Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

(Abg. Kübler CDU: Oje, da müssen wir jetzt zuhö- ren!)

Die Frage, wer hier wen hinter das Licht führt, will ich gar nicht beantworten. Man könnte natürlich auch sagen: Hier führen Sie die Öffentlichkeit hinters Licht, weil Sie einen Referentenentwurf der Regierung missinterpretieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Pfisterer CDU: Vorsätzlich! – Abg. Kübler CDU: Bewusst!)

Da unterscheide ich mich in meiner Annahme noch von den Zwischenrufen der Regierungsfraktionen.

(Abg. Walter GRÜNE: Gesetzentwürfe müssen halt klar formuliert sein!)

Ich sage nicht „bewusst“; das unterstelle ich nicht. Ich sage schlichtweg: vielleicht aus mangelnder Kenntnis.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist auch nicht schlecht! – Zuruf: Das ist ja noch schlimmer! – Heiterkeit)

Das Erste ist die Annahme oder die Behauptung – –

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Wenn Sie Parlamen- tarier wären, wäre Ihre Redezeit jetzt schon vorbei! – Gegenruf des Abg. Pfisterer CDU: Das ist der Vorteil der Regierung!)

Meine Rede wäre auch schneller zu Ende, wenn mir nicht vorgehalten würde, dass meine Redezeit schon zu Ende wäre, wenn ich Parlamentarier wäre, und ich nicht darauf antworten müsste.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Pfisterer CDU: Es braucht mehr Zeit, falsche Vorwürfe zu widerle- gen!)

Die erste Behauptung: Wir haben nie gesagt, dass die Gebühren brutto in voller Höhe, also 230 Millionen €, den Hochschulen zugute kommen, sondern auch unser damaliger Ministerpräsident Erwin Teufel hat immer von netto gesprochen. Wir wissen zwar, dass es Politiker gibt, die brutto und netto nicht unterscheiden können, aber wir können es.

(Abg. Kübler CDU: Ja! Wir könnten einen Lehr- gang anbieten! – Zurufe von den Grünen: Merkel!)

Die zweite Behauptung, Studiengebühren könnten nicht zur Verbesserung der Lehre beitragen, basiert auf einer übereifrigen Interpretation eines Briefes aus meinem Hause, der selbst von Beamten an den Universitäten nicht so beamtenartig interpretiert wird wie von Ihnen, Frau Bauer.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Glücklicher- weise!)

Die dritte Behauptung, Studiengebühren seien nicht sozialverträglich, ist vielerorts widerlegt. Ich glaube, das, was wir als Referentenentwurf vorgelegt haben, ist so sozialverträglich, wie es nur irgendwie möglich ist.

Und die vierte Behauptung, die Studierenden hätten nichts davon, ist schlichtweg eine Behauptung – ich komme nachher zu den Summen –, die aussagt, dass zusätzliche 180 Millionen € für die Lehre nicht zum Nutzen der Studierenden wären. Diese Rechnung ist sicherlich nicht seriös zu begründen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn ich kurz zu dem Prinzip brutto/netto kommen kann: Wir haben etwa 230 Millionen €, die theoretisch gezahlt würden. Man kann jetzt nicht die Tatsache, dass einige keine Gebühren zahlen, sozusagen als Verwaltungskosten oder als Minderung der Studiengebühren deklarieren. Wir wollen, dass Doktoranden keine Gebühren zahlen. Wir wollen, dass Praxissemester ausgenommen werden. Wir wollen, dass Ärzte im Praktikum keine Gebühren zahlen. Das heißt, wir haben eigentlich, wenn wir die Ex-ante-Befreiungen nehmen, nur 200 Millionen €, die tatsächlich gezahlt werden. Davon werden 10 % für die Ex-post-Ausfälle zurückgestellt. Es kommen also 180 Millionen € bei den Hochschulen an. Das ist eine Berechnung der Landesbank, die noch nicht einmal in Rechnung stellt, dass sich das Studienverhalten verändern wird, dass man wegen der Gebühren schneller studiert, dass man ein Studienfach sorgfältiger auswählt und dass damit die Ausfälle vielleicht geringer sind als von der L-Bank aufgrund der bisherigen Studienstatistik errechnet.

