Protokoll der Sitzung vom 26.10.2000

Um es noch einmal zusammenzufassen: Es wird – das ist mir ganz wichtig – keine politische Anlage durch das Finanzministerium sein, sondern der Beirat wird zunächst einmal einen Anlagerat bilden. Wir werden uns dann wohl Banken bedienen, die das letzten Endes professionell für uns machen. Diesen Banken wird man zur Aufgabe machen, dass sie möglichst langfristig anlegen.

Es ist vorhin gesagt worden, Aktien seien immer spekulativ. Das ist richtig. Jetzt kann man aber natürlich über den Ausdruck „spekulativ“ spekulieren. Wenn wir zum Beispiel für das Jahr 2002 einen Haushaltsplan aufstellen und darin die Steuereinnahmen angeben, dann ist das auch spekulativ.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Puchta SPD: Aber zurzeit meistens positiv!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.

Gestatten Sie mir den Hinweis: Die Regierung hat sieben Minuten länger gesprochen als das gesamte Parlament.

(Abg. Wieser CDU: Das ist ja unerhört!)

Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung.

(Abg. Moser SPD: Herr Präsident, würden Sie mir vielleicht noch eine Frage erlauben, die auch über den Tisch beantwortet werden kann: Herr Finanz- minister, wie eilig ist Ihnen die Behandlung des Gesetzentwurfs?)

Darf ich den Herrn Präsidenten, der immer sehr präzise ist, fragen, ob ich von hier aus eine Antwort geben darf?

Sie dürfen von hier aus eine Antwort erteilen. Bitte schön.

(Abg. Wieser CDU: „Von dort aus“ heißt es ei- gentlich!)

Es ist uns schon relativ eilig. Es muss aber nicht in der nächsten Finanzausschusssitzung sein.

(Abg. Moser SPD: Danke! Dann regle ich das gleich!)

Sehr gut, Herr Vorsitzender.

Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung. Es ist Überweisung des Gesetzentwurfs an den Finanzausschuss vorgeschlagen. – Sie stimmen der Überweisung zu.

Damit ist der Tagesordnungspunkt 5 erledigt.

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 6 aufrufe, möchte ich unter unseren Gästen auf der Zuhörertribüne den neu ernannten türkischen Generalkonsul in Stuttgart, Herrn Ahmet Funda Tezok begrüßen.

(Beifall im ganzen Haus)

Herr Generalkonsul Tezok hat am 1. September 2000 die Leitung des Stuttgarter Generalkonsulats übernommen.

Herr Generalkonsul, ich wünsche Ihnen eine gute Amtszeit hier in Stuttgart und ein erfolgreiches Wirken für Ihr Land und Ihre Landsleute.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion Die Republikaner und Stellungnahme des Innenministeriums – „Kirchenasyl“ in Baden-Württemberg – Drucksache 12/4690

b) Antrag der Fraktion Die Republikaner und Stellungnahme des Innenministeriums – Beendigung von so genanntem Kirchenasyl in Baden-Württemberg – Drucksache 12/4783

c) Antrag der Fraktion Die Republikaner und Stellungnahme des Innenministeriums – Beendigung aller Fälle von so genanntem Kirchenasyl in Baden-Württemberg – Drucksache 12/5473

Das Präsidium hat für die Begründung zu den Anträgen unter a bis c eine Redezeit von fünf Minuten und für die Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Herr Abg. Käs, Sie haben das Wort.

Vielen Dank.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Formulierung der Anträge unter b und c – Beendigung von so genanntem Kirchenasyl und Beendigung aller Fälle von so genanntem Kirchenasyl – zeigt eigentlich schon deutlich, dass nach unserem Dafürhalten ein Handlungsdefizit anzuprangern ist, ein Handlungsdefizt, das nicht eine Lappalie umfasst, sondern eine grundsätzliche Frage berührt, nämlich das Verhältnis zu unserem Rechtsstaat.

