Protokoll der Sitzung vom 26.10.2000

Dazu kann ich nur sagen: Wenn das so wäre, dann hätten Kinder auch keinen Spaß an anderen Fächern. Das Fach muss in der Klasse 3 und in der Klasse 4 den Rang und den Stellenwert wie alle anderen Fächer auch haben. Deshalb, glaube ich, ist es richtig, wenn wir hier, was die Feststellung von Leistungen angeht, in den Klassen 3 und 4 eine andere Form wählen, als dies in den Klassen 1 und 2 der Fall ist.

Genau die Gründung von Regionalverbänden war und ist der Weg, zu verhindern, dass es in den ersten Jahren der weiterführenden Schulen Kinder gibt, die vier Jahre Grundschulkenntnisse in Englisch oder Französisch haben, und solche ohne diese Kenntnisse.

Nun sagen Sie „Mobilität“. Niemand sagt aber, dass seit 30 Jahren – weil wir an 800 Grundschulen Fremdsprachenangebote haben – Kinder mit unterschiedlichen Voraussetzungen in dieser Frage in weiterführende Schulen kom

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

men. Genau das jetzige Konzept soll diese Unterschiede in der Ausgangslage beheben und dafür sorgen, dass letztlich alle Kinder vier Jahre lang in der Grundschule eine Fremdsprache erlernen können.

Nun gibt es Sondermodelle. Wir haben zum Beispiel eine deutsch-italienische Grundschule. Ich habe gestern mit dem italienischen Generalkonsul gesprochen. Wir haben in Sillenbuch eine deutsch-französische Grundschule. Das sind Schultypen, Angebotsschulen, bei denen wir auch überlegen müssen, wie wir mit dem damit verbundenen Anliegen zurande kommen: Sprachenvielfalt, Englisch darf nicht alles dominieren. Gleichzeitig wollen wir auch die Überzeugung, dass kein Kind die Schule verlässt, ohne Englisch gelernt zu haben.

Damit komme ich zu der dritten Frage, die wieder aufgeworfen worden ist: Warum bieten wir den Eltern nicht eine Wahl an der einzelnen Schule an? Wir haben in BadenWürttemberg unter den 2 500 Grundschulen über 800 einzügige kleine Grundschulen. Es ist ausgeschlossen, an diesen Grundschulen zwei Sprachen alternativ anzubieten. Also wäre das wiederum nur ein Angebot für die großen Grundschulen, und es wäre damit nur ein Angebot für die Grundschulen im städtischen Raum. Ich halte ein solches Stadt-Land-Gefälle, das wir neu begründen würden, nicht für gerecht. Deshalb haben wir uns – ich sage es jetzt einmal so – an den Sprachgebieten und Regionen orientiert, die wir schon beim Begegnungsprogramm eingeführt haben: am Oberrhein Französisch, im Rest des Landes Englisch.

Nun habe ich ja miterlebt, dass es eine heftige Debatte über Französisch gegeben hat. Aber wir wissen doch zwischenzeitlich – seit der Sprachenkonferenz in Offenburg, durch einige regionale Konferenzen –, dass bis auf zwei Situationen – darauf komme ich gerne noch zu sprechen – Französisch in allen Verbünden, in denen es angeboten wurde, angenommen wird. Es gibt auch einen guten Verlauf der Debatte. Es gibt eine strittige Debatte in Durmersheim – da gibt es einen anderen Wunsch –, und es gibt, glaube ich, ein oder zwei Schulen in Lörrach, wo man noch überlegt.

Aber wir haben hier für Französisch einen ganz wichtigen Schritt getan, übrigens auch einen Schritt, der sich auf die weiterführenden Schulen, zum Beispiel auf Französisch als erste Fremdsprache, auswirken wird.

Vierter Punkt: Es stimmt nicht, wenn Sie sagen, wir hätten kein Konzept für die weiterführenden Schulen. Das Konzept ist in der Kabinettsvorlage enthalten. Das bedeutet Stabilisierung von Französisch in den Grundschulen. Zweitens bedeutet das bei den Realschulen zwei Möglichkeiten: entweder Französisch als erste Fremdsprache, was in der Entscheidung in Klasse 7, wenn es um die Alternativen geht, Konsequenzen hat, oder zweijährigen Brückenunterricht, der dann in Klasse 7 den Einstieg in Französisch möglich macht. Das bedeutet Arbeitsgemeinschaften in der Hauptschule, wobei wir bereits einzelne Hauptschulen haben, die Französisch sogar im offiziellen Programm haben. Die Frage der Weiterführung stellt sich nach den vier Schuljahren. Ich glaube, dass mit dieser Palette, die wir da anbieten und die nicht individuelle Schulentwicklungen vorwegnehmen wird – –

Es wird durchaus so sein, dass manche Hauptschule sagt: Wir haben eine Zusammensetzung der Schülerschaft in einem Feld, in einer Region wie dem Oberrhein, wo es sich anbietet, Französisch durchaus offiziell aufzunehmen.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Rastätter?

