Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

völlig unabhängig von den Wahlterminen.

Wir brauchen also eine Perspektive in der Bundesverkehrswegeplanung.

Jetzt kann man fragen: Wie viel Geld gab es denn in den Neunzigerjahren, und wie viel Geld gibt es jetzt?

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Sehr gute Frage!)

Zu dieser Frage komme ich gleich. Ich stelle zunächst einmal fest: Aufgrund der unglaublichen Knappheit der Mittel gibt es jetzt alle möglichen Bemühungen um Sonderwege. Da gibt es die These, es solle alles privatisiert werden. Ich kann nur davor warnen. Privatisierung heißt: konsequente Mauterhebung. Ich halte es in einigen wenigen Fällen, beispielsweise bei der A 8, für richtig, dass wir ein 700-Millionen-Projekt tatsächlich mit einer Maut finanzieren. Wir werden übrigens, zusammen mit dem Bund, die Ersten im Bundesgebiet sein, die ein Autobahnteilstück auf freier Strecke auch unter Hinzuziehung des Pkw-Fahrers über eine Maut finanzieren. Aber ein Modell ist das nicht, sondern

es ist eine Ausnahme, die eben bei einer extrem teuren Maßnahme ohne Alternative richtig ist.

Nicht geben kann es – das will ich auch in jederlei Richtung sagen – eine kommunale Vor- oder Mitfinanzierung. Die Diskussion darüber flackert immer wieder einmal auf, beispielsweise in Schwäbisch Gmünd. Ich kann davor nur warnen. Es gibt eine klare Kompetenzverteilung zwischen Bund, Land und Gemeinden, und jeder soll seine Aufgabe erfüllen. Ich hielte es für völlig falsch, wenn die Kommunen anfangen würden, dem Bund aus der Patsche zu helfen und einen Nebenkriegsschauplatz zu eröffnen, abgesehen davon, dass das eine tolle Rivalität zwischen reichen und armen Kommunen geben würde.

Nun zur Lkw-Maut. Die Lkw-Maut ist eine Sache, die wir im Prinzip für richtig halten, aber unter eingeschränkten Bedingungen. Was ich jetzt sage, hat der Bundesrat entschieden, das heißt, unsere Meinung deckt sich mit dessen Mehrheit.

Wir haben gesagt:

Erstens zu 100 % Zweckbindung – zu diesem Thema sage ich gleich noch etwas.

Zweitens: Harmonisierung der Belastung des Speditionsgewerbes in Europa – da geschieht bislang überhaupt nichts.

Drittens: Wir brauchen eine Lösung für die Ausweichverkehre, denn es wird Verkehr von den bemauteten Straßen auf die nicht bemauteten verlagert werden. Der Bund hat auf diesem Gebiet nichts getan. Er hat jetzt eine relativ hohe Maut vor, 29 Pfennig pro Kilometer im Schnitt.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Ja, sehr hoch! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ist doch gut!)

Das bedeutet ungefähr 6,5 Milliarden DM Einnahmen. Wenn ich 1 Milliarde DM für Erhebungskosten abziehe – die Maut kostet ja auch etwas, bis man sie in der Kasse hat –, hätten wir 5,5 Milliarden DM zusätzliche Einnahmen. 1,5 Milliarden DM hat der Bund bislang für den Straßenbau reserviert – das ist das Antistauprogramm. Da frage ich mich: Wo bleiben eigentlich die anderen 4 Milliarden DM?

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Haben Sie schon mal an die Bahn und das Schiff gedacht?)

Ja. Im Unterschied zu anderen Bundesländern bin ich bereit, auch der Bahn Geld zu geben.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Aha! Dann wissen Sie doch, wo das Geld bleibt!)

Nein, nein, nicht nur. Wenn wir es nur halbieren würden, würden wir von den verbleibenden 5,5 Milliarden DM 2,7 Milliarden DM für den Straßenbau – bundesweit – bekommen. Wenn wir davon ein Achtel bekämen, wären das über 300 Millionen DM, fast eine Verdoppelung dessen, was wir heute zur Verfügung haben. Daran können Sie einmal sehen, was man machen könnte, wenn man eine klare Straßenbaupolitik betriebe.

(Minister Müller)

Das führt mich zu meiner Schlussbemerkung. Sie haben davon gesprochen, in der Vergangenheit habe auch nicht genügend Geld zur Verfügung gestanden. Das ist wohl wahr, das haben wir in der Vergangenheit genauso kritisiert. Deswegen haben zum Beispiel diese Landesregierung – 1996/97 war das – und dieser Landtag beschlossen, dass es eine Vignette geben soll, gegen den wütenden Protest von Rot und Grün natürlich, das ist ja klar.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Wir haben gewusst, dass wir Gelder für den Bundesfernstraßenbau brauchen, auch bei der alten Bundesregierung. Aber der Unterschied zwischen früher und heute ist der, dass die jetzige Bundesregierung aus mehreren Gründen mehr Geld in der Kasse hat und, gemessen an dem zusätzlichen Geld, weniger ausgibt.

