Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

Wer wünscht das Wort? – Frau Abg. Schmidt-Kühner, Sie haben das Wort.

Es geht nicht um zehn Minuten und dass wir schnellstens in die Mittagspause kommen. Ich will das auch, so ist das nicht, meine Damen und Herren. Aber eine Sache ist durchaus noch anzumerken, Herr Minister.

Dass Sie, Herr Minister, sagen, Sie bräuchten keine Prioritäten anzusetzen, halte ich für eine ganz schlimme Angelegenheit. Es ist einfach so: Wenn ich zu Hause Geld zur Verfügung habe, das Geld aber nicht für all die Investitionen reicht, die ich tätigen wollte, muss ich als Privatmann ganz klar entscheiden, was ich zuerst mache und was ich dann mache, wenn ich wieder weiteres Geld zur Verfügung habe. Diese Prioritäten müssen von Ihnen genannt werden, was den Bundesverkehrswegeplan angeht.

(Abg. Hauk CDU: Für wen denn? Wer braucht die denn?)

Sie wollen doch haben, dass Sie im Land entscheiden, welche Maßnahme das im Einzelnen genau ist. Von daher brauchen wir diese Prioritätenliste. Das ist das eine.

Das Zweite, was ich noch sagen möchte, betrifft den Ausbau der Landesstraßen. Wir sollten bei den ganzen Investitionen für die Landesstraßen aufpassen, dass wir uns nicht vor lauter Überlegung, was man alles Tolles machen könnte, Planungsmöglichkeiten kaputtschlagen, so, wie das bei der Bahn AG passiert ist. Bei der Bahn konnte man die Maßnahmen, die man hätte verwirklichen können, weil das Geld zur Verfügung stand, nicht durchführen, weil die Planungskapazität und die Baukapazität nicht mehr da waren. Das ist bei der Bahn passiert, und wir sind in der Gefahr, dass uns das bei den Landesstraßen auch passiert, wenn die Landesstraßenbauämter zerschlagen werden. Das ist das Problem, an das Sie genauso herangehen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Scheuermann.

(Zuruf von der CDU: Frag doch mal, für wen die Liste gemacht werden soll, wenn der Bodewig das nicht haben will!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zerschlagung der Straßenbauämter: Wir werden noch ausführlich Gelegenheit haben, darüber zu reden. Aber, Frau Kollegin Schmidt-Kühner, eines geht natürlich nicht: Bei den Haushaltsplanberatungen

die Regierungsfraktionen immer als Schuldentreiber hinzustellen und dann, wenn wir in einer Verwaltung Konsequenzen ziehen

(Abg. Bebber SPD: Die falschen!)

und uns bemühen, für die zusätzlichen Lehrer- und Polizeistellen Ersatz zu schaffen, indem wir bei der allgemeinen Verwaltung einsparen, zu sagen, wir würden eine Verwaltung zerschlagen. Das ist, finde ich, schon ein starkes Stück.

Wir machen Folgendes: Die Autobahnverwaltung wird mit der Straßenbauverwaltung zusammengelegt, und aus 20 Straßenbauämtern und 5 Autobahnbetriebsämtern werden 18 Ämter gemacht. Davon befinden sich, glaube ich, an drei Standorten Autobahnbetriebsamt und Straßenbauamt jeweils im gleichen Ort; das heißt, da führe ich bloß zwei getrennte Ämter zusammen und spare jeweils eine Leitungsebene ein. So viel zum Vorwurf der Zerschlagung der Straßenbauverwaltung.

Eine zweite Bemerkung, weil es jetzt immer wieder um die Prioritätensetzung geht: Ich finde, der Minister hat sich klipp und klar und deutlich ausgedrückt: Irgendwann, mit größter Sicherheit – das bestreiten Sie nicht – nach der Bundestagswahl, muss der Bundesfernstraßenbedarfsplan fortgeschrieben werden. Jetzt haben alle Länder angemeldet. Weil es keine Kriterien gab, ist es doch nicht mehr als recht und billig, dass jedes Land, egal, was für eine Regierung es hat, sagt: Wenn ich nicht weiß, nach welchen Methoden der Plan aufgestellt wird, melde ich alles an, um nichts zu versäumen.

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Alle haben angemeldet, Herr Palmer.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Es gibt Länder, die haben Maßnahmen rausgenommen!)

Jetzt muss doch die Bundesregierung, wenn sie fortschreibt, sagen, nach welchen Kriterien sie vorgehen will. Wir sind uns doch alle einig: Dass wir viel mehr Wünsche haben, als hinterher im Plan erscheinen können, ist doch eine pure Selbstverständlichkeit. Jetzt brauchen wir Kriterien, um von den zahlreichen Wünschen zu einer realistischen Basis zu kommen. Sobald die Bundesregierung – egal, wie sie aussieht – nach der Bundestagswahl die Kriterien genannt hat, nach denen sie den Bundesverkehrswegeplan fortschreiben wird, werden wir uns natürlich anhand dieser Kriterien mit der Prioritätensetzung befassen müssen. Das war in diesem Haus schon immer so, und das wird in diesem Haus auch in Zukunft so bleiben. Darüber brauchen wir uns gar nicht groß aufzuregen.

(Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

(Abg. Wintruff SPD: Sie werden sich dann wieder über die Bundeskriterien beschweren!)

