Protokoll der Sitzung vom 15.11.2001

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU – Bei- fall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Salomon GRÜ- NE: Das war jetzt aber ein Kreisklassenargument!)

Glauben Sie nur nicht, dass ich das politische Neutrum bin, das nicht auch polemisieren könnte. Aber das betrachte ich

nicht als meine erste Aufgabe im Unterschied zu dem Rollenverständnis, das Sie selber haben.

(Abg. Drexler SPD: Sie sollen etwas tun! Sie sol- len den Laden in Ordnung bringen, aber das ma- chen Sie nicht! Sie machen nichts! Sagen Sie ein- mal etwas über Ihre Abteilung! Sie reden nur über andere! Andere sind schuld! Sie haben einen Heili- genschein!)

Herr Drexler, für Sie gilt dasselbe.

(Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Sie ha- ben einen Heiligenschein! So etwas Borniertes! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Geben Sie doch Ihre Rede zu Protokoll, und lassen Sie uns zum Mittag- essen gehen! Sie wollen ja keine Diskussion!)

Jetzt haben wir bei der Neukonzeption der Gutachtertätigkeit ein Problem.

(Abg. Drexler SPD: Sie sollen etwas tun! Die Gut- achter haben falsche Gutachten gemacht! Sie sol- len etwas tun!)

Jetzt maulen Sie nicht herum. Wenn Sie nicht zuhören wollen, gehen Sie hinaus, und lassen Sie mich in Ruhe reden. Einverstanden?

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Machen Sie endlich etwas, und reden Sie nicht!)

Wir sind hier nicht im Hinterzimmer von Esslingen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Drexler SPD: Wir brauchen keine Schwätzer von der Atomaufsicht!)

Jetzt beschreibe ich Ihnen ein Problem.

(Abg. Schmid SPD: Sie sollen nicht beschreiben, Sie sollen etwas tun! – Abg. Dr. Salomon GRÜ- NE: Sie sollen hier politisch argumentieren und nicht Probleme beschreiben!)

Wenn wir mehr Pluralismus in die Gutachtertätigkeit hineinbekommen, dann werden wir zu gleicher Zeit ein Schnittstellenproblem und ein Kompetenzproblem bekommen.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Ich glaube, das Kom- petenzproblem besteht schon länger!)

Darüber muss man sich im Klaren sein. Bei all den Fragen, die ich jetzt angesprochen habe, haben Herr Trittin und Herr Hahn gesagt: Jawohl, das sind Fragen, mit denen wir uns auch bundesweit zu befassen haben werden.

(Abg. Drexler SPD: Sehr schön!)

Die haben ein bisschen mehr Einsicht als Sie. Das ist der Unterschied.

Jetzt will ich noch auf den dritten Punkt zu sprechen kommen, nämlich zu der Frage: Was geschieht eigentlich im Bundesmaßstab? Was geschieht auf Bundesebene, und wo stehen wir im Vergleich der einzelnen Bundesländer?

(Minister Müller)

(Abg. Schmid SPD: Was geschieht bei Ihnen? – Abg. Drexler SPD: Was geschieht eigentlich in Ih- rem Ministerium? – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Jetzt macht er ein viertelstündiges Ranking der Bundesländer!)

Jetzt will ich im Einzelnen gar nicht sagen, welche Ereignisse wir in anderen Kernkraftwerken noch vorfinden werden. Ich möchte mich da heraushalten, weil ich gar nicht den Eindruck erwecken möchte, als ob ich ein Interesse daran hätte, zu behaupten, dass möglichst viel in anderen Ländern passiert sei. Aber auf eines, glaube ich, muss man schon Wert legen: Wenn jetzt untersucht wird, was in den einzelnen Kraftwerken geschieht, dann sollte man gleiche Maßstäbe anlegen, damit die Story, wonach in schwarzgelb regierten Ländern etwas anderes geschehe als in rotgrün regierten Ländern, beendet wird.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann Ihnen sagen: Da herrscht eine merkwürdige Ruhe an der Front.

(Abg. Reichardt CDU: Die großen Schweiger!)

Ich bin schon daran interessiert, dass wir – nicht zu unserer Entlastung – zu einer gleichen Bewertung kommen – nur darum geht es – und dann auch mit gleichen Maßstäben messen.

