Protokoll der Sitzung vom 22.11.2000

Nun zum Sachverhalt: Defizite im alltäglichen Umgang mit gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften sind in der Gesellschaft oft festzustellen. Hier geht es darum, Zurücksetzungen und Benachteiligungen zu verhindern. Wir könnten uns auch Änderungen zum Beispiel im Mietrecht, in der Fürsorgepflicht, im Zivil- und Strafprozess, beim Zeugnisverweigerungsrecht, beim Auskunfts- und Besuchsrecht, im Krankenstand usw. durchaus vorstellen.

Problematisch wird es jedoch dort, wo gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften der Ehe in den Rechtswirkungen weitestgehend gleichgestellt werden.

Deshalb hat Bundesminister Schily im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens und im Kabinett nachdrücklich verfassungsrechtliche Bedenken gegen einige Passagen geltend gemacht. Denn, meine Damen und Herren, die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist durch die besondere Wertentscheidung in Artikel 6 des Grundgesetzes beschränkt. Der federführende Rechtsausschuss des deutschen Bundesrats hat in seiner Sitzung am 15. November auf Antrag der Länder Baden-Württemberg u n d Rheinland-Pfalz

(Abg. Wieser CDU: Oh! Hört, hört!)

mit klarer Mehrheit beschlossen, dem Bundesrat zu empfehlen, den Vermittlungsausschuss anzurufen.

Es werden insbesondere zwei Dinge geltend gemacht: Das Erste ist, dass man im zweiten Verfahren diesen Gesetzentwurf in einen zustimmungs- und einen nicht zustimmungspflichtigen Teil spaltet. Das signalisiert auch, dass RotGrün in Berlin schon kalte Füße bekommen hat. Das Zweite sind verfassungsrechtliche Bedenken. Danach sprechen – so mehrheitlich der Rechtsausschuss des Bundesrats – gegen den Gesetzentwurf, ich zitiere, „ein Verstoß gegen Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes – besonderer Schutz der Ehe – und die Verletzung des geschlechtsbezogenen Diskriminierungsverbots, Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes“, weil der Gesetzentwurf nur gleichgeschlechtliche Paare besser stellt. Insbesondere hält der Rechtsausschuss einige gravierende Fehler und Ungereimtheiten in diesem Gesetzgebungsvorhaben für bedenklich.

Meine Damen und Herren, eine Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe ist nicht aus Gründen der Gleichbehandlung geboten, sondern ist unangemessen und verstößt gegen die Verfassung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Repu- blikaner)

Der Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 gebietet, gleich zu behandeln, was wesentlich gleich ist. Ungleiches kann nicht gleich, sondern gerechtermaßen nur ungleich behandelt werden. Zum Wesenskern der im Grundgesetz vorhandenen Institution Ehe gehört die Geschlechterverschiedenheit der Eheleute. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Ehe nach Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes die Vereinigung von Mann und Frau zu einer Lebensgemeinschaft ist.

Meine Damen und Herren, nachdem auch das SPD-regierte Rheinland-Pfalz ebenso wie Baden-Württemberg Bedenken hat, bitte ich Sie, auf Rot-Grün in Berlin einzuwirken, wenn der Bundesrat beschließt, den Vermittlungsausschuss anzurufen, damit die verfassungsrechtlich bedenklichen Bereiche aus diesem Gesetzentwurf herausgenommen werden.

(Beifall des Abg. Wieser CDU)

Denn wenn Sie dies nicht tun, werden Sie der Sache keinen guten Dienst erweisen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der FDP/DVP und der Republikaner)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bebber.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gehen offensichtlich die Emotionen hoch, wenn es um das Thema der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften geht.

(Unruhe bei der CDU – Abg. Dr. Salomon Bünd- nis 90/Die Grünen: Das war doch lasch bis jetzt!)

Das war insofern lasch, Herr Kollege, weil Sozialpolitiker zu juristischen Themen geredet

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: So ist es!)

und dabei völlig danebengelegen haben. Das, Herr Mühlbeyer, was Sie angeführt haben, stimmt so alles nicht.

(Zuruf von der CDU)

Wenn der Vermittlungsausschuss angerufen wird, auch von einem SPD-regierten Land, dann ist man auf einen Kompromiss, auf eine Einigung aus. Wenn die Landesregierung von Rheinland-Pfalz den Vermittlungsausschuss anruft, heißt das nicht, dass sie diese Vorschriften etwa für verfassungswidrig halten würde.

