Ich zitiere die Regierungserklärung. Vom Innenminister, von dem Kollegen Rech, ist vor einiger Zeit vernünftigerweise
nach einiger Zeit des Einsatzes in der Praxis einer Überarbeitung unterziehen wird. Das ist angekündigt. Es ist Offenheit für konstruktive Vorschläge signalisiert worden. Es ist doch eigentlich richtig, mit dem Leitfaden erst einmal in der Praxis zu arbeiten und die Rückläufe zu sammeln und sich dann noch einmal anzuschauen, ob die Gestaltung optimal ist oder ob man das weiterentwickeln sollte.
Wenn es in kurzer Zeit zu dieser Debatte über die Schlüsse, die zu ziehen sind, kommt, wird uns die Praxis sicher zu bestimmten Fragen, über die man diskutieren kann, einiges sagen. Ich habe in diese Diskussion auch eingegriffen. Wenn wir an die Überarbeitung herangehen, dann sage ich Ihnen Folgendes: Gerade hat uns Frau Necla Kelek in der „Welt“ vom 30. Januar 2006 eine bestimmte Richtung vorgegeben. Sie wurde auch vom Justizministerium schon öfter konsultiert und vorhin vom Kollegen Rech zitiert. Es ist interessant, dass Frau Kelek sagt – ich zitiere aus der „Welt“ vom 30. Januar –:
Ich bin bei der Konzeption des Fragebogens ja konsultiert worden. Ich finde es grundsätzlich richtig, Fragen zu stellen, aber ich hätte andere gestellt,
zum Beispiel: Warum wollen Sie Deutscher werden? Auf diese schlichte Frage kriegen Sie keine Antwort, weil die meisten da nur ganz pragmatische Gründe haben. Ich finde das enttäuschend. Ich hätte angenommen, jemand entscheidet sich bewusst dafür, Bürger eines bestimmten Landes zu werden, weil er dieses Land liebt oder achtet.
Wir sollten in dem Gespräch, das natürlich zu führen ist, nach dieser bewussten Entscheidung und den Gründen dafür fragen. In diese Richtung sollten die Änderungen gehen, wenn eine Überarbeitung ansteht.
(Abg. Kretschmann GRÜNE: Selbst ein Bundes- präsident hat gesagt, dass er seine Frau liebt, nicht sein Land! – Glocke des Präsidenten)
Herr Justizminister, es haben sich inzwischen mehrere Fragen ergeben. Sind Sie in die Erstellung dieses Fragenkatalogs mit einbezogen worden, und, wenn ja, wie stehen Sie zu folgender Frage?: „Ihre Tochter bewirbt sich um eine Stelle in Deutschland. Sie bekommt jedoch ein ablehnendes Schreiben. Später erfahren Sie, dass eine Schwarzafrikanerin aus Somalia“ – ich weise darauf hin: Schwarzafrikanerin aus Somalia; da sollten Sie einmal im Geografiebuch nachschauen – „die Stelle bekommt. Wie verhalten Sie sich?“ Wie stehen Sie zu dieser Frage?
Er hatte gesagt: „Wir haben Rat eingeholt.“ Wenn Sie Rat eingeholt haben, warum haben Sie ihn dann nicht befolgt? Von verschiedenen Menschen sind Sie darauf hingewiesen worden, dass dieser Fragenkatalog für die Praxis nicht geeignet ist. Warum sind Sie diesem Rat nicht gefolgt?
Es tut mir Leid, ich muss Sie auch noch einmal auf die Pressemitteilung des Innenministeriums vom 14. Dezember 2005 hinweisen. Da steht drin, dass diese Fragen an die Einbürgerungswilligen aus den 57 islamischen Staaten sowie an diejenigen, von denen man weiß, dass sie islamischen Glaubens sind, und zusätzlich an diejenigen, bei denen Zweifel bestehen, zu stellen sind. Sieht das jetzt anders aus, oder wie können wir das jetzt hier verstehen?
Ihre Fragen sind natürlich teilweise rhetorischer Natur. Ich diskutiere auf dem neuesten Stand der Diskussion und auf dem Stand der Regierungserklärung, die wir gerade eben gehört haben. Das ist das Erste.
