Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Eine Schande! Ein Armutszeugnis! Aber nicht für die Leute, sondern für das System!)

Der Bericht, der jetzt, am 20. Oktober, vorgelegt wurde – er war uns deutlich früher angekündigt worden, aber offenbar dauert der Sommer bei der Landesregierung bis Ende Oktober –, bringt uns auch keine neuen Erkenntnisse. Sicherlich ist er eine Fleißarbeit, weil man sagen kann: Wir haben die gesamte Vielfalt dargestellt. Aber das, was er an Erkenntnissen über die Notwendigkeit des Zugangs bringt und darüber, wie der Zugang vereinfacht werden muss, ist auf jeden Fall nichts Neues. Die Empfehlung lautet nämlich, den Hochschulzugang für Berufstätige zu erleichtern. Das ist ja nun wirklich überhaupt nichts Überraschendes. Denn die IHKs haben das über viele Jahre hinweg gefordert, und die Handwerkskammern haben das über viele Jahre hinweg gefordert.

(Zuruf von der SPD: Wir auch!)

Insofern ist es gut, dass mit dieser Ausgrenzung der Menschen, die über eine berufliche Qualifikation zu den Hochschulen kommen wollen, jetzt endlich Schluss sein soll. Über alle Details dieser Regelung werden wir uns im Ausschuss unterhalten. Das werden wir mit der gebotenen Gründlichkeit tun, sodass wir bei der zweiten Lesung dann auch tatsächlich einen guten Gesetzentwurf haben werden.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Fauser.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Unser Anliegen, das Anliegen der FDP/ DVP, ist: Kein Abschluss ohne Anschluss. Jeder braucht die Möglichkeit, die Chance, weiterlernen zu können und sich weiter qualifizieren zu dürfen.

Deshalb war es ein Ziel aller Fraktionen, dass entsprechend qualifizierte Berufstätige, die keine formale Hochschulzugangsberechtigung erworben haben, das Studium in Zukunft einfacher aufnehmen können. Aufgrund eines einstimmigen Beschlusses des Wissenschaftsausschusses hat die Landesregierung eine Arbeitsgruppe eingerichtet mit dem Auftrag, die vorhandenen Zugangsregelungen für qualifizierte Berufstätige zu überprüfen, und zwar mit dem ausdrücklichen Ziel, den Zugang zu erleichtern. Wir haben darüber ja schon öfters debattiert.

Der Bericht der Arbeitsgruppe liegt inzwischen vor. Er stellt auch, wie seinerzeit seitens der SPD angeregt, die einschlägigen Regelungen und die damit gemachten Erfahrungen in anderen Bundesländern und im Ausland vor. Im Ergebnis schlägt die Arbeitsgruppe vor, den Zugang zu Studiengängen, die der absolvierten beruflichen Aus- und Fortbildung fachlich entsprechen, künftig ohne gesonderte Eignungsprüfung zu ermöglichen. Wird jedoch in einem so genannten nicht affinen Fach ein Studium gewünscht, so soll, und zwar nicht zuletzt im Interesse des Studieninteressenten selbst, auf eine Eignungsprüfung auch weiterhin nicht verzichtet werden.

Wir halten die Empfehlungen der Arbeitsgruppe für sinnvoll. Daher nehmen wir diese Empfehlungen in den Gesetzentwurf auf. In Zukunft kann ein erfahrener Schlossermeister, der Maschinenbau studieren will, ohne weitere Eignungsprüfung auch Maschinenbau studieren.

Darüber hinaus ermöglichen wir demselben Schlossermeister aber auch die Aufnahme eines Studiums der Medizin oder der Politikwissenschaft nach Absolvierung einer Eignungsprüfung. Das ist ganz analog unserer zukünftigen Vorstellung, dass die Hochschulen sich ihre Studenten selber aussuchen. Die Eignungsprüfung soll künftig durch die Hochschule und nicht mehr wie bislang in der Regie des Kultusministeriums durchgeführt werden. Dies halten wir für eine große Erleichterung und eine sachgerechte Verbesserung beim Hochschulzugang.

(Beifall der Abg. Renate Götting FDP/DVP)

Ganz besonders wichtig finden wir es, dass Frauen, die nach Berufstätigkeit und Familienphase wieder einsteigen

möchten, mit diesem Modell die Möglichkeit haben, nach einem Studium der Fachhochschule oder der Universität in Zukunft leichter eine Rückkehr in das Arbeitsleben zu finden. Da konnten wir auch glücklicherweise das Darlehensmodell bis zum 40. Lebensjahr ausdehnen. Ich denke, durch die Abfederung der Rückzahlung wird für die Frauen ein weiterer Weg eröffnet. Darüber hinaus kann man sicherlich auch ein Fernstudium machen, das in der Familienphase schon begonnen werden kann.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, die Privatunterhaltungen außerhalb des Plenarsaals zu führen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Das waren keine Privat- unterhaltungen! – Abg. Dr. Scheffold CDU: Das erspart uns viel Zeit!)