Bitte schön.

Bitte, Frau Rastätter.

Ich habe eine Frage zu der Weiterführung des Fremdsprachenunterrichts in den weiterführenden Schulen. Haben Sie jetzt neue Erkenntnisse? Denn in Ihrer Stellungnahme vom 20. Oktober 2000 zu unserem Antrag schreiben Sie zum Punkt „Anschlüsse Gymnasium an die Grundschulfremdsprache“: „Über die Konsequenzen für die Fremdsprachenangebote des Gymnasiums wird insgesamt gesondert entschieden.“ Haben Sie darüber in der Zwischenzeit entschieden? Das ist die erste Frage.

Zweite Frage: Ist es zutreffend, dass es in Karlsruhe an fünf Grundschulen ein Französischangebot gibt, aber die Kriterien des Verbundes dabei nicht erfüllt werden? Denn diese fünf Grundschulen und auch die zugeordneten weiterführenden Schulen liegen verstreut im Stadtgebiet. Hier kann man nicht von einem geschlossenen Verbund sprechen.

(Zuruf von der CDU: Soll unter einem Dach statt- finden! – Zuruf von den Republikanern: Verbund ist Großstadt!)

Ist es zutreffend, dass dies nicht den Kriterien eines Verbundes entspricht, sondern an der Oberrheinschiene Französisch nur angeboten wird, um im Vorfeld schon vollendete Tatsachen zu schaffen?

Dieser Deutung kann ich nicht zustimmen.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Aber die Tatsachen sind wichtig!)

Die Tatsachen sind auch ein bisschen anders, aber ich komme gleich darauf.

Erster Punkt: Anschlussfähigkeit im Gymnasium. Die Antwort betrifft die Frage: Sollen wir mit der zweiten Fremdsprache unmittelbar in Klasse 5 beginnen, oder beginnen wir in Klasse 6? Diese Frage ist noch nicht entschieden, und es ist auch noch offen, ob wir sie landesweit entscheiden oder ob wir die Entscheidung nicht von der inneren Schulentwicklung des einzelnen Gymnasiums abhängig machen. Es hängt auch von den weiteren Sprachenfolgen ab, was da für sinnvoll gehalten wird. Aber dass das Ganze – vor allen Dingen am Oberrhein – zu einer Stabilisierung von Französisch führen wird, ist auch an diesen Schulen unstrittig.

Zu Ihrer zweiten Frage zu den fünf Schulen in Karlsruhe – es gibt auch an ein paar Grundschulen in Freiburg ein

Französischangebot –: Es war die große Frage, wie wir es in den großen Städten machen. Es war unstrittig in Stuttgart und in Mannheim, aber im badischen Raum war es nicht unstrittig. Also haben wir in beiden Städten keinen Regionalverbund gemacht, sondern da wird das getan, was an vielen Schulen im Land geschieht: Sie fahren mit ihren Angeboten wie bislang fort und richten auch neue ein, die aber nicht offiziell in die Pilotphase aufgenommen worden sind. Hier setzt sich durchaus an einer Reihe von Stellen das fort, was wir seit 30 Jahren haben, was bislang übrigens jeder als etwas Positives gewertet hat, nämlich dass es ein Angebot gibt. Ich halte nichts davon, den Schulen, die nicht sofort in der Pilotphase sind, zu verbieten, ein Angebot zu machen.

Was die Länge der Pilotphase angeht, sage ich noch einmal: Wir haben uns im Unterschied zu vielen anderen Modellen zu zwei zusätzlichen Unterrichtsstunden entschieden. Wir haben uns zu einer umfassenden Qualifizierungsphase entschieden, die übrigens nicht Weihnachten beginnt, sondern schon begonnen hat. Dieses Qualifizierungsprogramm ist mit Praktikern und mit den Pädagogischen Hochschulen abgestimmt.

