Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

(Abg. Capezzuto SPD: Jeden Morgen drei Blätter! Schon vor dem Zähneputzen!)

Die Landesregierung hat nachweislich versucht, über Bundesratsinitiativen die Steuerreform noch mittelstandsgerecht zu gestalten, aber Ihre Kolleginnen und Kollegen, Herr Capezzuto, haben sich in Berlin verweigert.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Ein unerhörter Vorwurf!)

Heute haben wir eine Steuerreform, die große Kapitalgesellschaften steuerlich entlastet, kleine und mittlere Unternehmen aber summa summarum belastet.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Falsch! – Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Um 30 Milliarden werden kleine Unternehmen entlastet!)

Die unseligen Gesetzesänderungen im Arbeitsrecht zu verhindern war leider auch nicht möglich. Und heute bestätigen Ihnen die fünf Weisen in ihrem Jahresgutachten, dass neben der Konjunkturschwäche insbesondere Versäumnisse der Bundesregierung in der Beschäftigungspolitik zu der katastrophalen Lage auf dem Arbeitsmarkt geführt haben.

(Abg. Braun SPD: Lassen Sie sich das einmal von Capezzuto erklären!)

Wir haben eine Bundesregierung, die nicht alles anders, aber vieles besser machen wollte. Heute muss auch der Gutwilligste erkennen, dass diese Bundesregierung zwar vieles anders, aber nichts besser gemacht hat. Wir erkennen auch, dass dann, wenn diese Bundesregierung nichts anders gemacht hätte, vieles besser geblieben wäre.

(Widerspruch bei der SPD – Abg. Teßmer SPD: Lauter Konjunktive!)

Wir hatten in unserem 10-Punkte-Katalog auch den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur gefordert. Darüber wurde von allen Verbänden intensiv diskutiert. Wir haben darüber bereits heute Vormittag diskutiert; deshalb will ich darauf nur kurz eingehen.

Staukosten sind für unsere mittelständischen Betriebe teure Arbeitszeit und Kosten, über die keiner spricht, die aber die betriebliche Erfolgsrechnung negativ belasten. Wir haben ein Landesstraßensonderbauprogramm aufgelegt, und wir fordern nach wie vor einen höheren Anteil an der Mineralölsteuer für den Ausbau der Verkehrswege. Wir fordern auch, dass die Lkw-Maut, die Sie ja jetzt beschlossen haben und die 6 Milliarden DM einbringt, wirklich dem Ausbau der Verkehrswege zugute kommt und nicht als indirekte Steuer der Haushaltssanierung dient. Sonst wäre es nämlich eine reine Abzockerei gegenüber den Lkw-Haltern.

(Zurufe der Abg. Braun und Bebber SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in allen Gesprächen mit Mittelständlern wird man auch auf Basel II angesprochen. Dass die mittelständischen Betriebe in Deutschland im internationalen Vergleich eine zu niedrige Eigenkapitalquote haben, ist bekannt. Wir sind froh, dass es der Landesregierung mit ihrer Bundesratsinitiative in einem ersten Schritt gelungen ist, das interne Rating und die erhöhte Risikogewichtung des gewerblichen Realkredits vom

Tisch zu bekommen. Damit sind aber noch nicht alle Gefahren gebannt. Es gibt eine zweite Initiative der Landesregierung, der sich der Bundesrat angeschlossen hat.

Die unsinnige Forderung, langfristige Kredite mit Eigenkapitalzuschlägen bis zu 600 % zu bewerten und unsere banküblichen Sicherheiten wie Bausparguthaben oder Sicherungsübereignungen nicht zu akzeptieren, ist nachträglich aufgenommen worden. Die Entscheidung fällt im Februar des kommenden Jahres, und wir hoffen, dass der von Ihnen getragene Bundeskanzler das tut, was er gesagt hat, nämlich dass er sich Verschlechterungen von Basel II verweigert. Wir hoffen, dass es nicht so ausgeht wie bei Philipp Holzmann: viel versprochen, nichts gehalten.

(Abg. Capezzuto SPD: Wieso denn? Die Arbeits- plätze sind doch alle erhalten!)

Bürokratie belastet den Mittelstand unverhältnismäßig.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Diese Belastung lässt sich auch in Zahlen belegen. – Ich bin noch nicht fertig, Frau Haußmann.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Während Großunternehmen 300 DM pro Beschäftigten aufwenden, sind es bei Kleinunternehmen bis zu 6 800 DM.