Sie haben die UMTS-Erlöse, das sind immerhin 100 Milliarden DM. Wenn man nur die Zinsen – wir wollen ja nur an den Zinsen partizipieren – in den Verkehr stecken würde, wären das 5 Milliarden DM. Es ist auch nicht so, Frau Schmidt-Kühner, dass das ausläuft, sondern einen Zinseffekt habe ich natürlich über Jahre hinweg. Ich könnte mit den UMTS-Erlösen über Jahre hinweg ein Bauprogramm finanzieren, aber das geschieht nicht.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Palmer?

Ja, bitte.

Herr Minister, könnten Sie, bevor Sie zum Schluss kommen, beim Thema Geld noch einmal erläutern, wie Sie den Landesstraßenbau finanzieren und warum meine Aussage nicht zutrifft, dass Sie die Verschuldung für den Zweck des Straßenbaus mit Ihren Sonderprogrammen jetzt glatt verdoppeln?

Dazu kann ich gleich etwas sagen. Ich führe meinen Gedanken jetzt nur schnell zu Ende.

Der erste Brocken, bei dem der Bund also erheblich mehr Geld zur Verfügung hat – mit einer gewaltigen Belastung des Verkehrsgewerbes –, ist die Lkw-Maut, die bislang nur mit 1,5 Milliarden DM und damit zu weniger als einem Viertel der Gesamteinnahmen in den Straßenbau zurückfließen soll. Meine Damen und Herren, wenn es eine öffentliche Abgabe gibt, bei der man eine Zweckbindung herstellen kann, dann ist es die Benutzungsgebühr der öffentlichen Infrastruktur, und dann sollte diese um Himmels willen zu 100 % in diese öffentliche Infrastruktur zurückfließen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das Zweite sind, wie gesagt, die UMTS-Erlöse, und das Dritte ist die Ökosteuer. Sie nehmen über die Ökosteuer in der letzten Stufe 34 Milliarden DM ein. Das zahlt zum großen Teil der Autofahrer, denn der größte Brocken inner

halb des Aufkommens der Ökosteuer ist die Mineralölsteuer.

Sie haben Geld ohne Ende und verwenden es nicht.

(Oh-Rufe von der SPD)

Ja, ja.

(Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD: Das ist ja ein Witz!)

6,5 Milliarden DM Lkw-Maut, 5 Milliarden DM Zinsgewinn und 34 Milliarden DM Ökosteuer, das sind über 40 Milliarden DM, die Sie gegenüber der alten Bundesregierung zusätzlich haben, das eine zu Recht und das andere zu Unrecht. Also, Sie hätten es, aber Sie entscheiden sich anders.

(Abg. Hauk CDU: Marode Staatswirtschaft!)

Sie können mir über Verkehrswegefinanzierung sagen, was Sie wollen: Solange Sie die politische Entscheidung nicht treffen, die Sie finanzpolitisch treffen könnten, sind Sie für mich unglaubwürdig, was die Förderung der Verkehrsinfrastruktur und des Straßenbaus anbelangt.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme kurz auf die Zwischenfrage des Herrn Kollegen Palmer zu sprechen. Es ist so, dass wir insgesamt im Landesstraßenbau mittlerweile wieder gut 300 Millionen DM ausgeben. Davon wird ein Sonderprogramm in der Größenordnung von 70 Millionen DM über die LKB finanziert; 30 Millionen sind Bankbeitrag, die bleiben im Landeshaushalt.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das ist auch Pump!)

Ach, du meine Güte, was meinen Sie, was wir alles auf Pump machen.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Bei Ihrer Finanzpoli- tik, da haben Sie Recht!)

Also wissen Sie, wenn man die anderen Bundesländer anschaut, 16 Milliarden neue Schulden in Nordrhein-Westfalen in einem Doppelhaushalt bei einer rot-grünen Regierung und wir mit unseren weniger als 2 Milliarden pro Jahr, würde ich sagen: Mal ganz langsam. Wenn wir für den Landesstraßenbau zusätzlich 70 Millionen DM an Schulden aufnehmen, direkt ausgewiesen, dann muss ich sagen: Dieses Geld ist sehr gut angelegt.

Schlussbemerkung, meine Damen und Herren: Mir ist in der Debatte aufgefallen, dass Sie mehrfach gefragt haben: Und was habt ihr in 16 Jahren gemacht? – Ich ahne das Denkmuster, das dahinter steht. Sie sehen nämlich den 22. September voraus. Sie wissen ganz genau, dass Sie auf vielen Feldern Probleme bekommen werden, auch auf diesem Gebiet. Und weil Sie nichts vorzuweisen haben, versuchen Sie, sich rauszureden. Wenn Sie auf 16 Jahre verweisen, frage ich Sie: Was haben Sie eigentlich in den letzten vier Jahren gemacht? Wozu sind Sie denn gewählt worden? Sie haben sich hingestellt und gesagt: Wir machen nicht alles anders, aber vieles besser. Und ich stelle fest: Sie haben nichts besser gemacht, aber vieles anders.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, bei einer Grundredezeit von fünf Minuten je Fraktion hat der Herr Minister 26 Minuten und 12 Sekunden gesprochen.

(Abg. Hauk CDU: Seien Sie doch nicht so! Gute Redner kann man auch länger hören!)

Beruhigen Sie sich doch. Ich will doch dem Parlament eine faire Chance einräumen. Ich verlängere deshalb gemäß § 83 a Abs. 1 Satz 3 der Geschäftsordnung die Redezeit um fünf Minuten je Fraktion.