Protokoll der Sitzung vom 22.11.2000

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Ich lese Ihnen die Tagesordnung vor! So weit kommts noch!)

Lesen Sie einmal, was auf der Tagesordnung steht.

(Abg. Bebber SPD: Ja, jetzt sagen Sie es doch mal!)

Da heißt es: Auswirkungen auf die Familien- und Sozialpolitik.

(Abg. Bebber SPD: Ja, also! Welche?)

Lieber Herr Bebber!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Lebenspartnerschaftsgesetz, das die Regierungsfraktionen in Berlin

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: So- lange nicht der Verkehrsminister spricht!)

unter Missachtung aller normalen Regeln durch den Bundestag gepaukt haben, ist ein Beweis dafür, dass wieder einmal Politik mit der Brechstange gemacht wird.

(Zuruf des Abg. Bebber SPD)

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist verfassungsrechtlich äußerst bedenklich, und zwar in doppelter Hinsicht. Die Aufspaltung des Gesetzes in einen zustimmungsfreien und einen zustimmungspflichtigen Teil verletzt die grundgesetzlichen Vorschriften des Gesetzgebungsverfahrens.

(Zuruf des Abg. Bebber SPD)

(Minister Dr. Repnik)

Herr Bebber, der Rechtsausschuss des Bundesrats – das Ergebnis lautete übrigens 9 : 6 : 1; es waren also mehrere SPD-Länder dabei, die mitgestimmt haben – hat natürlich über die verfassungsrechtlichen Bedenken gesprochen und kam zum Ergebnis, das Gesetz müsse in den Vermittlungsausschuss.

Außerdem, meine sehr verehrten Damen und Herren, verstößt das Gesetz gegen Artikel 6 des Grundgesetzes, weil es an die eingetragene Lebenspartnerschaft weitgehend die gleichen Rechtsfolgen knüpft wie an die Ehe.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Des- wegen geht es noch keiner Ehe schlechter!)

Ein paar kleine Veränderungen hat man vorgenommen, um Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft vielleicht nicht ganz gleichzusetzen, aber Tatsache ist: Auch wenn die Bundesjustizministerin behauptet, es handle sich um eine eingetragene Lebenspartnerschaft, die rechtlich unterhalb der Ehe steht – selbst wenn es so wäre, aber natürlich ist es nicht so und von Rot-Grün auch nicht so gewollt –, liegt dennoch ein verfassungsrechtlicher Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes vor – Sie haben es angesprochen, Frau Bender –, weil gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften damit anders behandelt werden als heterosexuelle Partnerschaften.

Auswirkungen des Gesetzes auf die Familien- und Sozialpolitik in Baden-Württemberg sind durch die beabsichtigte Gleichstellung mit der durch das Grundgesetz geschützten Ehe unzweifelhaft gegeben; darauf möchte ich aber gar nicht ausführlich eingehen, das soll heute nicht das Thema sein. Ich glaube, schon dadurch wird klar, dass sich tatsächlich Änderungen für die gesamte Gesellschaft und damit auch für die Familien- und Sozialpolitik ergeben. Das Leitbild Familie wird verwischt.

(Abg. Deuschle REP: Richtig! – Zuruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für uns alle muss ganz klar sein: Die Politik darf und will den Menschen nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben. Deshalb wird die Entscheidung von Menschen, eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft zu führen, von uns nicht nur toleriert, sondern auch akzeptiert. Ich glaube, dass man auch in solchen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Werte leben kann, die für unsere Gesellschaft grundlegend sind. Deswegen dürfen wir gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht diskriminieren und auch nicht ausgrenzen. Deswegen sagen wir auch – Herr Mühlbeyer hat es schon angesprochen –: Es ist richtig, rechtliche Hindernisse, die dem gemeinsamen Leben und der gegenseitigen Fürsorge in gleichgeschlechtlichen Beziehungen im Wege stehen, zu beseitigen. Aber eine Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften mit der Ehe lehnen wir ab. Das hat nichts mit Diskriminierung zu tun, sondern es ist ein Grundsatz unseres Verfassungsrechts, Ungleiches nicht gleich zu behandeln. Genau das aber beabsichtigt die rotgrüne Bundesregierung mit ihrem Lebenspartnerschaftsgesetz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ehe und Familie sind Keimzellen unserer Gesellschaft. Deshalb stehen Ehe und Familie unter dem besonderen staatlichen Schutz. Das

ist keine Diskriminierung anderer Lebensformen, sondern beruht einfach auf der Tatsache und auf der Erkenntnis, dass die besten und verlässlichsten Voraussetzungen für das Heranwachsen von Kindern und Jugendlichen und für die Entwicklung ihrer persönlichen Möglichkeiten natürlich innerhalb einer ehelichen Gemeinschaft, in der Familie geschaffen werden können.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Sa- gen Sie nicht, dass Kinder aus nicht ehelichen Fa- milien schlechter aufwachsen können!)