Wir haben vom Land aus verschiedene Initiativen gestartet: Bürokratiekosten-TÜV, Standardpranger und ein Verfallsdatum bei neuen Gesetzen. Die Stellungnahme zum 10-Punkte-Katalog enthält eine ganze Auflistung, und wir müssen auf diesem Weg weitergehen.

Was macht die Bundesregierung? Mit jedem neuen Gesetz schafft sie mehr Bürokratie:

(Zuruf des Abg. Dr. Witzel GRÜNE)

mehr Bürokratie bei der Ökosteuer, mehr Bürokratie beim 630-DM-Gesetz, mehr Bürokratie bei der Scheinselbstständigkeit und, und, und.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Diese Bundesregierung, Herr Capezzuto, ist eine Bundesregierung der Bürokratie.

(Beifall bei der CDU)

Sicherung der Unternehmensnachfolge war ebenfalls eine zentrale Forderung der Enquetekommission. Jede gelungene Betriebsübernahme sichert Arbeitsplätze. 11 000 übergabereife Unternehmen pro Jahr mit 140 000 Arbeitsplätzen zu sichern ist uns wichtig. Wir halten es für sinnvoll, dass das Wirtschaftsministerium bei der Lösung dieses Problems ganz gezielt mit einem 12-Punkte-Programm mithelfen will. Qualifizierungsmaßnahmen für Übergeber und Unternehmer, Übergabemanagement, aber auch eine verbesserte Finanzierung über Bürgschaftsbank und Mittelständische Beteiligungsgesellschaft sind der richtige Weg, Herr Minister.

Ich möchte der Landesregierung und unseren Kollegen im Bund dafür danken,

(Abg. Bebber SPD: Was? Danken?)

dass es im Vermittlungsausschuss jetzt endlich gelungen ist, für die mittelständischen Betriebe bei der Veräußerung von Unternehmensanteilen eine gewisse – eine gewisse! – Steuerentlastung zu erzielen. Das ist ein Schritt immerhin in die richtige Richtung; aber es ist nur ein Schritt, und unsere Forderungen sind noch lange nicht erfüllt.

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Aber ein großer Schritt!)

Ja, für Sie ist es ein großer Schritt; aber unsere Forderungen sind noch nicht erfüllt.

Die Rekrutierung qualifizierter Arbeitnehmer wird immer mehr zum entscheidenden Kriterium. Viele Unternehmer haben in den regionalen Dialogforen eine stärkere Berücksichtigung von Wirtschaftsthemen in der Schule gefordert. Das Kultusministerium hat hier bereits reagiert. Ich erwähne nur kurz das Reformkonzept IMPULSE Hauptschule, den Projektunterricht „Wirtschaften, Verwalten und Recht“ in der Realschule, die Ausweitung der ökonomischen Bildung in der gymnasialen Oberstufe und die Einführung von Übungsfirmen an den beruflichen Schulen.

Last, not least die Frage nach dem Geld. Wer Politik machen und gestalten will, braucht Geld. Wie viel Geld ist die Landesregierung bereit für die Umsetzung der Empfehlungen der Enquetekommission einzusetzen?

(Abg. Capezzuto SPD: Jetzt aber!)

Lassen Sie mich hier eine ganzheitliche Betrachtung anstellen.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD und der Grü- nen)

Wir haben für die Umsetzung der Empfehlungen der Enquetekommission 21,5 Millionen DM pro Jahr – von der Existenzgründungsberatung über die Umsetzung der Dienstleistungsoffensive bis hin zum Wettbewerb der Regionen. Wir haben aus der Zukunftsoffensive III allein 30 Millionen DM für die Modernisierung der überbetrieblichen Ausbildungsstätten, über 25 Millionen DM zur Förderung von Existenzgründungen, knapp 30 Millionen DM für berufliche Qualifizierung.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Wir haben 40 Millionen DM aus dem Europäischen Sozialfonds und 3 Millionen DM aus der Landesstiftung. Das ergibt summa summarum mehr als 100 Millionen DM, die die Landesregierung hier zur Verfügung stellt.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Ich denke, wir haben das Königsrecht!)

Daran können Sie erkennen: Mittelstand und Handwerk sind dieser Landesregierung wichtig. Wir tun, was in unseren Kräften steht. Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, die von Ihnen getragene Bundesregierung noch dazu bewegen,

(Abg. Bebber SPD: Nur kein Neid!)

ihre mittelstandsfeindliche Politik im Bund aufzugeben,

(Oh-Rufe von der SPD – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Drexler: Ständig diese Sprüche!)

dann sind die Zukunftserwartungen des Mittelstands in Baden-Württemberg deutlich besser.