Protokoll der Sitzung vom 15.12.2005

Punkt 1 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Bericht und Beschlussempfehlung des Untersuchungsausschusses „Verhalten von Landesregierung und Landesbehörden im Zusammenhang mit kriminellen Aktivitäten von Manfred Schmider und Matthias Schmider, insbesondere bei der Firmengruppe FlowTex“ – Drucksache 13/4850

Berichterstatter: Abg. Dr. Scheffold und Abg. Sakellariou

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Einbringung und die Vorstellung des Berichts durch den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses eine Redezeit von fünf Minuten und für die Aussprache über den Bericht und die Beschlussempfehlung des Untersuchungsausschusses eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

(Unruhe)

Als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses erhält zunächst Herr Abg. Birzele das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der am 7. März 2002 vom Landtag eingesetzte Untersuchungsausschuss „FlowTex“ legt Ihnen heute seinen äußerst umfangreichen Abschlussbericht vor. Der Untersuchungsauftrag umfasst einen Geschehensablauf von rund 15 Jahren. In insgesamt 48 Sitzungen haben wir uns der Aufgabe gestellt, insbesondere drei Sachverhaltskomplexe aufzuklären.

Zum einen ging es um die Frage, wie es sich mit dem Raubüberfall im Jahr 1986 auf das Anwesen von Manfred Schmider verhalten hat und ob Herr Schmider diese Straftat nur vorgetäuscht und selbst initiiert hat.

Der zweite zentrale Punkt des Untersuchungsauftrags war die Frage, wie die zuständigen Finanzbehörden und die Strafverfolgungsorgane im Rahmen von Betriebsprüfungen und nach Aufdeckung des größten Betrugsskandals in der deutschen Wirtschaftsgeschichte der Nachkriegszeit den Fall FlowTex und die darin involvierten Personen um Manfred Schmider behandelt haben.

Der dritte und letzte Komplex des Untersuchungsauftrags betraf die Fragestellung, welche besonderen Kontakte und Verbindungen es von Mitgliedern der Landesregierungen seit 1991 mit den Beschuldigten der FlowTex-Verfahren gegeben hat. Bei dieser Beweiserhebung kam praktisch im Wege eines Zufallsfundes bei einer FlowTex-Tochterfirma die so genannte Umfrageaffäre ans Tageslicht. Wegen der Aufklärung dieser Umfrageaffäre hat sich die Arbeit des Untersuchungsausschusses in die Länge gezogen. Dieser Sachverhaltskomplex konnte nicht abschließend aufgeklärt werden, weil alle für den Untersuchungsausschuss hier relevanten Zeugen wegen verschiedener anhängiger Ermittlungsverfahren ein Auskunftsverweigerungsrecht gehabt und fast alle Zeugen davon auch Gebrauch gemacht haben.

Die Arbeit dieses Untersuchungsausschusses weist einige Rekorde auf. Sowohl der Umfang des Untersuchungsauftrags als auch der vorgelegte Untersuchungsausschussbericht sprengen alles bisher Dagewesene. Mit der Dauer von dreieinhalb Jahren hat der Untersuchungsausschuss im Vergleich zu allen bisherigen Untersuchungsausschüssen im Land am längsten gearbeitet. Die Kosten für den Landtag belaufen sich insgesamt auf etwas über 300 000 €.

Ohne der Bewertung der Fraktionen vorgreifen zu wollen, möchte ich vorab einige wenige Feststellungen treffen:

Zunächst muss festgehalten werden, dass sich alle Mitglieder des Untersuchungsausschusses aktiv an der Aufklärung beteiligt haben. Alle Beweisanträge sind einstimmig verabschiedet worden. Auch die Sachverhaltsfeststellungen erfolgten einstimmig. Die Arbeit dieses Untersuchungsausschusses ist somit beispielhaft für eine sachorientierte, von allen beteiligten Fraktionen unterstützte Aufklärungsarbeit.

