Protokoll der Sitzung vom 21.02.2006

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja! Richtig!)

Der Staatsgerichtshof hat gesagt – ich zitiere aus dem 4. Leitsatz –:

Eines von mehreren möglichen Verfahren... verstößt dann gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Wahlrechtsgleichheit, wenn es gegenüber anderen Verfahren bei allen real in Betracht kommenden Wahlergebnissen für jede Partei zu ungenaueren Mandatszahlen – gemessen an den Stimmprozentsätzen auf Landesebene – führt.

Bei den Wahlen von 1992, 1996 und 2001 ist es eindeutig, dass die Ergebnisse ungerecht waren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Deshalb müssen wir drei Konsequenzen ziehen:

Wir müssen erstens ein besseres Berechnungsverfahren schaffen. Das jetzt von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagene Verfahren ist besser als das bisherige Höchstzahlverfahren. Dies gilt zumindest bei kleineren Zahlen; bei großen Zahlen spielt es überhaupt keine Rolle, wie die Ergebnisse gezeigt haben. Es wäre sinnvoll gewesen, auch andere Vorschläge wie die des Mathematikers Fengler einzubeziehen.

Zweitens brauchen wir – das ist der entscheidende Punkt – die Berechnung der Ausgleichsmandate auf Landesebene, nicht auf Ebene der Regierungsbezirke. Das wollen wir mit unseren Vorschlägen im Änderungsantrag Drucksache 13/5183 zur Neufassung des § 2 Abs. 2 bis 6 erreichen.

Wir brauchen drittens ein sofortiges Inkrafttreten. Das ist verfassungsrechtlich geboten.

(Abg. Fischer SPD: Ja!)

Das ist nicht nur zulässig, sondern verfassungsrechtlich geboten und hat mit der Nominierung der Kandidaten gar nichts zu tun.

Ich will Ihnen einmal ein Beispiel nennen, das Sie vielleicht vergessen haben. Nachdem die Kommunalwahl vorüber war – fünf Monate danach –, haben Sie Voraussetzungen, unter denen Menschen kandidiert haben, nämlich die Hinderungsgründe, verändert. Sie haben also nicht nur während des Spiels, sondern sogar noch nach dem Spiel die Spielregeln geändert, um zu erreichen, dass einige CDU-Mandatsträger

(Abg. Fischer SPD: Nachrücken können!)

weiterhin im Kreistag bleiben konnten, aus dem sie sonst aufgrund der Verwaltungsstrukturreform hätten ausscheiden müssen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Herr- mann CDU: Das hat doch mit der Verwaltungsre- form nichts zu tun! – Abg. Mack CDU: Das ist eine ganz andere Sache! Das war eine zwingende Kon- sequenz! – Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, das zeigt, wie Sie vorgehen: Immer dann, wenn es Ihnen nützt, sind Sie bereit, alles Mögliche zu machen. Es ist eine Frage der Wahlgerechtigkeit, dieses System jetzt für die bevorstehende Landtagswahl zu ändern.

(Beifall bei der SPD)

Das hat mit Kandidatenaufstellungen oder Ähnlichem überhaupt nichts zu tun.

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Deshalb, meine Kolleginnen und Kollegen, unsere Vorschläge in dem Änderungsantrag. Ich bitte Sie, dem zuzustimmen. Insbesondere will ich der FDP/DVP sagen: Jetzt haben Sie die Möglichkeit, durch Ihre Stimmen mit dazu beizutragen, dass dieses Gesetz wirksam in Kraft treten kann. Ob Sie diese Möglichkeit auch in der nächsten Legislaturperiode noch haben, wage ich zu bezweifeln.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grü- nen – Abg. Dr. Scheffold CDU: Für sich selber hat er schon jede Hoffnung aufgegeben!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kleinmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Birzele, ich freue mich über Ihre seelsorgerlichen Bemühungen um die FDP/DVP, was die Landtagswahl betrifft. Ich bin immer dankbar für jede Hilfe. Sie brauchen aber keine Sorge zu haben: Die FDP/DVP wird auch im nächsten Landtag wieder vertreten sein.

(Abg. Birzele SPD: Ich nehme nicht an, dass Sie nicht mehr vertreten sind! Es geht darum, ob Sie die Mehrheit herstellen können!)

