Protokoll der Sitzung vom 12.06.2001

Wahl des Präsidenten

Als Wahlkommission für die Wahl des Präsidenten und der stellvertretenden Präsidenten und Präsidentinnen berufe ich nach § 4 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Landtags die Damen und Herren Abg. Dr. Klunzinger, Schebesta, Gustav-Adolf Haas, Berroth und Oelmayer.

Ich bitte nun um Vorschläge für die Wahl des Präsidenten. – Herr Abg. Oettinger hat das Wort.

Herr Präsident, die Fraktion der CDU schlägt den Kollegen Peter Straub vor.

Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlag gehört. Werden weitere Vorschläge gemacht? – Das ist nicht der Fall.

(Alterspräsident Kurz)

Nach § 4 Abs. 2 der Geschäftsordnung wird der Präsident in geheimer Wahl gewählt. Um dieser Vorschrift nachzukommen, darf ich Sie bitten, die Telefonzellen auf der von mir aus gesehen rechten Seite des Plenarsaals als Wahlkabinen zu benutzen. Ein Mitglied der Wahlkommission – Herr Abg. Schebesta, wenn Sie das bitte übernehmen würden – nimmt am Rednerpult den Namensaufruf vor, der in § 97 a der Geschäftsordnung vorgeschrieben ist. Die aufgerufenen Abgeordneten bitte ich, sich zur rechten Seite des Plenarsaals zu begeben. Sie erhalten dort von einem Mitglied der Wahlkommission einen amtlichen Stimmzettel und einen Wahlumschlag. Füllen Sie bitte den Stimmzettel in einer der Wahlkabinen aus, und werfen Sie ihn im Wahlumschlag in die hier am Rednerpult bereitstehende Wahlurne. Ein weiteres Mitglied der Wahlkommission wird in einer Namensliste festhalten, welche Abgeordneten gewählt haben.

Bitte schreiben Sie den Namen des Abgeordneten, den Sie zum Präsidenten wählen wollen, auf den Stimmzettel. Sie sind an den Wahlvorschlag nicht gebunden. Der Stimmzettel darf aber nur e i n e n Namen enthalten. Nicht beschriebene Stimmzettel oder solche, auf denen „Enthaltung“ vermerkt ist, gelten als Stimmenthaltung. Gewählt ist, auf wen mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen entfallen.

Die Mitglieder der Wahlkommission bitte ich, ihre Stimme am Schluss abzugeben. Der Alterspräsident wird seine Stimme hier vom Platz aus abgeben.

(Heiterkeit)

Ein Vorrecht muss der Alterspräsident ja wohl noch haben.

Meine Damen und Herren, wir treten in die Wahlhandlung ein. Herr Abg. Schebesta, bitte beginnen Sie mit dem Namensaufruf.

(Wahlhandlung)

Meine Damen und Herren, ist jemand im Saal, der seinen Stimmzettel noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.

Ich schließe jetzt die Wahlhandlung und bitte die Wahlkommission, die Stimmen auszuzählen.

(Auszählen der Stimmen)

Meine Damen, meine Herren, ich gebe das Wahlergebnis bekannt:

An der Wahl haben sich 128 Abgeordnete beteiligt.

Auf Herrn Abg. Straub entfielen 121 Stimmen.

(Anhaltender starker Beifall im ganzen Haus. – Zahlreiche Abgeordnete gratulieren dem neu ge- wählten Präsidenten.)

Mit Nein haben 2 Abgeordnete gestimmt. 3 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Auf andere Namen entfielen keine Stimmen. Ungültig waren zwei Stimmzettel.

Herr Abg. Straub hat also mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten und ist damit nach § 4 Abs. 4 der Geschäftsordnung zum Präsidenten des Landtags gewählt.

Herr Abg. Straub, ich frage Sie: Nehmen Sie die Wahl an?

Herr Präsident, ich nehme die Wahl an.

