Protokoll der Sitzung vom 06.10.2005

Sie stimmen der Beschlussempfehlung zu. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.

Damit ist Punkt 11 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu der Mitteilung der Landesregierung vom 1. August 2005 – Neustrukturierung der Stilllegung und Beseitigung der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) einschließlich HAWC-Lagerbetrieb – Drucksachen 13/4581, 13/4648

Berichterstatter: Abg. Dr. Birk

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Das Wort erteile ich Frau Abg. Netzhammer.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei dem vorliegenden Tagesordnungspunkt geht es um eine neue Rahmenvereinbarung bezüglich des Rückbaus der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe. Dieser Rückbau war 1991 beschlossen worden, nachdem die Industrie aus dem Projekt in Wackersdorf ausgestiegen war und damit die Weiterführung der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe keinen Sinn mehr machte.

Der Rückbau ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Die Kosten dagegen übertreffen die damaligen Schätzungen bei weitem. Die CDU-Fraktion ist natürlich auch verärgert, dass sich die im Jahr 1991 ursprünglich geschätzten Kosten von rund 1,9 Milliarden DM praktisch verdoppelt haben, nämlich auf inzwischen rund 1,8 Milliarden €, und dass da

mit auf das Land zusätzliche Kosten in Höhe von rund 70 Millionen € zukommen, da das Land mit 8,2 % an den Rückbaukosten beteiligt ist. Dies ist auch deshalb ärgerlich, weil das Land bisher genauso wie der Bund keinerlei Einfluss auf die operative Geschäftstätigkeit oder die personelle Verantwortung der WAK Betriebsgesellschaft mbH nehmen konnte, obwohl in der Vereinbarung von 1991 über Stilllegung und Rückbau festgelegt wurde, dass der Bund 91,8 % und das Land 8,2 % der Kostensteigerungen zu tragen hat, wenn die Kosten über den Betrag von 1,8 Milliarden DM des damals gebildeten Fonds hinausgehen.

Leider sind in der Vergangenheit mehrere Versuche, die Kostenbeteiligung zu ändern, gescheitert. Das heißt im Ergebnis, dass die WAK Betriebsgesellschaft mbH die operative Verantwortung hat und damit natürlich nur ein überschaubares Interesse daran hat, die Anlage so schnell und so kostenbewusst wie möglich zurückzubauen, da sie ja für die Zusatzkosten nicht aufkommen muss.

Deshalb ist es gut, dass dies mit der vorliegenden Vereinbarung geändert wird. Das Land muss, wenn es an Kosten beteiligt ist, auch auf die Kostenentwicklung Einfluss nehmen können. Gerechterweise muss man aber bei der Beurteilung der erheblichen Kostensteigerungen berücksichtigen, dass die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe nicht mit einer kommerziellen Anlage oder einem üblichen Atomreaktor vergleichbar ist, womit die Opposition sie fälschlicherweise gerne vergleicht,

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Wann haben wir das ge- tan? Das müssen Sie belegen!)

sondern dass sowohl hinsichtlich ihrer Entwicklung als auch ihres Rückbaus technisches Neuland beschritten wurde.

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Sie lachen! Sie glauben es selbst nicht!)

Der Rückbau stellt eine Pilotmethode dar, für die es keine technischen Erfahrungen gibt.

Ebenso gibt es nachvollziehbare Gründe für die Verteuerung, die außerhalb der Einflussmöglichkeiten der Projektbeteiligten lagen – das haben wir im Wirtschaftsausschuss diskutiert –, nämlich zum einen die beschlossene Änderung des Entsorgungswegs, die im Einvernehmen mit allen politischen Parteien beschlossen wurde, dann der Stillstand der Anlage von eineinhalb Jahren aufgrund eines Plutoniumentwendungsfalls, der Folgekosten von rund 70 Millionen € verursacht hat, und die Tatsache, dass in wesentlichen Teilen technisches Neuland beschritten wurde. Auch wenn somit ein Teil der Kostenerhöhung nachvollziehbar ist, halten wir mehr Einfluss von Bund und Land für dringend erforderlich. Wir wollen, dass der Rückbau zügig vorwärts geht und dass die Kosten gedeckelt werden.

Mit den vorliegenden Vereinbarungen werden die operative Verantwortung, die Personalverantwortung, die atomrechtliche Verantwortung und die Finanzverantwortung in einer Gesellschaft gebündelt. Die Geschäftsanteile der Industrie werden durch die bundeseigenen Energiewerke Nord übernommen, die hinreichende Erfahrungen im Rückbau von Reaktoren erworben haben, wie zum Beispiel beim Rück

bau eines Reaktors in Lubmin und eines allgemeinen Versuchsreaktors in Jülich. Wir gehen davon aus, dass mit der neuen Gesellschaftsstruktur der Rückbau der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe beschleunigt wird.

Uns wurde in den Ausschüssen von der Landesregierung zugesagt, dass es Ziel sei, noch im Jahr 2006 mit der Verglasung des hoch aktiven Abfalls zu beginnen und diese im Jahr 2007 zu beenden.

Für die Jahre 2006 bis 2008 ist mit einem finanziellen Mehrbedarf von 18 Millionen bis 20 Millionen € für den Rückbau zu rechnen. Allerdings ist eine Etatisierung im Nachtragshaushalt 2006 nicht erforderlich, da dieser Betrag durch Haushaltsmittel für den Bereich des Forschungszentrums ausgeglichen werden kann.

