Protokoll der Sitzung vom 02.02.2006

unsere Bundesratsinitiative hin wurde in der Werkstättenverordnung eine Ermächtigung geschaffen, dass wir durch Landesrecht den örtlichen Sozialhilfeträger für zuständig erklären können.

In diesem Zusammenhang möchte ich aber noch ein Detail ansprechen, weil das vor Ort immer wieder vorgetragen wird. Ich habe bereits gesagt, dass für die Hilfegewährung der Sozialhilfeträger des Ortes zuständig ist, in dem der behinderte Mensch wohnt bzw. wohnte, bevor er in ein Heim aufgenommen wurde. Bei diesem so genannten Herkunftskreis kann es sich natürlich um einen ganz anderen Kreis handeln als der Kreis, in dem die Werkstatt liegt. Deshalb hat der Städtetag gefordert, dass der für die Hilfegewährung zuständige Herkunftskreis auch im Fachausschuss mitwirken soll. Das ist konsequent. Gleichwohl sieht der Gesetzentwurf vor, dass im Fachausschuss der Kreis mitzuwirken hat, in dem die Werkstatt ihren Sitz hat.

Wir wollen eine Regelung treffen, die möglichst unbürokratisch ist, wie es ja auch das Ziel der Verwaltungsreform ist. Das Problem ist, die beiden Zielsetzungen unter einen Hut zu bekommen. Die Werkstätten für behinderte Menschen müssen wissen, an wen sie sich wenden können, und dafür brauchen wir eine klare Regelung. Alles andere wäre kontraproduktiv. Um aber auch dem Anliegen des Städtetags Rechnung zu tragen, sollen die Stadt- bzw. Landkreise vereinbaren können, dass auch der so genannte Herkunftskreis im Fachausschuss mitwirkt.

In vielen Fällen ist dies eigentlich ganz einfach zu handhaben. Es ist auch sinnvoll; denn sehr oft liegt eine solche Werkstatt ja an einer Gemarkungsgrenze und wird auch von vielen im Nachbarkreis wohnhaften behinderten Menschen besucht, sodass keine unüberwindbaren Distanzen entstehen und auch der benachbarte Herkunftskreis im Fachausschuss vertreten sein kann. Das kann der betroffene Kreis regeln.

Damit, denke ich, ist eine sinnvolle Regelung geschaffen, die auch dem Geist der Verwaltungsreform entspricht und zusätzliche Bürokratie vermeiden hilft. Es ist eine pragmatische Lösung für die Einrichtungen, die einen überregionalen Einzugsbereich haben.

Nun noch zum Gesetz zur Änderung des Jugend- und Sozialverbandsgesetzes: Ziel der Änderung dieses Gesetzes ist eine Ermächtigung, aufgrund derer das Land den Kommunalverband für Jugend und Soziales, den KVJS, mit der Durchführung bzw. Abwicklung von Landesförderprogrammen beauftragen kann. Voraussetzung hierfür ist, dass die Landesförderprogramme im Zusammenhang mit den Aufgaben des KVJS stehen und dieser der Übertragung dann auch zustimmt.

Die vorgesehene Regelung geht auf einen Vorstoß des Landkreistags zurück. Dieser hat angeregt, künftig den KVJS mit der Durchführung der Landesprogramme zur Förderung von Investitionen in Bereichen der Behindertenhilfe, der Gefährdetenhilfe und der außerklinischen Psychiatrie, einschließlich der Suchtkrankenhilfe, zu beauftragen. Wir möchten als Landesregierung diesem Wunsch entsprechen.

Der KVJS hat in diesen Bereichen die Aufgabe, die örtlichen Träger zu beraten und zu unterstützen. In der Behin

(Staatssekretärin Johanna Lichy)

dertenhilfe ist er bereits als Integrationsamt für die Investitionsförderung aus Mitteln der Ausgleichsabgabe zuständig. Ferner fördert er auch die Investitionen in Behinderteneinrichtungen aus den kommunalen Mitteln. Wenn wir die Zuständigkeit für die Landesförderprogramme jetzt an den KVJS übertragen, wird die Investitionsförderung bei ihm gebündelt. Das führt auch zu einer schnelleren und einfacheren Handhabung. Vorhabensträger erhalten dann im KVJS einen zentralen Ansprechpartner, sodass nicht alle anderen auch noch in diesen Prozess implementiert werden müssen.

