gestellt.

(Abg. Rapp REP: Kommen Sie einmal auf unseren Parteitag, dann wissen Sie, was los ist!)

Die Antwort der Landesregierung ist in einer Passage sehr optimistisch. Ich zitiere:

So kann intoleranten, menschenverachtenden Tendenzen, wie sie in Gewaltbereitschaft und Ausländerfeindlichkeit zum Ausdruck kommen, durch politische Bildungsarbeit wirksam entgegengetreten werden.

Ich habe Sympathie für diesen Optimismus, aber wir müssen uns in einer Debatte über politische Bildung der Frage ihrer Wirksamkeit stellen.

Politische Bildung ist in der Schule unzureichend. Außerschulische Bildungsarbeit erreicht aber nur 1 bis 3 % der Bevölkerung. Sie schreiben ja in Ihrer Antwort, das besondere Augenmark müsse politisch desinteressierten Menschen gelten, die aber nur auf unkonventionellen Wegen gewonnen werden könnten.

Ich denke, über die Ziele politischer Bildung sind wir uns schnell einig. Wir brauchen aber eine Untersuchung ihrer

Wirkung. Wir brauchen, wie in der Weiterbildung generell, eine Evaluierung der politischen Bildung. Erreicht sie ihre Zielgruppen? Erreicht sie die gewalttätigen, von Rechtsextremismus gefährdeten Menschen? Macht sie die anderen stark und vermittelt die Zivilcourage, die von jedem und jeder Einzelnen gegen Rechtsradikalismus eingefordert wird?

Politische Bildung benötigt aber auch eine ausreichende, verlässliche Finanzierung. Die Entwicklung der Sachmittel für die Landeszentrale für politische Bildung spiegelt eine solche verlässliche Finanzierung über die Jahre hinweg nicht wider.

Politische Bildung benötigt neue, unkonventionelle Wege. Dazu gehören innovative Projekte, wie zum Beispiel „Team Z“. Ich wünsche mir auch noch mehr eine Finanzierung, die Wettbewerbe fördert, Wettbewerbe guter Ideen.

Politische Bildung muss die Multiplikatoren und politisch Interessierte ansprechen, wie zum Beispiel mit der Initiative „Team Z“. Sie muss aber auch Wege finden, um die Menschen zu erreichen, die nie ein Seminar besuchen würden. Eine wichtige Rolle kommt dabei den neuen Medien Internet und Computer zu. Ich denke, die Schwellenangst, sich auf Angebote politischer Bildung einzulassen, ist geringer, wenn diese Angebote gut gemacht sind und neugierig machen. Wir dürfen das Internet nicht den Rechtsextremisten überlassen,

(Abg. Hehn CDU: Aber den Linksextremisten!)

sondern wir müssen es zu einem Forum der Demokraten und zu einem Ort politischer Bildung machen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und des Abg. Döpper CDU)

Die Entrüstung über den braunen Sumpf und über die ideologische Verführung junger Menschen reicht nicht aus. Wir müssen uns um mehr Nachhaltigkeit der politischen Bildungsarbeit bemühen. Das setzt, wie gesagt, eine ausreichende und gesicherte Finanzierung voraus, die Förderung neuer Ideen, den vermehrten Einsatz neuer Medien und eine Evaluation der Wirkung politischer Bildung.

Abschließend möchte ich mich ausdrücklich dem Dank anschließen, den Herr Rech der Landeszentrale für politische Bildung übermittelt hat.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Das Wort hat Frau Abg. Berroth.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Antwort auf die Große Anfrage zeigt deutlich: Es gibt vielfältige und reichliche Angebote für politische Bildung im Land. Trotzdem müssen wir in diesem hohen Haus immer wieder auch auf Defizite hinweisen. Die Zusammenstellung belegt: Wer Angebote sucht, kann durchaus welche finden, aber offensichtlich suchen zu wenige.

Hinweise darauf, woran das liegen kann, gibt der in der Anlage 3 beigefügte Beschluss der Kultusministerkonfe