Jetzt stellen wir fest, dass im Übrigen auch der Bund nur am Fall lernt. Ich würde ja in Sack und Asche gehen, wenn der Bund uns in den letzten Jahren, seit es diesen neuen Bund gibt

(Abg. Fischer SPD: Was heißt denn „der neue Bund“? – Zuruf des Abg. Dr. Salomon GRÜNE)

die neue Bundesregierung; Sie wissen, was ich meine;

(Abg. Fischer SPD: Ah ja! – Abg. Knapp SPD: Dann muss man das auch so sagen!)

ich weiß nicht, wie lange sie noch im Amt ist; aber das ist eine andere Frage –,

(Zurufe von der SPD und des Abg. Dr. Salomon GRÜNE)

auf bestimmte Probleme, mit denen wir jetzt zu tun haben, hingewiesen hätte und wir darauf nicht reagiert hätten. Dann würde ich in Sack und Asche gehen. Aber was tut der Bund? Er lernt genauso wie wir am konkreten Fall. Es war nicht so, dass er die Dinge konzeptionell vorhergesehen hätte und uns in irgendeiner Weise beauftragt, gewarnt oder was auch immer getan hätte, sondern er lernt ganz genauso am konkreten Fall.

Jetzt komme ich noch einmal auf das Protokoll zurück, das der Bund aus gewissen Gründen produziert und auch publiziert hat. Das ist ja alles Politik. Ich gehe darauf nicht ein. In diesem Protokoll steht übrigens ein bemerkenswerter Satz: Der Bund verfügte in Sachen KKP II über denselben Kenntnisstand wie wir, und er kam zu keiner anderen Beurteilung. Aus dem Protokoll ergibt sich, dass ihm durch

einen Hinweis von außen die Augen geöffnet worden sind. Verstehen Sie jetzt: Wir sind sozusagen die Atomfreunde, die mit Blindheit geschlagen sind,

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Weil er es nicht sel- ber kontrolliert! Das ist doch der Punkt! Das kon- trolliert er nicht selber!)

und dann gibt es den hehren Bund, der atomkritisch ist und der alles kapiert. Es war gerade anders: Die Tipps kamen von außen, und das hat den Bund zu den Erkenntnissen geführt, die wir dann miteinander – –

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das habe ich doch gesagt!)

Ja, ja. Ich wollte das nur einmal feststellen. Sie haben nämlich gesagt, das würde beim Bund keine Rolle spielen. Also stelle ich zunächst einmal das fest: Auch auf Bundesebene sind hier Konsequenzen zu ziehen, und wir sind in gewisser Weise unfreiwillig der Spürhund für eine ganze Reihe von Fragen, die sich stellen.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Spürhund? Blinden- hund! – Gegenruf des Abg. Göschel SPD: Nein! Der Blindenhund sieht ja etwas! Der blinde Hund!)

Ich nenne Ihnen einmal die Fragen, die auf Bundesebene zu stellen sein werden. Erstens: Wie schaut es mit den Flutbehältern in anderen Kernkraftwerken aus? Zweitens geht es um das Thema „Harmonisierung der Betriebshandbücher“. Drittens: Wie ist es in dem Dreiecksverhältnis zwischen Aufsicht, Betreiber und Gutachter? Viertens: Wie gehen wir in Zukunft mit den meldepflichtigen Ereignissen um? Auch da gibt es ja Handlungsbedarf. Und fünftens geht es um das generelle Thema „Sicherheitskultur und Sicherheitsmanagement“.

(Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

In all diesen Fragen werden wir miteinander gefordert sein, Bund und Land.

Wenn ich jetzt unsere Aufsicht – jetzt meine ich unser Ministerium – mit der Aufsicht der übrigen Bundesländer vergleiche und sie einordne, dann möchte ich sagen: Gerade bei der periodischen Sicherheitsüberprüfung sind wir in der Bundesrepublik führend, was die Konzeption und was die Anwendung der PSÜ anbelangt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ich glaube, ich bin auf einer falschen Veranstaltung! – Abg. Göschel SPD: Aber nicht, was die Erkenntnisse anbelangt!)

Die Aufsichtskonzeption und das Aufsichtshandbuch, das heißt die Spielregeln, nach denen unsere Atomaufsichtsabteilung arbeitet, sind in den letzten fünf Jahren entwickelt worden – nicht in der Zeit von Schäfer, sondern in der Zeit von Schaufler und Müller.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das muss man einfach einmal so sagen.

(Abg. Göschel SPD: Deswegen arbeiten die so „hervorragend“!)