Protokoll der Sitzung vom 24.10.2001

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Beifall des Abg. Dr. Salomon GRÜNE)

Deswegen sage ich: Entlang des Rahmens, der weiterhin für uns gilt – mit weniger neuen Schulden auszukommen, damit in dieser Periode vielleicht auch ein ausgeglichener Haushalt möglich wird –, setzen wir jetzt Schwerpunkte mit einem Sofortprogramm. Sollte sich in den nächsten Wochen zeigen, dass es noch Nachbesserungsbedarf gibt, dann sind wir im Rahmen der Haushaltsberatungen und gegebenenfalls mit einem außerordentlichen Nachtrag jederzeit handlungsbereit. Aber mit unseriösen Forderungen nach immer noch mehr Stellen an allen Ecken und Enden und derart populistischen Überlegungen treiben lassen wir uns nicht. Dafür sind wir in unserer Arbeit viel zu souverän.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Nun will ich die Frage, ob man dafür höhere Steuern braucht, überhaupt nicht debattieren. Landespolitik hat gar nicht die Möglichkeit, an der Steuerschraube zu drehen, weil Steuergesetzgebung Bundesgesetzgebung ist und die Landessteuern über den Bundesrat und den Bundestag zu beschließen sind. Umso beachtlicher finde ich, dass dieses Paket im Zuge der Haushaltsvorbereitung nicht über Steuermehreinnahmen, nicht über höhere Steuern und auch nicht über höhere Schulden, sondern aus dem Haushalt heraus durch Einsparungen und Umschichtungen erwirtschaftet wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Salomon GRÜNE)

Ich glaube, dass man damit konsequent Sicherheitspolitik und Haushaltspolitik im Interesse der Bürger und Steuerzahler in Baden-Württemberg belegen kann.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Heiter- keit des Abg. Dr. Salomon GRÜNE – Abg. Dr. Sa- lomon GRÜNE: Da lacht der Finanzminister!)

Der Bundesinnenminister hat – dies geht auch die Länder an – einen umfassenden Katalog und weit reichende Überlegungen zu Antiterrormaßnahmen in der Bundesrepublik vorgelegt. Ich weiß nicht, ob Sie heute dazu Stellung nehmen wollen, Kollege Salomon.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Da können Sie aber Gift drauf nehmen!)

Ich sage Ihnen aber: Meine Fraktion hat keine Probleme und stimmt der Überlegung voll zu. Sie entspringt unserer Linie, wenn es um die Fälschungssicherheit von Reisepässen und Ausweisen geht. Ich habe nichts dagegen, wenn auf meinem Pass ein Fingerabdruck und eine Gesichtsform abgebildet sind,

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

und ich frage Sie, was denn dagegen spricht, wenn man sichere Pässe und Personenkontrollen auf hohem Niveau auch gegen gewaltbereiten Terror in Deutschland einführen will.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Bei Ihrem Gesicht hätte ich da auch kein Problem!)

Wir tragen auch die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung mit. Denn bei Straftaten im Kernbereich der organisierten Kriminalität und im terroristischen Netzwerk sind Kronzeugen wichtig, wenn man frühzeitig etwas aufspüren, Nachweise führen und zuschlagen will. Deswegen gilt auch hier mit Bezug auf die Bundesratsinitiative der Landesregierung, die weit reichend, umfassend und kompetent vorbereitet ist, und mit Schily als Partner in dieser Frage: Mit uns kommt die Mehrheit zustande. Ob sie in der rotgrünen Bundesregierung kommt, ist Ihre Frage, die von Ihnen beantwortet werden muss.

(Zuruf des Abg. Dr. Salomon GRÜNE)

Gestatten Sie mir, einen weiteren Punkt anzugehen, der vielleicht noch nicht genügend öffentlich aufgearbeitet worden ist. Mit Ihrem Staatsbürgerschaftsrecht, mit Ihrem

modernen Recht der Staatsangehörigkeit und mit Ihrer Ausländerpolitik insgesamt haben Sie die Rechte des Staates geschwächt und die Rechte dessen, der zu uns kommen will – sowohl für den mit guter Absicht als auch für den, der böse Absichten hat –, gestärkt.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Mit dringender Not- wendigkeit!)

Deswegen stelle ich hier die Frage, ob die Schaffung der Möglichkeit der Anspruchseinbürgerung, wonach der Einzelne, egal woher er kommt, nach acht Jahren, wenn er rechtmäßig hier gelebt hat, deutscher Staatsbürger mit allen Statusrechten werden kann

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das geht nur über die Regelanfrage!)

und der Staat nicht mehr abwägen kann, weil in der Ausländerpolitik kein Ermessen mehr besteht, sondern die doppelte Staatsangehörigkeit ein Anspruch ist, richtig war.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Sie sind doch stolz auf die Regelanfrage!)

