Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

Das Wort erteile ich Frau Abg. Haller-Haid.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst einmal ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sozialministeriums für die Erstellung dieses Berichts bedanken.

Meine Damen und Herren, es ist jetzt auf den Tag genau sechs Jahre her, dass der baden-württembergische Landtag das Landesgleichberechtigungsgesetz verabschiedet hat. Am Anfang dieses Gesetzes stand die Erkenntnis, dass der verfassungsrechtliche Grundsatz der Gleichberechtigung von Frauen und Männern noch nicht verwirklicht ist. Auch im öffentlichen Dienst in Baden-Württemberg – so die Gesetzesbegründung vor sechs Jahren – werden Leitungspositionen überwiegend von Männern eingenommen. Im höheren Dienst und in den Spitzenpositionen des gehobenen Dienstes sowie in den entsprechenden Angestelltenbereichen sind Frauen trotz gleichwertiger Qualifikation noch immer geringer vertreten als Männer. Da komme ich zu einer anderen Einschätzung als meine Vorrednerin: Es hat sich leider in den letzten sechs Jahren noch nicht allzu viel verändert.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Diese Gesetzesbegründung – daran möchte ich an dieser Stelle erinnern – wurde von der CDU mit unterschrieben.

An diesem Ziel muss sich jetzt das Gesetz nach sechs Jahren messen lassen.

Zwar leisten die rund tausend Frauenvertreterinnen unter oft unzureichenden Rahmenbedingungen eine engagierte Arbeit, für die ich mich namens der SPD-Fraktion an dieser Stelle sehr herzlich bedanken möchte.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie des Abg. Pfister FDP/DVP)

Aber vom Ziel der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und dem Abbau von Benachteiligungen ist der öffentliche Dienst in Baden-Württemberg immer noch weit entfernt. Dies dokumentiert uns der Bilanzbericht. Nach fast sechs Jahren Praxiserfahrung ist es jetzt überfällig, dass die Landesregierung und die CDU ihre frauenpolitische Borniertheit endlich aufgeben.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Pfis- terer CDU: Unglaublich! – Abg. Reichardt CDU: Polemik! – Abg. Pauli CDU: Das stimmt aber nicht!)

Solange Sie so grummeln, wundert es mich gar nicht, dass die Frauen immer seltener CDU wählen.

Das Landesgleichberechtigungsgesetz muss endlich mit Leben erfüllt werden. Dort, wo sich Unzulänglichkeiten gezeigt haben, muss das Gesetz präzisiert und mit wirksameren Regelungen versehen werden.

(Abg. Reichardt CDU: Nicht durch euch!)

Die SPD fordert deshalb, endlich die seit Jahren überfällige Novellierung des Gesetzes jetzt rasch anzugehen.

An Ankündigungen und Willensbekundungen seitens der CDU zur Novellierung des Gesetzes hat es in der Vergangenheit nicht gefehlt. Angesprochen auf die anhand von Fakten belegbare wenig durchschlagende Wirkung der jetzigen Regelung, haben auch CDU-Frauenpolitikerinnen immer wieder den Novellierungsbedarf angemahnt. Zuletzt hat die zuständige Staatssekretärin im Sommer die Novellierung angekündigt. Geschehen ist aber bis jetzt nichts.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Das sind wir ja schon gewohnt!)

Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie jetzt endlich ihre jahrelange Verschleppungstaktik aufgibt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Wo liegen nun die Defizite des Gesetzes? Der Bilanzbericht ist meiner Ansicht nach eine einzige Aufzählung solcher Defizite. Aber ich will mich hier auf vier Punkte beschränken.

Erstens: Frauen sind in Führungspositionen nach wie vor völlig unterrepräsentiert. In der Besoldungsgruppe A 16 ist in der Landesverwaltung der Frauenanteil in vier Jahren lediglich um 1,8 Prozentpunkte auf nunmehr 7,2 % gestiegen. Wenn wir in diesem Tempo weitermachen und alle

vier Jahre den Frauenanteil um 1,8 Prozentpunkte erhöhen, dann brauchen wir 50 Jahre, damit wenigstens ein Drittel der Führungspositionen mit Frauen besetzt sind.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das ist Absicht!)

Zweitens: Frauen sind bei Neubesetzungen von Stellen im höheren Dienst nach wie vor benachteiligt. Ein wesentliches Gesetzesziel war es, durch Zielvorgaben bei der Besetzung frei werdender oder neuer Stellen den Anteil von Frauen zu erhöhen. Dieser Gesetzesauftrag wurde kaum umgesetzt. Wenn in der Landesverwaltung in den letzten Jahren Stellen im höheren Dienst neu besetzt wurden, was wegen des Personalabbaus ohnehin selten vorkam, dann hatten Frauen nach wie vor viel zu häufig das Nachsehen. Im Staatsministerium, also der Behörde des Ministerpräsidenten, der bei der Frauenförderung ein Vorbild sein sollte – wir haben ja heute schon öfter gehört, wo er nicht Vorbild ist –, lag der Frauenanteil bei Neubesetzungen bei 0 %.