Das kann ja sein. Aber selbst wenn ich mich beschwere, muss ich mich an die Kriterien halten, wenn sie ordnungsgemäß zustande gekommen sind, Herr Wintruff. Es kann

durchaus sein, dass ich mich beschwere, aber ich muss mit den Kriterien leben und mich nach denen ausrichten. Daran führt kein Weg vorbei. Also, lassen wir das Schattenboxen, zu sagen: Wenn nicht genug Geld zur Verfügung gestellt wird, ist nicht der schuld, der das Geld nicht zur Verfügung stellt, sondern derjenige, der keine Prioritäten setzt, obwohl er es gar nicht kann.

(Beifall bei der CDU – Abg. Alfred Haas CDU: Die Bundesregierung austauschen ist die beste Lö- sung! – Unruhe bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Palmer.

Herr Minister Müller, zunächst muss ich feststellen: Sie haben eine sehr grundsätzliche Rede gehalten, die sich fast ausschließlich mit dem Bund beschäftigt hat, aber nicht mit dem Landesstraßenbau und nicht mit dem Antrag und Ihrer Stellungnahme, die Sie dazu vorgelegt haben. Das ist einer der Gründe, warum wir jetzt noch einmal in die Mittagspause hinein diskutieren.

(Abg. Alfred Haas CDU: Aha!)

Zu den von Ihnen vorgebrachten Argumenten, die mit dem Antrag nicht viel zu tun haben: Zunächst stelle ich einmal fest: Der Nachholbedarf, den auch Herr Scheuermann mit seiner Ost-West-Autobahn konstatiert hat – ich weise darauf hin: Schleswig-Holstein hat auch keine; es gibt noch ein weiteres Bundesland –, kann nicht in den letzten drei Jahren entstanden sein.

Unabhängig davon, wie wir die Politik der Bundesregierung seit 1998 bewerten: Dieser schreckliche Nachholbedarf, den auch die IHK überall im Land in ihren Schreiben feststellt, kann nicht in drei Jahren entstanden sein; der muss längerfristige Ursachen haben. Fragen Sie sich einmal selbst nach den Ursachen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Carmina Bren- ner und Abg. Hauk CDU: Aufbau Ost!)

Aufbau Ost. Dann sind wir uns ja einig.

(Abg. Hauk CDU: Da gab es aber eine klare Zehn- jahresfrist!)

Ist der Aufbau Ost jetzt zu Ende, Herr Hauk, oder nicht? Wenn Sie sagen, er sei zu Ende, gehen wir mit dieser Aussage in die neuen Bundesländer und holen uns das Geld zurück. Solange die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit aber nicht voll finanziert sind, muss das Geld ausgegeben werden. So einfach ist das.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Wir als Grüne sind im Übrigen stolz darauf, dass es uns gelungen ist, etwas ganz anderes zu erreichen: Wir haben die Bahninvestitionsmittel von 6 Milliarden DM auf 9 Milliarden DM erhöht.

(Abg. Hauk CDU: Die Bahn kann gar nicht mehr ausgeben, weil sie so marode ist!)

Ja, weil Sie sie haben verlottern lassen.

Sie werden sehen, dieses Geld wird bis 2003 vollständig verbaut sein. Ich war letzte Woche in Frankfurt und habe mir das genau erklären lassen. Die Kurve geht nach oben.

(Zurufe von der CDU)

Herr Minister Müller, wir wollen nicht immer mehr Straßen, sondern wir wollen endlich eine funktionierende Bahn. Dafür machen wir Politik.

Nun zu Ihrer Argumentation der Benachteiligung, Herr Minister Müller: 6 % der Haushaltsmittel. Rechnen Sie – erstens – doch nicht immer die VDE-Mittel dazu. Fairerweise müssen Sie dann schon den Anteil der alten Bundesländer nehmen.

Zweitens müssen die Vorfinanzierungskosten berücksichtigt werden; sie sind da. Den Engelbergtunnel haben Sie gebaut. Jetzt müssen wir ihn bezahlen.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Ja, genau!)

Wenn man das alles mit einrechnet, ist es prozentual genauso viel wie unter der Regierung Kohl. Hören Sie also auf mit dem Ammenmärchen, Sie würden benachteiligt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Heike Dederer GRÜNE: Sehr richtig!)

Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit erkläre ich Ihnen dann noch privat.

(Abg. Hauk CDU: Okay!)

Jetzt kommen wir zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Wir reden hier 20 Minuten lang, 25 Minuten redet der Herr Minister – und er verliert kein Wort darüber, dass er 50 Millionen DM vom ÖPNV zur Straße umschichten will. Dazu hätte ich schon ganz gerne einmal eine Begründung gehört, zumal wir neulich gemeinsam erfahren haben, dass es Anträge in Höhe von 170 Millionen DM zur Förderung des Busverkehrs in Baden-Württemberg gibt. Es stehen aber nur 100 Millionen DM im Etat. Geben Sie doch die 50 Millionen DM, die Sie umschichten, den Busunternehmern; dann können Sie beim nächsten Jahrestag des WBO in Ludwigsburg echte Beifallsstürme ernten. Begründen Sie doch wenigstens einmal Ihre eigene Politik, anstatt hier immer nur wabernd über Berlin herzufallen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Heike Dederer GRÜNE: Sehr gut!)

Thema Lkw-Maut: Da verweise ich auf das Beispiel der Schweiz. Die Einnahmen aus der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe, die höher ist als die in Deutschland sein wird, wird zu zwei Dritteln ausschließlich für den Bau der NEAT verwendet – das sind die neuen Alpentransversalen: zwei Tunnel für den Güterverkehr in der Schweiz. Zwei Drittel werden dafür verwendet, ohne dass auch nur ein Franken davon in den Straßenbau gesteckt würde. Ein Drittel erhalten die Kantone, die damit machen können, was sie wollen.