Ich behaupte, entlang der Entwicklung der letzten Wochen zeigt sich: Die große Erwartung, die Ideologie von RotGrün in der Ausländerpolitik, in der Frage der Staatsangehörigkeit

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Sie sind doch stolz auf die Regelanfrage! Was wollen Sie denn?)

war grundlegend falsch und ist korrekturbedürftig.

(Beifall bei der CDU)

Ich will das hier ausdrücklich ansprechen, weil wir glauben, dass die Bundesregierung da bisher keine Handlungsbereitschaft zeigt.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Völliger Quatsch!)

Für die Ausweisung gilt bisher: Wer die Sicherheit Deutschlands gefährdet, wer sich bei der Verfolgung politischer Ziele gewaltbereit zeigt und wer mit Gewaltanwendung droht, k a n n ausgewiesen werden. Das ist eine Ermessensentscheidung. Ich meine, wer zur Verfolgung seiner politischen Ziele Gewalt und Terror verbreitet, androht oder anwendet, hat sein Aufenthaltsrecht verwirkt, der m u s s ausgewiesen werden. Auch hier tragen wir den Vorschlag von Beckstein und Schily ausdrücklich mit.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Thomas Durchdenwald schreibt heute in der „Stuttgarter Zeitung“ zum Antiterrorprogramm, es sei maßvoll. Er zählt die Maßnahmen auf und schreibt:

... all dies sind maßvolle und angebrachte Konsequenzen aus den Terroranschlägen in den USA... Unterm Strich kann sich das Ergebnis also durchaus sehen lassen.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das stimmt! Jawohl!)

Also nicht „völlig unzureichend“, sondern beachtlich und sehenswert.

Die Landesregierung sagte: „Wir tun dies nicht.“ Aber er tut es für uns.

Die Landesregierung kann sich mit einigem Recht auf die Schultern klopfen. Sie hat in den vergangenen Jahren

ich beziehe die große Koalition, Kollege Birzele, ausdrücklich ein –

in die innere Sicherheit investiert. Sie ist politischen Trends, beispielsweise dem Verfassungsschutz finanziell den Garaus zu machen, nicht gefolgt. Mancher Kritiker aus dem rot-grünen Lager,

so Durchdenwald –

der heute der Landesregierung Versäumnisse und verspätete Reaktionen vorwirft, hat Grund, sich an die eigene Nase zu fassen.

So wörtlich der Kommentar der „Stuttgarter Zeitung“.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Salo- mon GRÜNE)

Die CDU-Fraktion im Landtag stimmt dieser Wertung ausdrücklich zu. Im Übrigen tragen wir das Antiterrorprogramm der Landesregierung aus voller Überzeugung mit.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Katastrophal! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Wir lesen beim nächsten Tagesordnungspunkt auch die Zeitung vor!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Pfister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich teile zunächst die Auffassung des Herrn Ministerpräsidenten und meiner anderen Vorredner, dass wir seit den terroristischen Anschlägen in New York und Washington eine grundsätzlich veränderte Sicherheitslage haben. Die deutlich zutage getretene internationale Vernetzung des Terrorismus stellt eine neue Qualität der Herausforderung und der Bedrohung dar, nicht nur für die internationale Staatengemeinschaft, sondern für die gesamte zivilisierte Welt.

Dieser Herausforderung gerecht zu werden erfordert eine umfassende, gründlich überlegte und lang anhaltende Strategie mit einer Vielzahl von außen-, sicherheits-, europaund innenpolitischen, aber auch moralischen und humanen Aspekten.

Lassen Sie mich deshalb an dieser Stelle, auch wenn es heute um innere Sicherheit geht, noch eines hinzufügen: Die internationale Koalition gegen den Terror führt keinen Krieg gegen einzelne Staaten oder Völker und schon gar nicht gegen die islamische Welt insgesamt. Aber entscheidend ist: Die islamische Welt muss Bestandteil der internationalen Koalition gegen den Terror sein und bleiben.

(Beifall der Abg. Kleinmann FDP/DVP und Dr. Salomon GRÜNE)

Wenn also ein Regime, das im Übrigen auch ein Regime der Unterdrückung des eigenen Volkes ist, dem internationalen Terrorismus Unterschlupf gewährt, ihn fördert und unterstützt, dann sind auch Maßnahmen gegen dieses Regime der Taliban gerechtfertigt und erforderlich, zu denen nach Lage der Dinge auch militärische Interventionen gehören. Die Vereinten Nationen haben dies in aller Deutlichkeit klar gemacht.