Meine Damen und Herren, wir sind uns völlig einig, dass das bisher nach d’Hondt praktizierte Auszähl- und Berechnungsverfahren eklatante Ungerechtigkeiten mit sich brachte und dass es deshalb geändert werden muss.

Herr Kollege Fischer, Sie haben vorhin erwähnt, dass auch die SPD schon lange gefordert habe, dieses Verfahren zu ändern. Gleichwohl haben wir lange das System Hare/Niemeyer gefordert.

(Abg. Fischer SPD: Ach!)

Nicht „Ach!“, sondern so war es.

(Abg. Fischer SPD: Das weiß ich!)

Na also. Wenn Sie das wissen, brauchen Sie auch nicht „Ach!“ zu sagen.

(Zurufe von der SPD und des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Erst vor kurzem sind wir auf das unseres Erachtens noch bessere Auszähl- und Berechnungsverfahren Sainte-Laguë/ Schepers gekommen.

(Abg. Birzele SPD: Aber das ist nachteiliger für Sie!)

Ich wundere mich, warum man die ganze Sache jetzt derart herunterreden möchte, wenn man sich im Grunde einig ist, dass es sinnvoll ist, das Auszähl- und Berechnungsverfahren entsprechend zu ändern.

Meine Damen und Herren, man kann natürlich jetzt wie Sie, Herr Birzele, fragen: Warum nicht gleich für die jetzige Wahl? Die Gründe sind von Herrn Kollegen Mack und von mir bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs schon vorgetragen worden.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Ich sage noch einmal: Die Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten hat stattgefunden. Für mich ist entscheidend, dass das Verfahren jetzt überhaupt geändert wird und dass wir damit einen entscheidenden Schritt weitergekommen sind.

Meine Damen und Herren, mit dem Ziel, die Benachteiligung kleiner Parteien durch das Verfahren nach d’Hondt zu vermeiden, wurde von dem Physiker Hans Schepers eine Modifikation entwickelt. Schepers, seinerzeit als Leiter der Gruppe Datenverarbeitung im Deutschen Bundestag tätig, schlug sein Verfahren dem Bundestag vor, und dieser wendet es seit der 8. Wahlperiode zur Ermittlung der Zugriffsreihenfolge für die Ausschussvorsitzenden und seit der 9. Wahlperiode auch für die Besetzung der Ausschüsse an.

Schepers entwickelte seine Vorstellungen in der Formulierung der Rangmaßzahlen. Es zeigte sich, dass sein Vorschlag zu identischen Ergebnissen führte wie das im Jahr 1912 von dem Franzosen André Sainte-Laguë entworfene Verfahren, das in Termini die Höchstzahldarstellung formuliert. Beide Betrachtungsweisen sind also identisch.

Der Übergang – um auch gleich noch zu erläutern, wie es geht – von der Division nacheinander durch die Zahlen 1, 2, 3 usw. wie bei d’Hondt zur Division nur durch die ungeraden Zahlen bei Sainte-Laguë/Schepers ist Ausdruck dafür, dass die Voraussetzungen für die Zugriffe der Parteien reduziert werden, wodurch die beim Verfahren nach d’Hondt entstehende Zurücksetzung kleinerer Parteien beim Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers aufgehoben wird.

Grundsätzlich geht es – es ist auch meinem Fraktionsvorsitzenden immer wichtig, das zu betonen – um die Optimierung der Erfolgswertgleichheit der Stimmen –

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das ist es! Es geht nicht um die Parteien, sondern um den Wert der Stim- men!)

da sind wir uns ja sicherlich einig –, damit Stimmen für eine kleine Partei oder für Kandidatinnen und Kandidaten kleiner Parteien nicht weniger wert sind

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Genau!)

als Stimmen für Kandidatinnen und Kandidaten einer großen Partei.

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Abg. Birze- le SPD: Und deshalb warten Sie bis 2011?)

Wir warten bis 2011; das ist richtig. Entschuldigen Sie, Sie waren doch von 1992 bis 1996 in der Regierung. Was haben Sie denn damals fertig gebracht? Nichts, nichts und noch mal nichts.

(Abg. Teßmer SPD: Oh, sehr viel! Da waren Sie noch gar nicht da!)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie daher, dem Gesetzesänderungsvorschlag von CDU und FDP/DVP zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Boris Palmer.