(Lebhafter Beifall im ganzen Haus)

Herr Präsident, ich danke Ihnen und gratuliere Ihnen im Namen des ganzen Hauses. Das ist ein großartiges Ergebnis, das auch als Ausdruck für die Anerkennung Ihrer vergangenen Arbeit gewertet werden kann. Das Haus geht mit Ihnen als Vertrauensperson sicherlich in eine gute Zukunft. Ich gratuliere auch persönlich herzlich zu dieser Wahl.

Meine Damen und Herren, damit ist meine Aufgabe als Alterspräsident erledigt. Jetzt hätte ich mich gerade so schön daran gewöhnt.

(Heiterkeit – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: In fünf Jahren wieder! – Abg. Drexler SPD: Sie können ja noch als Vize kandidieren!)

Aber jetzt muss ich diesen Sitz verlassen und darf den Präsidenten, Herrn Straub, bitten, die Sitzung weiter zu leiten.

(Lebhafter Beifall im ganzen Haus)

Sehr verehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Ihnen zunächst sehr herzlich danken, dass Sie mich erneut zum Präsidenten des hohen Hauses gewählt haben. Vor allem danke ich Ihnen für das große Vertrauen, das Sie mir mit dieser Wahl entgegengebracht haben. Ich werde mich in den nächsten fünf Jahren bemühen, dieses Vertrauen zu rechtfertigen.

Jede Kollegin und jeder Kollege soll den Eindruck bekommen, dass ich mich für alle Abgeordneten verantwortlich fühle. In Jesaja, Kapitel 43 Vers 1, steht: „Ich werde dich bei deinem Namen rufen.“ Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich bei 47 Neuen noch nicht alle bei ihrem Namen rufen kann. Wenn Sie aber in den nächsten Plenarsitzungen so vollzählig auf Ihren Plätzen sind,

(Vereinzelt Heiterkeit)

werde ich anhand der Broschüre, die Sie gerade bekommen haben, üben, und ich versichere Ihnen, dass ich Sie alle dann sehr bald auch bei Ihrem Namen rufen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich fühle mich als Präsident verpflichtet, für die Rechte der Abgeordneten einzutreten und Sie in Ihrer Arbeit mit meiner Landtagsverwaltung zu unterstützen. Als Präsident sehe ich mich als Anwalt des Parlaments, und deshalb werde ich mich in gebotener Weise für die Wahrung der Rechte des Landtags einsetzen und seine Arbeit fördern.

Der Landtag hat durch die Wahl vom 25. März ein sehr viel anderes und auch – zu seinem Vorteil – ein jüngeres Gesicht erhalten. Ich möchte an dieser Stelle alle neu und wieder gewählten Abgeordneten ganz herzlich willkom

(Präsident Straub)

men heißen. Ich wünsche den neuen Abgeordneten, dass sie sich schnell in die parlamentarischen Aufgaben einfinden und mit neuen Ideen, neuer Kraft und Initiative die parlamentarische Arbeit bereichern.

Der Landtag hat nicht nur ein neues Gesicht erhalten. Er ist auch wesentlich kleiner geworden, und er zählt eine Fraktion weniger. Ich meine, damit hat der Wähler eine kluge Entscheidung getroffen.

(Beifall im ganzen Haus)

In der Verkleinerung des Landtags sehe ich für unsere parlamentarische Arbeit eine große Chance. Weniger Abgeordnete und weniger Fraktionen bedeuten kürzere Informationsstränge und Entscheidungsstufen. Insgesamt kann der Parlamentsbetrieb effizienter und geschmeidiger werden. Die Aufteilung der Redezeiten auf vier statt auf fünf Fraktionen gibt uns die Möglichkeit, in der Sache vertiefter zu diskutieren und Dinge anzusprechen, die bisher dem rigiden Zeitdiktat geopfert werden mussten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Wähler hat gegenüber der letzten Legislaturperiode die parlamentarische Konstellation dem Grunde nach nicht verändert. Der Koalition und der sie tragenden parlamentarischen Mehrheit steht eine starke Opposition gegenüber. Dies bietet Gewähr, dass in der parlamentarischen Auseinandersetzung, wie es sich gehört, die Argumente und Gegenargumente vor den Augen der Öffentlichkeit ausgetauscht werden und am Ende des rednerischen Schlagabtauschs eine Entscheidung zustande kommt.