Meine Damen und Herren, der Baden-Württembergische Handwerkstag hat die vorgesehene Neuregelung als großen Erfolg und als Stärkung der Attraktivität der handwerklichen Ausbildung bezeichnet. Genau das wollen wir mit unserem Gesetzentwurf, der auf der anderen Seite auf die Sicherung der tatsächlichen Studierfähigkeit nicht verzichtet, erreichen.

Nach der Detailberatung im Ausschuss sollte der Gesetzentwurf die Zustimmung aller Fraktionen finden. Ich denke, wir haben hier einen hervorragenden Einstieg in eine Weiterentwicklung der Möglichkeiten unserer Berufstätigen, die sich erfolgreich weiterbilden möchten.

(Beifall der Abg. Renate Götting FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Rastätter.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie meine Kollegin SchmidtKühner schon eindrucksvoll vorgetragen hat, haben wir über viele Jahre hinweg in diesem Haus immer wieder hartnäckig gefordert, dass Sie endlich den Hochschulzugang für qualifizierte Berufstätige erleichtern sollen und dass Sie endlich die hohe Hürde der Eignungsprüfung abschaffen müssen. Auch der Druck aus der Industrie- und Handelskammer und aus der Handwerkskammer in Baden-Württemberg hat immer stärker zugenommen. Jetzt haben Sie sich endlich mit diesem Gesetzentwurf ein bisschen bewegt. Natürlich bringen Sie hier überhaupt nichts Neues und nichts Spektakuläres, sondern Sie lösen hier endlich einmal die seit Jahren vorgetragenen Forderungen ein.

Ich muss allerdings dazusagen: Die Entwicklung ist inzwischen bundesweit weitergegangen. Wie aus Ihrem vorgelegten Bericht deutlich zu entnehmen ist, ist der Hochschulzugang für qualifizierte Berufstätige in vielen Bundesländern sehr viel weiter gehend, als Sie es jetzt in Baden-Württemberg zulassen wollen. In Berlin ist er am weitesten gehend. Aber ich will gerade auch Niedersachsen und Hessen erwähnen. Deshalb sagen wir: Wenn wir jetzt schon hier den Hochschulzugang für qualifizierte Berufstätige erleichtern, müssen wir gleich Nägel mit Köpfen machen und auch die

Forderungen einlösen, die zum Beispiel vom Baden-Württembergischen Handwerkstag erhoben werden.

Wir Grünen haben in unserem Gesetzentwurf gefordert, dass die Eignungsprüfung für qualifizierte Berufstätige, für Meister und vergleichbar Qualifizierte, abgeschafft wird und dass gleichzeitig Meister und vergleichbar Qualifizierte auch ein Studium ihrer Wahl absolvieren können, sie also nicht nur ein affines Fach, nämlich ein Fach, das ihrer Ausbildung entspricht, sondern auch ein Fach ihrer Wahl studieren können.

Ich möchte an einem Beispiel illustrieren, wie notwendig das ist. Wenn die Regelung, die Sie jetzt im Hochschulgesetz vornehmen wollen, in Baden-Württemberg eingeführt wird, könnte Erwin Teufel in Baden-Württemberg nicht Philosophie studieren, sondern er müsste Verwaltungswissenschaften studieren. Sie müssen doch selbst zugeben, dass das für den ehemaligen Ministerpräsidenten keinerlei Sinn ergeben würde.

(Abg. Pfisterer CDU: Er hätte die Aufnahmeprü- fung gemacht und bestanden! – Gegenruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Genau!)

Ich muss auch noch eines dazu sagen: Ein qualifizierter Berufstätiger, jemand, der eine Berufstätigkeit ausgeübt hat, jemand, der die Meisterprüfung gemacht hat und eine hohe Motivation für ein Studium mitbringt, kann dieses Studium auch tatsächlich bewältigen. Sie wissen ja auch, dass das Abitur, das ja den allgemeinen Hochschulzugang eröffnet, keine Garantie für ein erfolgreiches Studium ist.

(Abg. Rückert CDU: Aber ja!)

Das belegen ja nicht zuletzt die hohen Abbruchzahlen.

Zum Zweiten bleiben Sie hinter den Forderungen, zum Beispiel des Baden-Württembergischen Handwerkstags, auch dadurch zurück, dass für beruflich Qualifizierte mit abgeschlossener Berufsausbildung kein Fachhochschulzugang eröffnet wird. Das ist etwas, was zum Beispiel in einigen anderen Bundesländern möglich ist, zumindest mit einem Probestudium. Wenn wir wirklich die berufliche Bildung mit der allgemeinen Bildung gleichstellen wollen, müssen wir auch für beruflich Qualifizierte mit einer qualifizierten Berufsausbildung diesen Zugang eröffnen.

