Protokoll der Sitzung vom 25.10.2000

Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Formulierung zitieren, die ich sehr gut finde:

Ungeregelt stattfindende Zuwanderung soll zukünftig orientiert an Bedarf und Integrationsbereitschaft der Gesellschaft gesteuert werden.

Diese Aussage stammt nicht aus einem CDU-Programm, sondern ist eine öffentlich gemachte Meinung einer SPDFDP-Regierung – Rheinland-Pfalz, März 1997.

(Abg. Drexler SPD: Natürlich! – Abg. Christine Rudolf SPD: Das ist doch auch richtig!)

Dem stimmen wir zu. Dazu laden wir ein: Machen wir das doch gemeinsam genau so, wie es diese Formulierung sagt.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Salomon Bünd- nis 90/Die Grünen: Das ist ein alter Hut!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Heiler.

(Abg. Drexler SPD: Walter, sag einmal, wie sie das machen! Sag einmal, wie das jetzt geht!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wem es sich bislang noch nicht erschlossen hat, dem muss spätestens nach der Rede von Herrn Deuschle klar geworden sein: Die demokratischen Parteien dürfen nicht zulassen, dass dieses sensible und wichtige Thema im Wahlkampf in den Schmutz gezogen wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen sowie bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Deuschle REP: Oh!)

Das Thema Zuwanderung ist sicherlich eines der wichtigsten Themen, mit denen sich unsere Gesellschaft befassen muss.

(Zuruf des Abg. Rapp REP)

Gerade deswegen hat die Bundesregierung eine Zuwanderungskommission eingesetzt.

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Sie ist dazu berufen, Vorschläge zu erarbeiten. Die Tatsache, dass Frau Süssmuth zur Vorsitzenden dieser Kommission ernannt wurde, zeigt, dass es der Bundesregierung um ein ganz wesentliches Element geht: Es geht um eine Lösung im Konsens aller demokratischen Parteien.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen sowie bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Roland Schmid CDU)

Dieser Konsens der demokratischen Parteien, meine Damen und Herren, ist für mich entscheidend, weil er zu einer weiteren wichtigen Erkenntnis führt:

(Abg. Roland Schmid CDU: Da hättet ihr nicht die Frau Süssmuth nehmen sollen!)

Er führt zu der Erkenntnis, dass wir nur mit diesem Konsens zu einer breiten Akzeptanz in der Gesellschaft kommen können. Nur wenn wir diese breite Akzeptanz in der Gesellschaft haben, können wir dieses Problem auch verträglich lösen.

(Beifall bei der SPD)

Das Thema ist viel zu wichtig. Ich halte es daher auch für falsch, wenn Herr Merz fordert, dieses Thema in den

Wahlkampf einzubringen. Ich will mich deshalb auch nicht auf die Diskussion mit den Republikanern einlassen, denen es nämlich nicht um eine Lösung in der Sachfrage geht, sondern nur darum, hier dumpfe Stimmungsmache zu betreiben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Wilhelm REP)

Ich bin deshalb froh und dankbar, dass sich auch maßgebliche CDU-Politiker eingeschaltet und darauf hingewiesen haben, dass dieses Thema im Wahlkampf nichts zu suchen hat. Ich danke Herrn Oettinger,

(Abg. Deuschle REP: Wo ist der denn eigentlich?)

der gesagt hat, man sollte vor einer solchen Kampagne zurückstehen. Ich nenne Herrn Peter Müller, und ich nenne Herrn Rühe. Wenn Sie all denen nicht glauben, dann glauben Sie doch wenigstens den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft, dann glauben Sie doch den Kirchen und den Gewerkschaften.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen)

All diejenigen, die hier entscheidend mitreden, sagen: Dieses Thema hat im Wahlkampf nichts zu suchen.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Jetzt komme ich zum Herrn Ministerpräsidenten. Ich habe heute Morgen das „Morgenmagazin“ gesehen. Ich wollte mir nochmals den 3:1-Sieg des HSV in Turin vergegenwärtigen, doch statt Roy Prägers Kopfball habe ich dann den Kopf von Herrn Teufel gesehen, der dargelegt hat, dass dieses Thema im Wahlkampf nicht tabuisiert werden solle.

(Abg. Deuschle REP: Ja, eben! – Abg. Haasis CDU: Von was für einem Thema reden Sie denn überhaupt?)

Er hat von einem Diskussionsverbot und von einem Denkund einem Redeverbot geredet.

(Zuruf des Abg. Haasis CDU)

Meine Damen und Herren, darum geht es allerdings nicht. Es ist nur die Frage, wann, wo und wie ich über dieses Thema rede.

(Abg. Nagel SPD: Das ist es!)

Frau Schavan hat beispielsweise gesagt, hier sei eine sensible Sprache erforderlich. Herr Oettinger fordert eine gute Streitkultur. Deshalb mein Appell an die CDU, Herr Haasis: Aktionen und Kampagnen mit einfachen Schlagworten zu diesem Thema sind völlig ungeeignet.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Abg. Ingrid Blank CDU: Haben Sie Angst davor?)

Wenn ich dieses Thema anspreche, meine Damen und Herren, dann deshalb, weil ich die Befürchtung habe, dass die

CDU sich nicht daran hält und der Verlockung nicht widerstehen kann, im Wahlkampf dieses Thema hochzuzonen.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Dieses sensible Thema als Verlockungsansatz, unglaublich!)

Ich erinnere an die unsägliche Debatte 1992, als Sie Plakate „Asylmissbrauch bekämpfen – CDU wählen“ aufhängten und damit den Republikanern den Weg in diesen Landtag ebneten, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Abg. Dr. Birk CDU: Und 1996 Spöri: Aussiedler! – Abg. Rapp REP: 1996 habt ihr es doch selber gemacht!)

Wir brauchen eine geregelte und gesteuerte Zuwanderung aus ökonomischen, aus arbeitsmarktpolitischen und aus demographischen Gründen, die die Interessen unseres Landes und die Interessen der Migranten berücksichtigt. Wir brauchen eine erfolgreiche Integrationspolitik für die Zukunft unseres Landes.

Lassen Sie uns deshalb die Ergebnisse der Zuwanderungskommission abwarten und dann gemeinsam nach einer Lösung suchen, die von allen demokratischen Parteien getragen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen sowie des Abg. Dr. Glück FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Thon.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn Politik mit dem Betrachten der Wirklichkeit beginnt, wie es unser Ministerpräsident gern sagt, dann sind wir als Politiker alle aufgefordert, diese Realität zu betrachten. Ich denke, wir können dann nur zu dem Ergebnis kommen: Deutschland ist ein Einwanderungsland. Deutschland ist eine Einwanderungsgesellschaft geworden, ohne dass wir das anfangs zum Teil wollten.

(Lachen bei den Republikanern – Abg. Rapp REP: Sie haben es immer gewollt!)

Aber es hat sich so entwickelt, und diesem Einwanderungsland fehlt eines: ein Einwanderungsgesetz.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf des Abg. Deuschle REP)