Ich denke, wir sind damit auf einem guten Weg. Wir geben als Land jedoch die Feder nicht aus der Hand, sondern haben uns, auch für die Förderung aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe, ein Weisungsrecht vorbehalten. Wir werden auch weiterhin eine maßgebliche und steuernde Rolle bei den Entscheidungen über die Weiterentwicklung und den Ausbau der Hilfesysteme haben.

Zwar haben wir hier im Land bereits ein dichtes Netz von Behinderteneinrichtungen geschaffen, die Zahl der behinderten Menschen wird jedoch weiterhin steigen, und daher ist natürlich ein weiterer Ausbau dieses Netzes erforderlich. Deswegen brauchen wir hier den Dialog mit der freien Wohlfahrtspflege. Natürlich müssen auch die Erkenntnisse der Wissenschaft berücksichtigt werden.

Sie sehen, Ziel dieser Maßnahmen ist eine bürgernahe und effiziente Verwaltung. Wir möchten auch in diesem Bereich erreichen, dass die Bürgerinnen und Bürger möglichst vor Ort aus einer Hand ihre Angelegenheiten regeln können. Deswegen sollen diese Entscheidungen vor Ort getroffen werden.

Ich bitte Sie deshalb, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, damit wir dieses Vorhaben noch auf den Weg bringen können.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, Sie stimmen der Überweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, Drucksache 13/5059, zur weiteren Beratung an den Sozialausschuss zu. –

(Abg. Fleischer CDU: Aber sicher!)

Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.

Damit ist Punkt 8 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

a) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Privatschulgesetzes und des Landesbesoldungsgesetzes – Drucksache 13/5062

b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Novellierung des Privatschulgesetzes – Drucksache 13/3165

c) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Novellierung des Privatschulgesetzes – Drucksache 13/3706

d) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Tatsächliche Kosten eines Schülers in Baden-Württemberg – Drucksache 13/3836

e) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Erneute Kürzungen bei den Schulen in freier Trägerschaft – Drucksache 13/4457

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu den Anträgen unter den Buchstaben b bis e nach der Begründung des Gesetzentwurfs durch die Landesregierung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, gestaffelt.

Das Wort erteile ich Herrn Minister Rau.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Privatschulgesetzes enthält die Umsetzung des so genannten Bruttokostenmodells. Dieses Modell wurde von einer interfraktionellen Arbeitsgruppe aus Vertretern der CDU und der FDP/DVP entwickelt, der auch Privatschulvertreter angehörten.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Und die Ministe- rien!)

Damit wird gleichzeitig ein bei den Privatschulen seit langem vorhandenes und dringend eingefordertes Anliegen umgesetzt.

Das komplexe Berechnungssystem des Bruttokostenmodells wird hiermit zukünftig im Privatschulgesetz festgelegt. Die Kosten eines Schülers an einer öffentlichen Schule werden künftig auf der Basis des Bruttokostenmodells ermittelt. Es löst damit das bisherige Berechnungsmodell ab, das – darauf möchte ich noch einmal hinweisen – von der Rechtsprechung akzeptiert war.

Die Privatschulverbände haben im Rahmen des Anhörungsverfahrens die Einführung des Bruttokostenmodells begrüßt. Die Verbände haben aber auch, was ich verstehen kann, bedauert, dass im Gesetzentwurf noch keine Erhöhung der Zuschüsse und auch kein Stufenplan ohne Haushaltsvorbehalt vorgesehen ist. Dies muss einem künftigen Landesparlament vorbehalten bleiben.

In der nächsten Legislaturperiode ist eine stufenweise Anhebung der Zuschüsse zur Verbesserung der Kostendeckungsgrade der so genannten Kopfsatzschulen angestrebt.

Der Gesetzentwurf sieht weiter vor, dem Landtag in diesem Jahr rechtzeitig zu den Beratungen des Doppelhaushalts 2007/08 und zukünftig alle drei Jahre Berechnungen über den aktuellen Kostendeckungsgrad vorzulegen. Bislang wurde für den Landtag einmal pro Legislaturperiode ein so genannter Landtagsbericht erstellt. Damit liegen dem Landtag künftig in kürzeren Abständen Informationen vor, die Grundlage für die Entscheidung über eine eventuelle Erhöhung der Zuschüsse vor dem Hintergrund der aktuellen Haushaltssituation sein können. Es bleibt also in vollem Umfang beim Entscheidungsrecht des Landtags.

(Minister Rau)

In der Debatte über die Privatschulfinanzierung ist es wie bei der PISA-Debatte: Die guten Nachrichten werden eher verschwiegen, während die schlechten eher breitgetreten werden.