Diese 180 Millionen € sind nicht wenig. Das muss man einmal zu den flexiblen Mitteln in Relation setzen, über die die Hochschulen heute verfügen. Nehmen wir beispielsweise die Universität Tübingen; das wären dort dann ca. 17 Millionen € zusätzliche Einnahmen zur Verstärkung der Lehre.

Dann, Frau Bauer, zur Frage, wozu diese Mittel verwendet werden können. Wie kann die Lehre gestärkt werden? Es ist durchaus so, dass zusätzliche Stellen geschaffen werden können. Sie können erstens geschaffen werden durch die Umstellung der bisherigen Studiengänge auf Bachelor- und Masterstudiengänge. Dort haben wir nicht mehr die Einheitlichkeit der Studiengänge, die uns die Curricularnormwerte so strikt vorgibt, wie das bei den traditionellen Diplomstudiengängen war. Zum Zweiten können wir bei besonderer Begründung auch bei Diplomstudiengängen die Betreuungsrelationen verbessern.

Nun kommt die Diskussion von heute Morgen, nämlich über die Föderalismusreform. Mit dem Wegfall des Hochschulrahmenrechts entfällt auch die Kapazitätsgesetzgebung. Es bleibt nur noch die höchstrichterliche Rechtspre

(Minister Dr. Frankenberg)

chung. Das gibt uns ganz andere Möglichkeiten, hier zusätzliche Stellen zu schaffen, ohne die Zahl der Studienanfänger erhöhen zu müssen, als dies bisher der Fall war. Insofern stimmt die Behauptung schlichtweg nicht, hier könnten keine neuen Stellen geschaffen werden oder dies würde sich, wenn sie geschaffen würden, immer voll auf die Kapazität auswirken.

Noch ein Wort zu den zusätzlichen Studienplätzen. Wir wollen die zusätzlichen Studienplätze nicht über Studiengebühren finanzieren, sondern die zusätzlichen Studienplätze müssen anders finanziert werden. Es ist unsere Aufgabe und nicht Aufgabe der Gebührenzahler, etwa das Problem des doppelten Abiturjahrgangs zu lösen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Abg. Bauer?

Aber bitte schön, Frau Bauer.

Herr Frankenberg, habe ich Sie richtig verstanden, dass durch die Einigung in der Föderalismusreform und die Veränderungen im Kapazitätsrecht sich dieser Brief, den Sie bzw. Ihr Haus an die Hochschulen geschrieben haben, jetzt erübrigt hat, und sind Sie bereit, dies auch schriftlich gegenüber den Hochschulen klarzustellen?

Ich habe Ihnen gerade schon gesagt, Frau Bauer, dass Sie den Brief in ungeheurer Weise überinterpretieren. Sie nehmen einen kleinen Punkt aus dem Brief heraus, bei dem nur auf die Gefahren hingewiesen wird, die sich aus der Vermehrung der Stellen, wenn man das nicht richtig macht, ergeben, was sich auf die Aufnahmekapazität auswirken könnte.

(Abg. Walter GRÜNE: Komischerweise verstehen die Hochschulen den Brief genauso!)

Ich habe mit den Rektoren persönlich über diesen Brief gesprochen und sie darauf hingewiesen, in welcher Weise sie zusätzliche Stellen schaffen können, ohne die Aufnahmekapazität zu erhöhen. Die Rektoren sind durchaus in der Lage, das auch aus einem mündlichen Gespräch mit nach Hause zu nehmen und umzusetzen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Kübler CDU: Dann war das klar aus- gedrückt!)