(Abg. Drexler SPD: Das widerspricht sich doch gar nicht! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das gefällt de- nen aber nicht!)
Zweitens: Es ist aus der Presse hinlänglich bekannt, dass ich an der Erarbeitung des Leitfadens, der eine interne
(Abg. Braun SPD: Als Ausländerbeauftragter! – Abg. Kretschmann GRÜNE: Aber Sie sind doch Ausländerbeauftragter!)
Drittens sage ich jetzt noch einmal: Wir können ja durchaus über die eine oder andere Frage diskutieren, aber ich vermisse ein bisschen die konstruktive Richtung. Denn der Streitwert ist begrenzt. Wenn Sie nach meiner Meinung fragen: Ich würde beispielsweise die paar Fragen zur Homosexualität herausnehmen,
(Abg. Fischer SPD: Also raus! – Abg. Fleischer CDU: Warum denn? Das Zeichen von Liberalität muss doch abgefragt werden!)
und ich würde sicher die eine oder andere Frage auch umformulieren. Aber für mich ist wesentlich wichtiger, und das möchte ich Ihnen ganz deutlich zurufen: Mit der Art des Vorgehens, dass man versucht, bestimmte Themen anzusprechen, dass man den Beamten eine Handreichung gibt, wie sie den Betreffenden in ein Gespräch verwickeln und ihm ein bisschen auf den Zahn fühlen können, damit bin ich völlig einverstanden. Lassen Sie uns doch darüber diskutieren, welche Fragen Ihnen passen würden. Machen Sie Vorschläge, welche Fragen Sie herausnehmen würden.
Aber diskutieren Sie nicht über den Leitfaden von Flensburg bis Konstanz, als ob der eine vernünftige Einbürgerungspolitik verhindern würde.
Zu einer vernünftigen Einbürgerungspolitik gehört eine Befragung, und dafür kann ein Leitfaden hilfreich sein. Also lassen Sie uns in der Zukunft konstruktiv darüber diskutieren, wie der Leitfaden auszusehen hat.
Herr Minister Goll, Sie haben gesagt: Nur wenn sich Zweifel ergeben, wird der Fragebogen angewandt. Jetzt wollen wir noch einmal wissen: Worin begründen sich diese Zweifel? Sind das Zweifel, die sich aus Anfragen beim Verfassungsschutz ergeben? Wird also gefragt, wenn Tatsachen vorliegen? Oder wird allgemein bei einer bestimmten Gruppe gefragt, zum Beispiel bei Einwanderern aus bestimmten Staaten? Wann ergeben sich die Zweifel? Das wissen wir nach dieser Debatte und auch von Ihnen immer noch nicht.
Da muss man sich die Praxis einer Verwaltung vorstellen. Es kann ein Bewerber kommen, über den ich sehr viel weiß aus den Unterlagen, durch sein langes Hiersein, durch seine Verwandtschaft, durch den Integrationsgrad. Und es gibt manche, bei denen zwar die formalen Voraussetzungen erfüllt sind, von denen ich aber im
Einzelnen weniger weiß. Oder ich weiß vielleicht, dass er sich in ein paar Vereinen betätigt hat, bei denen ich denke: Da bin ich jetzt nicht sicher, wie die einzustufen sind. Dann fange ich an zu fragen. Ich glaube, auch das ist in der Praxis keine unüberwindliche Hürde. Deswegen kommt mir manches ein bisschen an den Haaren herbeigezogen und sehr theoretisch vor.
(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das heißt also – darf ich noch mal nachfragen? –, es ist falsch, dass bei allen, die aus bestimmten Ländern kommen, näm- lich aus muslimischen Ländern, generell Zweifel bestehen und dass die alle befragt werden? Ist das falsch? – Abg. Drexler SPD: Alle werden befragt!)
dass nach Auskunft beider, die wir gehört haben, der Fragebogen für alle in Betracht kommt, wenn im Einzelfall Zweifel bestehen. Rein faktisch kann es natürlich in der Tat sein – das ist gesagt worden –, dass bei 60 % Einbürgerungsbewerber mit muslimischem Hintergrund Muslime öfter gefragt werden. Rein faktisch kann das sein, aber der Ansatz ist geklärt.