Das Konzept, die Lehrpläne, alles, was damit zu tun hat, ist entwickelt worden von Lehrern und Lehrerinnen, von Schulleitern,

(Abg. Zeller SPD: Unglaublich!)

von Leuten der Praxis, und das Konzept ist mit den Pädagogischen Hochschulen abgestimmt. Das gilt besonders für das Fortbildungsprogramm. Sie wissen, dass 2004 der erste Jahrgang von den Pädagogischen Hochschulen kommt, der das Euregio-Lehramt studiert hat, also eine besondere Qualifikation besitzt.

Wenn es uns von der Qualifizierung und von den Ressourcen – in der Kabinettsvorlage sind 1 600 Lehrerstellen enthalten; sie ist auch genehmigt worden – her möglich ist, schon 2003 weiterzumachen, werde ich aus dem Jahr 2004 kein Dogma machen. Aber ich halte für zentral bedeutsam, dass wir am Konzept keine Abstriche machen,

(Abg. Rau CDU: Das ist richtig!)

dass wir nicht statt eins drei sagen oder statt zwei Stunden eine Stunde, dass wir nicht sagen, ein bisschen weniger qualifiziert sei auch in Ordnung, sondern diese Qualitätsmerkmale des Konzepts müssen erfüllt sein, wenn Fremdsprachenunterricht an den 2 500 Grundschulen stattfinden soll. Das ist der Zeitplan.

Ich bin ja auch schon einmal in öffentlichen Veranstaltungen. Ich finde es nachvollziehbar, dass Eltern fragen: Könnte es nicht schneller gehen? Ich erlebe aber in jeder Veranstaltung, dass das dann, wenn wir das Konzept erläutern, wenn wir erläutern, was es jetzt an Grundschulen an Möglichkeiten gibt und warum bestimmte Schritte getan werden, auf eine breite Akzeptanz stößt. Deshalb möchte ich herzlich bitten, dass wir jetzt nicht an den Qualitätsmerkmalen und an der Vorstellung, in die dritte Klasse zu gehen, herummachen. Das hat die Kultusministerkonferenz vor 15 Jahren einmal empfohlen. Aber wer im Jahre 2000

eine solche Weiche stellt, der sollte sich nicht mit Empfehlungen des letzten Jahrhunderts beschäftigen, sondern das tun, was jetzt notwendig ist. Es hat seinen tiefsten Grund gar nicht in theoretischen Überlegungen, sondern beruht auf Erfahrungen aus 30 Jahren, dass es, je jünger die Kinder sind, umso besser geht.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort für eine kurze Redezeit erteile ich Frau Abg. Rudolf.

Frau Dr. Schavan, wenn Sie schon darüber reden, in welchem Jahrhundert man welche politischen Weichenstellungen trifft, hätte mich doch interessiert – ich habe ausdrücklich danach gefragt –, wie Sie die Ressourcen für Ihr Modell bereitstellen wollen, denn damit steht und fällt die flächendeckende Einführung des Fremdsprachenunterrichts an der Grundschule in BadenWürttemberg. Ich habe vorhin die Probleme aufgezeigt

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

und will sie nicht wiederholen. Aber wenn Sie diese Antwort schuldig bleiben, fällt das gesamte Konzept in sich zusammen.

Bitte schön, Frau Ministerin.

Die Antwort können Sie gerne noch einmal bekommen.

(Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

Ich habe die Frage eben schon beantwortet, aber ich kann die Antwort gerne noch ergänzen; vielleicht wird es dann klarer.

In der Kabinettsvorlage sind 1 600 Lehrerstellen vorgesehen. Lehrerstellen, die den jetzigen Doppelhaushalt betreffen, sind veranschlagt. Die weiteren Lehrerstellen werden in den künftigen Doppelhaushalten zu veranschlagen sein.

(Beifall bei der CDU – Abg. Christine Rudolf SPD: Allein der Glaube!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der Anträge. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 12/4725, ist ein Berichtsantrag. Er kann wohl aufgrund der heutigen Debatte für erledigt erklärt werden. – Es ist so beschlossen.

Ich gehe davon aus, dass der Antrag Drucksache 12/5560 an den zuständigen Ausschuss zu überweisen ist.

(Abg. Marianne Erdrich-Sommer Bündnis 90/Die Grünen: Wir wollen abstimmen!)

Es soll abgestimmt werden.