Ich will deswegen in diesem Zusammenhang heute ausdrücklich noch einmal an die Novelle zum Privatschulgesetz aus dem Jahr 2004 erinnern, mit der wir ab dem 1. November 2004 die Zuschüsse bei allen Schularten, die bisher unter einem Kostendeckungsgrad von 70 % lagen, diesen Kostendeckungsgrad angehoben haben. Dies bedeutete eine Anhebung der Zuschüsse bei den beruflichen Schulen um bis zu 24 %.

Zurückgeführt wurden dagegen die Zuschüsse an die Schulen, die einen Kostendeckungsgrad von deutlich über 80 %, nämlich 83,4 %, aufwiesen. Sie kommen jetzt nach dem bisherigen Berechnungsmodell auf 80,7 %.

Die Novelle 2004 hat die Möglichkeiten geschaffen, die Zuschüsse an die anderen Schulen, insbesondere die beruflichen Schulen, bis zu einem Kostendeckungsgrad von 70 % anzuheben. Damit haben wir einen wichtigen Schritt zur gebotenen Annäherung der Kostendeckungsgrade zwischen den Schulen getan.

Ich möchte nochmals betonen, dass die Einführung des Bruttokostenmodells in das Privatschulgesetz das zentrale Element des Gesetzentwurfs ist. Sie ist ein Schritt, der für die weitere Entwicklung der Bezuschussung der Privatschulen von großer politischer Bedeutung ist.

Auf die anderen enthaltenen Änderungen, die teilweise klarstellende Funktionen haben, teilweise Ordnungswidrigkeiten konkretisieren, will ich nicht näher eingehen. Wir werden das sicher im Ausschuss besprechen. Für diese Änderungen waren ordnungspolitische Aspekte maßgeblich.

Dies gilt auch für Landesbesoldungsordnung. Hier wurde die 2003 vorgenommene Umstrukturierung der Fachseminare nun hinsichtlich der Personalstruktur kostenneutral nachvollzogen.

Das gilt auch für die Änderung von § 19 des Privatschulgesetzes. Um zu vermeiden, dass dem Land künftig zusätzliche hohe Versorgungskosten entstehen und es zu Doppelbezuschussungen kommt, ist die bereits in der Vergangenheit diskutierte Änderung des § 19 des Privatschulgesetzes zwingend erforderlich. Die bisherigen Fördermöglichkeiten von Versorgungsaufwendungen sollen nun für alle privaten Schulträger begrenzt werden. Dies ist vertretbar, da Versorgungsaufwendungen für Lehrkräfte bereits bei den Zuschüssen für den laufenden Schulbetrieb dem Grunde nach berücksichtigt sind und insoweit bisher eine Doppelförderung erfolgte. Durch eine Besitzstandsregelung ist sichergestellt, dass kein privater Schulträger für bereits begründete Versorgungszusagen zusätzlich finanziell belastet wird.

Insgesamt handelt es sich um einen wichtigen Gesetzentwurf, weil er das zentrale Anliegen der Privatschulen aus den vergangenen Jahren aufnimmt und positiv beantwortet.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig!)

Wir können zufrieden sein, dass dieser Schritt jetzt möglich gemacht wurde. Wir können auch sehr zufrieden sein mit der Entwicklung der Privatschullandschaft in Baden-Württemberg.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Wir haben von den Privatschulen in den vergangenen Jahren einen wichtigen Beitrag zur Szene der Schulentwicklung in unserem Land erhalten. Ich erwarte das auch für die Zukunft. Die Privatschulen in Baden-Württemberg sind keine Schulen für eine besondere Gesellschaft, sondern sie sind ein zusätzliches Bildungsangebot in einem breit gefächerten Bildungswesen.

Vor einiger Zeit war der damalige britische Schatten-Kultusminister und heutige Spitzenmann der Tories, David Cameron, bei mir. Er hat das größte Interesse dafür aufgebracht, wie das öffentliche und das private Schulwesen bei uns miteinander verknüpft sind. Er hat davon gesprochen, dass im englischen Schulsystem zwischen dem öffentlichen Schulwesen und dem Privatschulwesen eine „Berlin Wall“ existiere

(Zuruf von der SPD: Hoi!)

und dass es eine der wichtigsten Aufgaben der Bildungspolitik sein werde, diese niederzureißen. Ich möchte ausdrücklich feststellen: Bei uns sind öffentliche und private Schulen für alle da, und wir garantieren die finanziellen Grundlagen dafür. Das ist gut so.