Soweit irgend möglich, haben wir den Sachverhalt objektiv aufgeklärt. Wir haben keine unmittelbaren Einwirkungen oder Einflussnahmen von Mitgliedern der Landesregierung auf die Arbeit der Justiz oder der Steuerverwaltung festgestellt. Die Polizei hat außerordentlich engagiert, sorgfältig und gewissenhaft gearbeitet.

(Beifall des Abg. Braun SPD)

Es gab leider aber auch teilweise schwere Fehler im Bereich der Justiz und der Steuerverwaltung. Wenn diese vermieden worden wären, hätte dieses größte Wirtschaftsverbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik ganz oder teilweise verhindert werden können.

Die subjektive Seite der hauptsächlich beteiligten Bediensteten konnte im Wesentlichen nicht aufgeklärt werden, insbesondere deshalb, weil diese von dem ihnen zustehenden Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatten. Letztlich ungeklärt ist deshalb, ob die herausgehobene gesellschaftliche Stellung der Herren Schmider und Dr. Kleiser eine Rolle gespielt hat oder ob einzelne Bedienstete gar vorsätzlich gehandelt und damit die Straftaten der Herren Schmider und Dr. Kleiser unterstützt haben. Dies abzuklären wird Aufgabe der Justiz sein.

Unser Untersuchungsausschussgesetz hat sich im Wesentlichen bewährt. Dennoch sollte zu Beginn der nächsten Legislaturperiode überprüft werden, ob nicht die Möglichkeiten, einen ordnungsgemäßen Sitzungsablauf auch bei renitenten Zeugen zu gewährleisten, verbessert werden sollten.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die Kunst der Sitzungsleitung!)

Ferner sollte meines Erachtens geprüft und geregelt werden, in welchen Verfahren unterschiedliche Auffassungen der Fraktionen oder der Mitglieder des Untersuchungsausschusses über die Auslegung des Untersuchungsausschussgesetzes geklärt werden sollen. Das war kein Problem dieses Untersuchungsausschusses; das setze ich hinzu. Ich plädiere hier dafür, dem Staatsgerichtshof diese Aufgabe zu übertragen.

Abschließend danke ich allen Mitgliedern des Untersuchungsausschusses aus allen Fraktionen für die außerordentlich sachorientierte Arbeit.

Besonderer Dank gilt den Mitarbeitern des Untersuchungsausschusses, Frau Friedrich, die von der Justizverwaltung an den Landtag abgeordnet wurde, sowie den Herren Horch und Hirschberger, die uns von der Finanzverwaltung zur Verfügung gestellt wurden. Sie haben eine ausgezeichnete Arbeit geleistet!

Einen besonderen Dank sage ich auch an die Landtagsverwaltung, Herrn Dr. Hempfer sowie allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, insbesondere des Stenografischen Dienstes, für die Bewältigung der außerordentlich umfangreichen zusätzlichen Arbeit.

Ich hoffe und wünsche, dass Sie, meine Damen und Herren Kollegen, und die Öffentlichkeit die Arbeit des Untersuchungsausschusses anerkennen und den Untersuchungsausschussbericht sorgfältig zur Kenntnis nehmen oder ihn sogar als Weihnachtslektüre insgesamt durchlesen.

(Heiterkeit – Beifall bei der SPD sowie Abgeord- neten der CDU, der FDP/DVP und der Grünen)

In der Aussprache erteile ich Herrn Abg. Dr. Scheffold das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 19. März 2002, also vor dreidreiviertel Jahren, fand die erste Sitzung des FlowTexUntersuchungsausschusses statt. Dieser Ausschuss wird sicherlich in die Geschichte dieses Landtags eingehen. Es war der längste Untersuchungsausschuss, es war zugleich der umfangreichste Untersuchungsausschuss, und es war auch der teuerste Untersuchungsausschuss:

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

48 Sitzungen, 78 Beweisbeschlüsse, 114 vernommene Zeugen, 1 800 ausgewertete Akten, 1 154 Berichtsseiten, hohe Personalkosten und enorme Kosten für das Kopieren der Akten in fünffacher Ausfertigung.