Ich komme zum Schluss, weil die Details mit Sicherheit noch im Ausschuss erörtert werden. Sie haben sich endlich etwas bewegt. Sie bleiben aber hinter dem, was vonseiten der Wirtschaft gefordert wird und was in anderen Bundesländern bereits praktiziert wird, weit zurück. Wenn wir wirklich die Gleichwertigkeit der beruflichen und der allgemeinen Bildung einlösen wollen, wenn wir das berufliche Schulwesen in Baden-Württemberg wirklich noch attraktiver machen wollen, müssen Sie die Forderungen, die wir Grünen in den Landtag eingebracht haben, erfüllen. Deshalb wird es, denke ich, noch eine interessante Beratung im Ausschuss werden.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erhält Herr Staatssekretär Sieber.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach diesen Beiträgen ist klar geworden, dass ich heute meine Redezeit nicht auszuschöpfen brauche,

(Beifall bei allen Fraktionen)

weil ich so viel Gemeinsamkeit gar nicht erwartet habe. Dennoch darf ich in aller Kürze Herrn Minister Frankenberg entschuldigen, der im Augenblick auf dem Weg zu einer Sitzung des Wissenschaftsrats in Bremen ist. Deswegen habe ich die Freude, die Stellungnahme der Regierung vorzutragen.

Meine Damen und Herren, es ist klar geworden, dass es ein gemeinsames Anliegen aller Fraktionen und auch der Landesregierung ist, die Durchlässigkeit der Bildungswege und die attraktive Gestaltung der dualen Ausbildung umzusetzen. Diesen beiden Anliegen wird nach meiner Überzeugung der Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und FDP/ DVP in hohem Maße gerecht. Ich möchte ganz kurz auf die drei wesentlichen Punkte eingehen.

Erstens: Berufstätige erwerben durch Aus- und Fortbildung fachliche Kenntnisse, die sie in entsprechenden Studiengängen einsetzen können. Durch ihr Vorwissen haben sie auch bereits Vorstellungen über die Anforderungen des Studiums.

Zweitens: Die gleiche Aussagekraft der Berufsausbildung lässt sich für ein Studium in fremden Studiengängen – das als Anmerkung zu der Position und dem Entwurf der Grünen – nicht ohne weiteres unterstellen. Im Interesse der Studieninteressierten ist es daher richtig, bei einem Studium in einem nicht affinen Studiengang an einer Eignungsprüfung festzuhalten.

Und drittens: Die Übertragung der Eignungsprüfung auf die Hochschulen und die obligatorische Studienberatung runden den verbesserten Hochschulzugang für Berufstätige ab.

Ein Satz sei mir zu dem Entwurf der SPD gestattet. Der Vorschlag der SPD beschränkt sich auf den Aspekt der Weiterqualifizierung, das heißt auf den ausschließlich fachgebundenen Hochschulzugang. Mit dem Entwurf der CDU und der FDP/DVP gehen wir, glaube ich, über diesen Entwurf hinaus.

Der Vorschlag der Grünen lässt, finde ich, die Systematik des Gesamtbildungssystems außer Acht, indem er einen Verzicht auf eine Prüfung der Studierfähigkeit bei fremden Studiengängen begehrt. Darüber wird man im Ausschuss in aller Offenheit diskutieren müssen.

Ich komme schon zum Schluss: Der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet ein modernes Hochschulzugangsrecht für Berufstätige, das zugleich die Attraktivität der dualen Ausbildung deutlich steigern wird. Dieser Entwurf wird den Bedürfnissen und Anforderungen der Hochschulausbildung und gleichzeitig den Interessen qualifizierter und auch motivierter Studienbewerber aus der beruflichen Praxis gerecht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Rückert CDU: Gut! Prima!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind damit am Ende der Ersten Beratung des Gesetzentwurfs Drucksache 13/4732. – Sie stimmen der Überweisung des Gesetzentwurfs an den Wissenschaftsausschuss zu. Es erhebt sich kein Widerspruch, es ist so beschlossen.

Damit ist Punkt 8 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

a) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zu dem Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages über die Bereitstellung von Mitteln aus den Oddset-Sportwetten für gemeinnützige Zwecke im Zusammenhang mit der Veranstaltung der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006 – Drucksache 13/4764

b) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu der Mitteilung der Landesregierung vom 26. September 2005 – Information über Staatsvertragsentwürfe; hier: Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages über die Bereitstellung von Mitteln aus den Oddset-Sportwetten für gemeinnützige Zwecke im Zusammenhang mit der Veranstaltung der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006 – Drucksachen 13/4687, 13/4734