Wir hatten in der deutschen Geschichte irgendwann vor vielen hundert Jahren schon historische Fälle von Kirchenasyl. Da gab es eine historische Auseinandersetzung. Ich

halte jetzt kein historisches Kolloquium, aber ich möchte diesen kleinen Rückgriff schon machen. Da gab es einen Machtkampf zwischen Kirche und Staat, Kaiser und Kirche um die Vormacht im Reich. Da gab es natürlich auch den einen oder anderen Ganoven, der sich diese Auseinandersetzung zunutze gemacht und sich bei der Kirche verkrochen hat, wenn ihm der Staat hinterhermarschiert ist. Dann hat es eben solche Fälle gegeben, wo jemand zu Recht oder zu Unrecht verfolgt wurde und dann im Schoß der Kirche Schutz gefunden hat.

Mittlerweile leben wir nicht mehr im Mittelalter, sondern in einem demokratischen Rechtsstaat, und wir sollten eigentlich der Meinung sein, dass solche Fälle in die Geschichtsbücher gehören und der historischen, beschaulichen Ansicht anheim gestellt werden können, ohne dass man sich aktuell damit beschäftigen muss. Aber in der Tat gibt es immer noch Fälle von Kirchenasyl. Nach einer nur als Schätzung bezeichneten Einschätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ gibt es bis heute nahezu 3 000 Fälle von Kirchenasyl in Deutschland, und nach der Auskunft der Landesregierung gibt es über einen längeren Zeitraum hinweg in Baden-Württemberg immer wieder – in der Größenordnung zwischen 30 und 40 Fällen – Kirchenasyl.

Nun kann man in der Tat sagen: Das sind Lappalien. Aber uns geht es um eine grundsätzliche Frage im Umgang mit einer solchen Form von Rechtsbruch. Erst vor kurzem wurde in einer von der katholischen Bischofskonferenz herausgegebenen Argumentations- und Entscheidungshilfe das Kirchenasyl als Akt der Nothilfe und letzte Hoffnung für Flüchtlinge verteidigt. Von der EKD, der Evangelischen Kirche in Deutschland, gibt es Ähnliches. Darin heißt es unter anderem: Die Aufnahme von ausreisepflichtigen Flüchtlingen in Kirchen und Gemeindehäusern diene dem Ziel, – ich zitiere – „dem der begründeten Befürchtung nach zu Unrecht abgewiesenen Flüchtling zu seinem Recht zu verhelfen“.

Die Gewährung von Kirchenasyl wird dabei als die Folge einer Rechtswirklichkeit dargestellt, in der es permanent zu eklatanten Fehlleistungen der Behörden und Gerichten käme und in der es aufgrund eklatanter Mängel bei der Durchführung des Asylverfahrens zu angeblich fatalen Folgen für die Flüchtlinge komme. Das ist eine Darstellungsweise, die man sich als durchaus rechtstreuer Bürger – das wollen wir ja alle sein – einmal auf der Zunge zergehen lassen muss. Da gibt es rechtskräftige Gründe, jemanden abzuschieben. Behörden haben geprüft. Gerichte haben geprüft. Es soll abgeschoben werden. Dann erheben sich nun einige über dieses Gesetz, geschützt und getragen von moralischen Ansprüchen, woher sie diese auch immer genommen haben wollen, und beginnen, Rechtsentscheidungen infrage zu stellen.

Nun ist auf der anderen Seite der Staat gefragt, und er sollte eigentlich das Recht durchsetzen. Aber es geschieht nichts. Wir haben permanent eine hohe Zahl solcher Fälle von Kirchenasyl. Und wenn ich mir die Stellungnahmen zu unseren Anträgen gerade zu der Frage, warum bisher nichts Konsequentes passiert, anschaue, dann stelle ich fest, dass es lapidar nach dem Motto geht: Wir versuchen das ja zu machen und wir bemühen uns ja redlich – so ungefähr

kommt es einem vor –, aber konkrete Schritte sind nicht feststellbar. Stattdessen stelle ich fest, dass es eine institutionelle Verfestigung dieses Rechtsbruchs gibt. Wenn Sie im Internet das Stichwort „Kirchenasyl“ eingeben, dann gibt Ihnen das System Dutzende von Internetseiten aus, wo ganz offensiv dieser Rechtsbruch gerechtfertigt wird, nicht etwa mit juristischen Argumenten, sondern mit moralischen Argumenten selbst ernannter Moralapostel.

(Beifall bei den Republikanern)

Da gibt es eine Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ – wir sagen: eine Bundesarbeitsgemeinschaft zur Rechtfertigung von Rechtsbruch. Oder wie habe ich das zu verstehen? Und der Staat steht daneben und zuckt mehr oder minder mit den Schultern.