(Abg. Gaßmann SPD: Und zwei Minister! – Zuruf des Abg. Schmid SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, umgekehrt kann man aber auch feststellen: Wir sind mit dieser enormen und umfangreichen Aufklärungsarbeit dem größten Wirtschaftskriminalitätsfall in der deutschen Nachkriegsgeschichte gerecht geworden.

Der zugrunde liegende Sachverhalt ist einfach und soll kurz dargestellt werden:

Von 1991 bis Februar 2000 verkauften Manfred Schmider und weitere Mittäter mehrere tausend nicht existente Bohrsysteme an Leasinggesellschaften und Banken. Die Folge war ein strafrechtlich relevanter Schaden von etwa 1,5 Milliarden DM.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, am 7. März 2002, als im Landtag über den Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses beraten wurde, war für die Opposition folgender Vorwurf ausschlaggebend – ich zitiere aus der damaligen Pressemitteilung vom 4. Januar 2002 –:

Entgegen allen Dementis der Landesregierung zeigen sich für die SPD-Landtagsfraktion im FlowTex-Skandal nun doch mehr und mehr „schützende Hände“.

In der „Heilbronner Stimme“ vom 10. Mai 2002 heißt es:

Ich habe von Anfang an mit „sizilianischen Verhältnissen“ gerechnet.

So Abg. Maurer.

(Heiterkeit der Abg. Veronika Netzhammer CDU – Abg. Zeller SPD: Wo ist der? – Abg. Blenke CDU: Den wollen sie eh nicht mehr hören!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es handelte sich um ungeheure Vorwürfe, die hier erhoben worden sind. Es wurde der Vorwurf von der „Bananenrepublik“ geäußert, der auch wörtlich einmal in dieser Weise fiel.

(Abg. Blenke CDU: Aber nicht nur von Herrn Maurer!)

Es wurde der Vorwurf erhoben, Mitglieder der Landesregierung oder Politiker des Landes seien käuflich, seien Spielbälle von Wirtschaftsunternehmen oder von Wirtschaftsbossen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was hat die umfangreiche Beweisaufnahme und Aktensichtung mit Blick auf diese „schützenden Hände“ nun ergeben?

(Abg. Hillebrand CDU: Nichts! – Zuruf des Abg. Blenke CDU)

Um gleich das wichtigste Ergebnis des Ausschusses vorwegzunehmen: Nichts, nichts, aber auch rein gar nichts.

(Abg. Hillebrand CDU: So ist es!)

Es fanden sich keinerlei belegbare Anhaltspunkte für eine Einflussnahme der Politik auf die handelnden und ermittelnden Beamten. Weder die Zeugenvernehmungen noch die Auswertungen der zahlreichen Akten erbrachten derartige Anhaltspunkte.

Übrigens, meine sehr verehrten Damen und Herren: Zu diesem Ergebnis kam nicht nur die CDU-Landtagsfraktion. Dazu kam auch die Landespolizeidirektion Karlsruhe in ihrem Abschlussbericht. Darin heißt es – ich zitiere –:

Im Verlauf des Strafprozesses gegen Manfred Schmider und Dr. Klaus Kleiser... wurden durch die Presse mehrfach Vorwürfe laut, sie hätten wegen politischer Einflussnahmen (schützende Hände) nicht ordnungsgemäß ermittelt bzw. geprüft.... Gerade die Abhandlung dieser vorerwähnten Punkte in Vernehmungen und Befragungen erfolgte... im Zusammenwirken mit Staatsanwalt Seiler von der Staatsanwaltschaft Mannheim. Dieser wird bestätigen können,

ich zitiere weiter wörtlich –