(Abg. Fischer SPD: Hört, hört!)

Für das Staatsministerium und den Ministerpräsidenten ist Frauenförderung offenkundig ein Fremdwort.

(Abg. Alfred Haas CDU: Wenn man Stellenabbau vornehmen muss, kann man nicht gleichzeitig Ein- stellungen vornehmen!)

Im Staatsministerium wurden fünf Stellen neu besetzt, davon keine einzige mit einer Frau.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das ist die Wahr- heit!)

Auch in den anderen Ministerien, die eigentlich als oberste Landesbehörden für die Landesverwaltung Vorbild sein sollten, war der Frauenanteil bei Stellenneubesetzungen beschämend niedrig. In den letzten vier Jahren wurde nicht nur im Staatsministerium, sondern auch in vier anderen Ministerien keine einzige Stelle mit einer Frau neu besetzt: in der Verwaltung des Innenministeriums, im FDP/DVPgeführten Justizministerium,

(Abg. Drexler SPD: Noch schlimmer!)

im Landwirtschaftsministerium und im Umweltministerium.

(Abg. Zimmermann CDU: Schauen Sie hinter sich!)

Aber ich will auch einmal etwas loben. Dass es auch anders geht, zeigt das Sozialministerium. Dort kamen bei allen Neubesetzungen Frauen zum Zug.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie des Abg. Pfister FDP/DVP)

Auch in der übrigen Landesverwaltung fällt die Bilanz überwiegend negativ aus. Um den Frauenanteil in Führungspositionen nachhaltig zu erhöhen, ist es erforderlich, dass zumindest jede zweite neu zu besetzende Stelle mit einer Frau besetzt wird. Das wäre eine wirksame Zielvorgabe. Die Realität sieht jedoch anders aus. Nur im Zustän

digkeitsbereich des Innenministeriums und des Sozialministeriums lag der Frauenanteil bei Neubesetzungen über 50 %.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

In den übrigen Bereichen der Landesverwaltung lag er zwischen 30 und 45 %, im Umweltministerium sogar bei nur 16 %. Auch hier zeigen die Zahlen des Sozialministeriums, aber auch die bei der Polizei, dass eine wirksame Frauenförderung bei der Neubesetzung kein Ding der Unmöglichkeit ist. Was im Sozialministerium möglich ist, muss eben auch endlich in anderen Bereichen der Landesverwaltung gehen.

(Abg. Drexler SPD: Genau! – Beifall bei der SPD und den Grünen)

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Ende. Ihre Redezeit ist weit überschritten.

Ich komme gleich zum Ende. Einen Punkt möchte ich aber noch ansprechen, den wir unbedingt geändert haben wollen: Die Frauenvertreterinnen werden – das ist einer der größten Kritikpunkte, die die Frauenvertreterinnen immer wieder bringen – nicht im notwendigen Umfang zur Erfüllung ihrer Aufgaben freigestellt.

Ich hätte jetzt gern noch einiges zum kommunalen Bereich ausgeführt. Da sieht die Bilanz nämlich ganz katastrophal aus. Dazu reicht meine Redezeit leider nicht mehr. Deshalb ist es mir wichtig, zum Schluss einfach noch einmal zu sagen, dass diese Novellierung jetzt nicht mehr auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden darf.

(Abg. Drexler SPD: Genau!)

Die Frauenvertreterinnen erwarten die Novellierung jetzt von der Landesregierung. Sie wollen nicht mehr so lange warten, bis im Jahr 2006 eine SPD-geführte Landesregierung die notwendige Novellierung endlich durchsetzt.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.

(Abg. Alfred Haas CDU: Wo sind denn eigentlich die Frauen der SPD-Fraktion? Der Macho Drexler hat sie verdrängt! – Abg. Drexler SPD: Die sind hier! Wir haben einen erheblich höheren Prozent- satz als Sie von der CDU!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Meine Vorrednerin hat versucht, mit Zahlen etwas zu erklären. Es ist eigentlich heute Abend viel einfacher zu kapieren, welchen Stellenwert dieses Thema bei der Landesregierung hat. Schauen Sie einmal die Regierungsbank an. Frau Lichy sitzt dort mutterseelenallein.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ich beglückwünsche ausdrücklich unsere Staatssekretärin im Sozialministerium dazu, dass sie sich trotz dieser Situation mit viel Mut immer wieder für die Frauen einsetzt.