Warum hat man nicht versucht, mit den Kirchenoberen ins Gespräch einzutreten, die das teilweise nicht selten durchaus auch als problematisch ansehen? Mit liegt hier ein Papier der EKD vor. In diesem sagt die Kirche in grenzenloser Toleranz, wenn Sie so wollen: Ja Gott, das sind Schäflein im Rahmen der Kirche – die sehen das so –, es gibt ja moralische Grundsätze, und wir sind ja alle so lieb und brav. Aber dann heißt es unten drunter in einem Satz – ich muss erst die Stelle finden –:

Diejenigen, die aus einem Gewissenskonflikt heraus weiter gehen und sich zu einem begrenzten Verstoß gegen bestehende Rechtsvorschriften entschließen, müssen dafür freilich wie bei allen Aktionen zivilen Ungehorsams auch selbst die Verantwortung tragen.

Jetzt frage ich mich: Wo ist der Staat, der diese Rechtsbrecher tatsächlich zur Verantwortung zieht? Die Landesregierung selber sagt, dass in solchen Fällen nichts unternommen worden sei und dass man auch nicht auf die Kirche eingewirkt habe nach dem Motto: Unterbindet das! Wie ist das mit diesem Rechtsstaat? Wie sieht es in diesem Rechtsstaat aus, wenn in der Tat – wenn es auch nur wenige Fälle sind – aufgrund selbst aufgestellter moralischer Grundsätze Rechtsgrundsätze wie eben der Grundsatz, dass bestimmte Prinzipien, rechtskräftige Entscheidungen zum Beispiel, durchgesetzt werden müssen, offen geduldet infrage gestellt werden können?

Da hilft es natürlich nicht, dass wir sagen, wir seien dagegen, wir wollten das gar nicht, sondern es ist notwendig, das dann tatsächlich auch durchzusetzen. Doch da fehlt es. Stattdessen wird eine eklatante Ungleichbehandlung toleriert. Was ist denn das für ein Staat, der sagt, es gebe soundso viele abzuschiebende Asylbewerber, der dann aber duldet, wenn mehr oder weniger willkürlich eine minimal kleine Gruppe herausgegriffen und einer bevorzugten Behandlung unterworfen wird, während die Asylbewerber, die – ich sage es mal so forsch – so dumm sind, sich dem Gesetz zu unterwerfen, abgeschoben werden? Wo bleibt denn hier die Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes?

(Beifall bei den Republikanern)

Es gibt doch nicht nur eine Gleichheit beim Erheben von Ansprüchen, sondern es gibt doch auch eine Gleichheit in der Frage der Durchsetzung unangenehmer Dinge. Wo bleibt hier die entsprechende Maßnahme? Hier wird gegen

so viele grundsätzliche Prinzipien unseres Rechtsstaats verstoßen, dass man eigentlich von der Landesregierung – den Innenminister suche ich hier in unseren Reihen vergeblich – erwarten müsste, dass hier etwas zügiger und konsequenter der Durchsetzung von Recht und Gesetz Nachdruck verschafft wird.

(Beifall bei den Republikanern)

Bevor ich das Wort weiter erteile, will ich darauf hinweisen, dass heute Morgen der Herr Landtagspräsident bei der Eröffnung der Sitzung ausdrücklich bekannt gegeben hat, dass Herr Innenminister Dr. Schäuble dienstlich verhindert ist.

Das Wort erhält Herr Abg. Schmid.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aufforderung der Republikaner, das Kirchenasyl zu beenden, klingt ja relativ zahm, wenn man das im Antrag so liest. Aber da muss man doch vielleicht einmal irgendwo die Frage stellen, wie sie sich das eigentlich vorstellen. Gemeint ist doch wohl, dass unmittelbarer staatlicher Zwang angewandt werden soll, dass sozusagen die Aufforderung der Republikaner an den Staat ergeht: Stürmt mal die Kirchen, und holt die Leute raus!

(Abg. Deuschle REP: Ach was!)

Sonst müssten Sie mir mal erklären, wie Sie das Kirchenasyl beenden wollen.

Sie reden hier von unmittelbaren Zwangsmaßnahmen, die Sie anwenden wollen.