Denn auch in den kommenden fünf Jahren muss der Landtag seine Handlungsfähigkeit beweisen. Die Haushalts- und Finanzlage zwingt das Parlament dazu, eine sparsame Haushaltspolitik zu verfolgen, die Staatsverschuldung zurückzuführen und damit den nachfolgenden Parlamenten und Regierungen den finanziellen Spielraum zu geben, der eine Politikgestaltung wirklich zulässt.

Wir alle sollten dafür dankbar sein, dass es uns in der vergangenen Wahlperiode gelungen ist, Baden-Württemberg trotz einiger Strukturkrisen wieder auf einen Spitzenplatz zurückzuführen. Gegenwärtig ist Baden-Württemberg sowohl mit den anderen Bundesländern wie im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig. Es ist ein attraktiver Standort in Europa.

Das soll auch so bleiben. Deshalb müssen wir in der vor uns liegenden Wahlperiode alle Anstrengungen unternehmen, um dort, wo uns das bundesstaatliche System politische Gestaltungsmöglichkeiten gibt, eigene Akzente zu setzen, vor allem in der Schul- und Hochschulpolitik sowie bei der Aus- und Weiterbildung.

Damit bin ich bei einem immer wiederkehrenden Thema: Es ist der föderale Zustand unseres Gemeinwesens, der Sorgen macht. Trotz vielfältiger Bemühungen ist es den Landtagen und ihren Repräsentanten in der Landtagspräsidentenkonferenz nicht ausreichend gelungen, eine weitere Schwächung des bundesstaatlichen Systems aufzuhalten. Da die Analyse bekannt ist, will ich mich damit nicht aufhalten.

Dennoch finde ich bedenklich, dass dem Gedanken des „Wettbewerbsföderalismus“ in der Bundesrepublik Deutschland nicht die notwendige Beachtung geschenkt wird. Schuld daran ist vor allem die prekäre Finanzlage vieler Bundesländer, die am Tropf des Bundes hängen. Stehen wichtige Bundesratsentscheidungen an, gleichen die Verhandlungen am Vorabend eher Praktiken, die auf dem Basar üblich sind, als Vorberatungen in einem der wichtigsten Verfassungsorgane des Bundes.

Ungeachtet allen parteipolitischen Kalküls schadet dies dem bundesstaatlichen System. Denn dadurch werden die Länder immer abhängiger vom Bund, was sie aber nach dem Willen des Grundgesetzes gerade nicht sein sollten.

Angesichts dieser Lage ist es auch auf der Ebene der Landtagspräsidenten oft sehr schwer, einheitliche Positionen zu finden. Doch manchmal gelingt es. So haben wir im letzten Jahr eine wegweisende Entschließung zur Stärkung und Weiterentwicklung des Föderalismus in Deutschland und insbesondere zur Finanzverfassung vorgelegt. Leider müssen wir feststellen, dass diese Entschließung bei den Beratungen zum Länderfinanzausgleich wenig Beachtung findet.

Selbstverständlich führt auch der fortschreitende Integrations- und Erweiterungsprozess der Europäischen Union zu einem gewissen Bedeutungsverlust für die Länder und deren Landesparlamente – vor allem der Landesparlamente –, zumal in einem erweiterten Europa die föderalistisch gegliederten Mitgliedsländer noch rarer sind.

Aus diesem Grund haben die Landtagspräsidenten auf ihrer jüngsten Konferenz mit Nachdruck gefordert, dass die Landtage an dem nach Nizza neu eröffneten Diskussionsprozess über die Zukunft der Europäischen Union beteiligt werden müssen. Wenn es dabei zur Einrichtung eines Konvents zur Vorbereitung der Regierungskonferenz 2004 kommt, müssen – so die Forderung der Parlamentspräsidentenkonferenz – Vertreter der Landtage dazu gehört werden.