Die Beschlussempfehlung in den Ausschüssen wurde im Übrigen, wenn auch ohne förmliche Abstimmung, einvernehmlich verabschiedet.

Die CDU-Fraktion verspricht sich durch die dargelegten Maßnahmen eine Beschleunigung des Rückbaus und eine Verstetigung bei den Kosten und stimmt deshalb den Vereinbarungen zu.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Knapp.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegin Netzhammer hat gerade wieder – wie es bei ihr üblich ist, sage ich einmal; das war auch im Ausschuss so – Nebelkerzen geworfen.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Das sind alles Tatsachen!)

Sie hat zwar ein bisschen zugegeben, Sie seien auch nicht so richtig glücklich, hat aber auch gesagt, es sei alles toll gelaufen.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: „Toll gelau- fen“ haben Sie gesagt! Ich habe nur gesagt: „erklär- bar“!)

Ich glaube, das ist ein gutes Beispiel. Sie, Frau Kollegin Netzhammer, haben die Randbedingungen gut beschrieben. Man hat 1991 einen Vertrag geschlossen, durch den der Bock zum Gärtner gemacht wurde.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wer ist „man“?)

„Man“? Ich sage es Ihnen: Das waren damals die politisch Handelnden. Das war im Bund sicherlich nicht RotGrün, und das war im Land 1991 sicherlich auch nicht RotGrün. Da hat man einen Vertrag geschlossen, durch den man den Bock zum Gärtner gemacht hat, indem man nämlich der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe Betriebsgesellschaft mbH gleichzeitig den Abbau in die Hand gegeben hat. Eine Gesellschaft, die sich nach dem Abbau selbst überflüssig gemacht hat, sollte also dafür sorgen, dass der Abbau möglichst kostengünstig und schnell erledigt wird.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Aber wir reden jetzt ja über die Änderung!)

Ich sage es gleich vorweg, meine Damen und Herren: Wir werden natürlich auch zustimmen. Wir haben das auch in den Ausschüssen getan. Denn es ist sinnvoll, dass die EWN, also die Energiewerke Nord GmbH, eine 100-prozentige Tochter des Bundes, der auch einen großen Teil der Kosten übernimmt, jetzt für den Abbau zuständig sind. Ich glaube, darüber sind wir uns einig.

Jetzt muss man natürlich, auch politisch, schon fragen, was das für uns in der Zukunft bedeutet. Sie, Kollegin Netzhammer, haben im Rahmen Ihrer längeren Redezeit gut beschrieben, wie die Prozentsätze sind. Das Land wird für alle Kostenüberschreitungen mit einem Anteil von 8,2 % aufkommen. Ich sage Ihnen einmal, was das für uns bedeutet. Für 2006 bis 2008 ergibt sich ein Betrag von 245 Millionen €, wobei man für 2006 vielleicht noch Haushaltsreste zur Abdeckung heranziehen kann. Ein Anteil von 8,2 % ergibt ungefähr 7 Millionen € pro Jahr. Das sind in der Summe rund 20 Millionen €. Ich bin einmal auf die nachherige Erklärung des Staatssekretärs gespannt, woher er das Geld holen will. Denn bisher ist es im Haushalt nicht enthalten. So wurde es auch im Ausschuss gesagt.

Jetzt muss man sich noch weiter überlegen, was danach noch kommt. Wir haben eine Kostensteigerung von ungefähr 1,8 Milliarden DM auf 1,8 Milliarden €. Die Schätzung geht eher in Richtung 2 Milliarden €. Das bedeutet für uns im Land in den Jahren 2009 bis 2013 – das sind fünf Haushaltsjahre – Mehrkosten von ungefähr 60 Millionen €, also rund 12 Millionen € pro Jahr. Das ist alles im Haushalt nicht enthalten. Da muss ich Ihnen schon sagen: Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie man in blinder Gutgläubigkeit der Atomlobby gegenüber Verträge geschlossen hat, gemäß denen die Industrie einen begrenzten Betrag zu zahlen hat,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Ach du meine Güte!)

und dass das gesamte Risiko aufseiten der Politik, der Gesellschaft liegt, dass der Bund und das Land das ganze Risiko bezahlen müssen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Hätten Sie das 1991 schon gewusst?)

Das kann so auf Dauer nicht weitergehen. Lieber ein Ende mit Schrecken – wir müssen das Geld bezahlen, damit die Anlage wegkommt – als ein Schrecken ohne Ende im Bereich der Atomenergie.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Damit sind Sie einverstanden?)

Ich sage Ihnen: Es war ein Fehler, dass man es so gemacht hat. Es war auch ein Fehler, die Verträge 1991 so zu schließen. Da müssen Sie sich schon fragen lassen, wer das damals politisch verantwortet hat.

(Abg. Göschel SPD: Alles schwarz-gelbe Erblas- ten!)

Wir waren das ganz sicherlich nicht. Wir werden zustimmen, dass man das jetzt auf eine gute Schiene bringt, und

sind auf die Erklärung des Wirtschaftsministeriums gespannt, wie es die ungefähr 80 Millionen € bis 2013 aus dem Landeshaushalt schneiden kann.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD – Abg. Teßmer SPD: Die strahlende Zukunft ist gesichert!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.

(Abg. Göschel SPD: Frau Berroth wischt das alles weg!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Knapp! Im Nachhinein sind in der Regel alle klüger.

(Abg. Göschel SPD: Nicht alle! – Abg. Stickelber- ger SPD: Warten wir es ab, ob auch Sie klüger sind! – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)