Ein weiterer Punkt soll erwähnt werden, nämlich zusätzliche Tutorien. Die kommen ja nicht nur Studierenden als Leistungen zugute, sondern auch den Leistungsträgern über die Bezahlung dieser Tutorien. Auch dies muss klar sein. Ich will aber auf die Einzelheiten hier nicht eingehen, denn noch ist nicht der Zeitpunkt Ende November gekommen, an dem wir über den Gesetzentwurf diskutieren, sondern heute diskutieren wir eigentlich über eine Anfrage der Grünen vom Mai dieses Jahres zu Plänen für Studiengebühren.

Wenn jemand gegen Studiengebühren ist, muss er auch sagen, woher das Geld sonst kommen sollte, um die notwen

dige Verbesserung der Lehre, über die wir uns alle einig sind, zu erzielen. Wollen Sie Steuererhöhungen für die Hochschulen, oder wollen Sie nicht wenigstens, dass 10 % der Studienkosten von den doch Begünstigten selber getragen werden?

(Abg. Zeller SPD: Sie haben doch reduziert! Das ist doch Ihre Verantwortung! – Abg. Carla Bregen- zer SPD: Sie haben doch schon vorher alles gestri- chen!)

Wir haben nichts reduziert. Wir haben den Solidarpakt voll eingehalten.

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Die Frage der Steuerung der Studierenden, die Frage der Anzahl der Studierenden aus bildungsfernen Schichten ist keine Frage, die sich nach dem Abitur stellt.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Was heißt denn „bil- dungsfern“?)

Es ist auch keine Frage, die sich hinsichtlich der Studiengebühren stellt. Das ist vielmehr eine Frage, die wir mit „Kinderland“ beantworten. Diese Steuerung der Bildungskarrieren beginnt nämlich sehr früh. Deshalb erfolgt die Initiative der Regierung, auch so früh anzusetzen. Das hat mit Studiengebühren nichts zu tun.

Die Sozialverträglichkeit der Gebühren ist durch zwei Tatbestände gegeben, nämlich durch die Ausnahmen vorab, etwa wenn Studierende eigene Kinder im Alter von bis zu acht Jahren erziehen, oder durch die Aussparung von der Rückzahlung, nachdem die Studierenden einen Kredit für die Zahlung der Studiengebühren erhalten haben. Wir haben eine wirklich nachlaufende Gebühr, indem wir ein Kreditmodell geschaffen haben, das jedem offen steht, das mit der L-Bank ausgehandelt ist, zu dem der Zugang keiner Bonitätsprüfung unterliegt, bei dem nicht nach dem Elterneinkommen gefragt wird und bei dem auch nicht die Bank das Risiko trägt und daher der Zins niedriger ist, als sonst ein marktüblicher Zins für solche Kleinkredite wäre. Das heißt, das eigentlich Sozialverträgliche an diesen Studiengebühren ist, dass sie erst nachher, wenn der ehemalige Studierende im Beruf ist und ein bestimmtes Einkommen erzielt, bezahlt werden müssen. Deshalb ist nicht die Frage, ob die Studierende Tochter einer Krankenschwester ist, sondern es ist die Frage, was diese Tochter einer Krankenschwester später aufgrund ihres Studiums selber verdient. Das sollte endlich einmal verstanden werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Kübler CDU: Ja, so ist es! Ich würde es noch ein- mal wiederholen, Herr Minister!)

Ich will es in anderen Worten wiederholen. Vielen Dank.

(Heiterkeit bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Scheffold CDU: Die wollen es nicht verste- hen!)

Es geht also nicht um die Tochter der Krankenschwester, sondern es geht um die spätere Fachärztin und die Frage, ob diese später den Kredit für die Studiengebühren zurückzahlen kann,

(Minister Dr. Frankenberg)

(Abg. Kübler CDU: Ja! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wenn sie denn als solche arbeitet!)

und es geht um die Sozialverträglichkeit hinsichtlich ihres späteren Berufs.

Andersherum geht es auch um die Frage – –