(Abg. Mühlbeyer CDU: Doch!)

Es ist der Versuch, Einigkeit in diesem Thema zu erlangen, und der ist diesen Schritt sicherlich wert, weil es nicht gut ist, gewissermaßen zulasten einer Minderheit parteipolitische Auseinandersetzungen zu führen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen sowie des Abg. Dr. Noll FDP/DVP )

Der Gesetzentwurf sieht vor, die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare abzubauen:

Den gleichgeschlechtlichen Paaren soll die Möglichkeit eingeräumt werden, ihrer Partnerschaft einen rechtlichen Rahmen zu geben.

Das ist, wörtlich zitiert, die Motivation für das Gesetz. Es ist ja aufgeführt worden, in welchen Bereichen das geschehen soll. Interessanterweise wird darüber im Einzelnen nicht gesprochen.

Die Tatsache, dass eine solche gleichgeschlechtliche Partnerschaft ermöglicht wird, nimmt der Ehe nichts weg. Null wird denen weggenommen, die sich im Rahmen einer Ehe zusammentun wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Abg. Deuschle REP: Ihre Meinung!)

Das ist nicht nur meine Meinung, sondern das haben auch die Sachverständigen festgestellt.

(Zuruf des Abg. Deuschle REP)

Herr Mühlbeyer, es ist falsch, wenn Sie sagen, im Rechtsausschuss des Bundesrats hätte eine Mehrheit die Vorschriften im Wesentlichen für verfassungswidrig angesehen.

(Abg. Drexler SPD: Das sind die überhaupt nicht!)

Das stimmt überhaupt nicht. Es gibt im Rechtsausschuss, so wie im Parlament, eine Mehrheit von SPD und Grünen. SPD und Grüne werden ihr eigenes Gesetz nicht für verfassungswidrig erklären.

(Abg. Haasis CDU: Auch wenn sie meinen, dass es so sei!)

Das können Sie hier nicht ernsthaft vortragen. Es ist auch nicht so. Die Gutachter haben mehrheitlich nicht davon gesprochen, dass in dem Gesetzentwurf verfassungswidrige Positionen enthalten wären. Es waren zwei – eine Minderheit –, die das mit sehr wenig ernst zu nehmenden Argumenten angedeutet haben.

(Abg. Wieser CDU: Ihrer Meinung nach! – Gegen- ruf des Abg. Drexler SPD: Nein!)

Nein. Das steht so in den Gutachten drin.

Es muss einen Konsens in der Beurteilung der Ursachen von Homosexualität geben. Man muss bereit sein, zu akzeptieren, dass Homosexualität keine Verirrung oder fehlgeschlagene Erziehung oder gar mangelnde Selbstdisziplin ist, sondern dass es sich, wie viele wissenschaftliche Arbeiten inzwischen belegen, um eine biologische Veranlagung handelt. Homosexuelle dürfen nicht nur auf ihre Sexualität reduziert werden, sondern es muss erkannt werden, dass es sich um komplexe Persönlichkeitsstrukturen handelt, auf deren Anerkennung schließlich jeder und jede von uns als Mann und Frau Anspruch erheben kann.

(Abg. Hehn CDU: Dagegen sagt ja niemand was!)

Das ist das Zitat der Aussage einer CDU-Bundestagsabgeordneten.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD – Zuruf des Abg. Seimetz CDU – Abg. Maurer SPD: So ist es halt! – Abg. Seimetz CDU: Das ging ins Leere!)

Es geht darum, dass wir den Homosexuellen bei ihrer Persönlichkeitsstruktur, die ihnen der liebe Gott so gegeben hat und nicht der Teufel,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Abg. Maurer SPD: Wer weiß!)

eine Möglichkeit schaffen, wie andere in der Ehe in einer Lebenspartnerschaft zusammenzuleben. Wer das nicht will, der ist nicht bereit, Minderheitenschutz zu betreiben.

(Unruhe bei der CDU)

Es geht nicht um Randgruppenschutz, sondern um Minderheitenschutz. Sie haben sich, meine Damen und Herren von der CDU, im Europäischen Parlament schon vor vielen, vielen Jahren dazu verpflichtet, in den einzelnen Ländern entsprechende Regelungen für solche Lebenspartnerschaften zu schaffen.

Das Weitere kommt in der zweiten Runde.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Herr Kollege Bebber, Sie waren auch schon stärker! – Abg. Birzele SPD: Die CDU weiß nie, was in Europa beschlossen wurde! Das kümmert sie auch nie!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bender.