Trotz des tief greifenden Wandels der Wertvorstellungen, Frau Bender, gilt es auch zukünftig, Ehe und Familie zu schützen und zu stärken, auch durch eine gute Familienpolitik. Tun Sie das in Berlin; wir tun es in Baden-Württemberg. Ehe und Familie sind nach wie vor die attraktivsten Lebensformen geblieben. Über 80 % der jungen Menschen streben Ehe und Familie an.

(Abg. Birzele SPD: Sehr gut! – Abg. Bebber SPD: Das ist doch in Ordnung! Hervorragend!)

Vor einem halben Jahr wurde in einer Debatte die Ehe als Auslaufmodell bezeichnet.

(Zuruf von der SPD: Von wem?)

Von den Grünen.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Was? Wer hat das denn erfunden? Das hättet ihr vielleicht gern! – Zuruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen – Weitere Zurufe – Unru- he)

Das können Sie nachlesen. Lesen Sie es nach. – Ich glaube, das läuft an der Lebenswirklichkeit vorbei. Ehe und Familie haben nichts von ihrer grundsätzlichen Bedeutung in der Gesellschaft eingebüßt. Ich sage deshalb: Sie gehören unter besonderen Schutz gestellt. Das hat übrigens auch etwas mit Bevölkerungsentwicklung zu tun, was der eine oder andere auch nicht weiß.

Deswegen sollten wir alles vermeiden, was den Wert von Ehe und Familie beschädigt, mindert oder verschleiert. Wir halten am Leitbild der Ehe und der Familie fest. Ehe und Familie dürfen nicht mit einer bloßen Lebensgemeinschaft gleichgestellt werden. Wo solche Gleichsetzungen vorgenommen werden, geht dies notwendigerweise zulasten von Ehe und Familie.

Die rot-grüne Regierung will den Status der verfassungsmäßig geschützten Ehe kopieren. Sie hat unter anderem, um ein paar Beispiele zu nennen, die Möglichkeit, einen gemeinsamen Namen zu wählen, die Regelung von Sorgerecht und Unterhaltspflicht, die beitragsfreie Familienversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung, die Berücksichtigung des unterhaltspflichtigen Lebenspartners beim Einsatz von Einkommen und Vermögen und das Erbschaftsrecht mit drin. Nur die Rente soll noch außerhalb geregelt werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das heißt doch: Die Ehe wird mit der Lebenspartnerschaft auf eine gleiche Ebene gestellt.

(Abg. Deuschle REP: Richtig!)

(Minister Dr. Repnik)

Wenn wir aber sagen, dass wir nicht diskriminieren wollen, sondern Toleranz üben, dass wir wollen, dass Lebenspartnerschaften in der Gesellschaft möglich sind, dann sollten wir schon da und dort bei rechtlichen Maßnahmen die Hindernisse, die diesen Partnerschaften entgegenstehen, verändern. Es wurden – Herr Mühlbeyer hat es gesagt – das Mietrecht, das Zeugnisverweigerungsrecht und der Besuch von Justizvollzugsanstalten angesprochen. Wir müssen im Bestattungsrecht etwas machen, und für das Auskunftsund Besuchsrecht in Krankenhäusern sollte ebenso wie für das Erbrecht der Partner eine Regelung getroffen werden.

Allerdings, meine lieben Parteifreunde

(Heiterkeit – Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Die sind auch dabei! – Zuruf des Abg. Dr. Salomon Bünd- nis 90/Die Grünen – Abg. Bebber SPD: Genau das hat die Niederlage eingebracht!)

nicht Parteifreunde, ich stelle das richtig –, meine sehr verehrten Damen und Herren – –

(Anhaltende Heiterkeit)

Ich hatte zur CDU geschaut.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, um dies zu regeln und auch Diskriminierungen abzubauen, um solche Lebenspartnerschaften zu ermöglichen, brauche ich kein eigenes Rechtsinstitut. Es genügt, wenn man dies auf privatrechtlicher Basis vor dem Notar besiegelt.

(Abg. Birzele SPD: Nein, das reicht noch nicht! Sie können doch kein Zeugnisverweigerungsrecht vor dem Notar beschließen! – Abg. Bebber SPD: Das macht doch dann die FDP-Regelung schon verfassungswidrig!)

Lieber Herr Birzele, ich habe doch gesagt, dass Gesetze verändert werden sollten. Das machen wir doch im ersten Schritt, und im zweiten Schritt kann ich es regeln, Herr Rechtsanwalt. Das müssten Sie doch eigentlich besser wissen als ich.

(Beifall des Abg. Döpper CDU – Abg. Birzele SPD: Herr Apotheker, Sie sollten ein bisschen schneller sein!)

Es genügt, wenn wir dies privatrechtlich regeln. Deswegen sage ich: Toleranz ja, Gleichstellung nein.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Deuschle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Sozialminister Repnik, Sie haben hier eine durchaus konservative Rede gehalten.

(Lachen bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Ein Kompliment! Das hat ja nicht viel Substanz!)

Meine Damen und Herren von der linken Seite, das ist doch nichts Negatives. Meine Damen und Herren von der

SPD und von den Grünen, das ist doch nichts Negatives; denn neben fortschrittlichen Kräften muss es natürlich auch bewahrende Kräfte geben, damit der Fortschritt nicht in die falsche Richtung geht.