Meine Damen und Herren, manche haben es ja erahnt, manche haben es befürchtet, jetzt steht es fest: Die deutschen Schülerinnen und Schüler – ich sage bewusst: die deutschen – liegen mit ihrer Leistung im unteren Feld. Es ist doch interessant, Herr Pfister – das wäre auch einmal für die anderen interessant; das hat von denen, die hier von der Regierungsseite gesprochen haben, niemand gemacht –, zu fragen: Was machen andere Länder, die besser ab
schneiden als die Bundesrepublik, denn anders? Die Antwort auf diese Frage wäre doch einmal spannend.
Ich stelle einmal fest, dass einige der Länder, die das anders machen, im Grunde genommen in ihrem Schulsystem die Ganztagsschulen haben. Sie haben ein Ganztagsschulsystem. Das kommt doch nicht von ungefähr.
Sie, Frau Schavan, wollen nach wie vor Ganztagsschulen lediglich auf die so genannten Brennpunktschulen reduzieren.
Dazu sagen wir: Das ist ein untaugliches Mittel, weil wir aus vielen Gutachten und Analysen wissen, dass gerade Ganztagsschulen hervorragend geeignet sind, lernschwächere Kinder oder Migrantenkinder in das Schulsystem zu integrieren. Das ist doch längst bekannt. Schaffen Sie doch endlich einmal mehr Ganztagsschulen, wenn es darum geht, genau jenen Kindern zu helfen.
Noch eines ist interessant: Nicht die Auslese führt zu besseren Leistungen. Das ist ein Ergebnis, das Herr Professor Baumert deutlich aufgezeigt hat und das sogar in Ihrer eigenen KMK-Pressemitteilung steht. Ich könnte es Ihnen jetzt noch vorlesen, wenn Sie das wollen. Auf Seite 3 können Sie das nachlesen. Darin wird dies ausdrücklich bestätigt.
Wer also glaubt, das gegliederte Schulwesen sei sozusagen von der Natur aus besser geeignet, um bessere Lernleistungen zu erzielen, der irrt, meine Damen und Herren. Das ist ein völlig falscher Schluss.
Noch ein Vergleich: Andere Länder lassen ihre Schülerinnen und Schüler, ihre Kinder und Jugendlichen länger gemeinsam lernen. Bis zur achten, neunten, oft noch in der zehnten Klasse lernen die Kinder gemeinsam.
Sie sehen darin sogar einen Vorteil, denn Heterogenität bedeutet auch eine Lernchance. Nicht die Separierung ist lerneffektiv, sondern das gemeinsame unterschiedliche Lernen und im Übrigen auch das Akzeptieren, dass es unterschiedliche Lernleistungen gibt. Sie predigen aber genau das Gegenteil, indem Sie hier das gegliederte Schulwesen hochjubeln. Das tun sowohl Sie von der CDU als auch Sie von der FDP/DVP. Sie haben das ja gerade eben hier gemacht.
Ich sage Ihnen eines – das ist meine erste Analyse –: Wir müssen uns in der Tat – das gestehe ich zu, und das hat
auch niemand bestritten – noch intensiver mit dieser Studie beschäftigen. Das wird sicherlich auch noch einige Zeit gehen, und wir werden hier noch manche Debatte darüber haben. Das ist auch gut so. Ich sage Ihnen aber eines, was zumindest aus ersten Informationen heraus für mich bemerkenswert ist: Wir brauchen schrittweise eine andere Schule. Wir brauchen einen grundsätzlichen Wechsel in der Mentalität, ein neues Verständnis der Schule. Wenn uns das nicht gelingt, was schon damals die Rau-Kommission mit dem „Haus des Lernens“ bezeichnet hat, dann werden wir in einigen Jahren hier über genau das Gleiche diskutieren.
Meine Damen und Herren, dazu gehört natürlich auch die Lehreraus- und -fortbildung. Die praxisnahe Lehrerausund -fortbildung ist mit ein entscheidender Baustein in diesem Konzept. Ein weiterer entscheidender Baustein ist, dass wir eine selbstständige, selbstverantwortliche Schule bekommen, die dann auch in Eigenverantwortung ihr schulisches Lernen und ihre schulische Organisation selbst definiert. Nicht der „Obrigkeitsverwaltungshammer“ darf die Devise sein, sondern eine innovative, moderne Schulentwicklung in der Verantwortung der einzelnen Schule. Das brauchen wir.
Jetzt will ich Ihnen zum Schluss noch einen Satz vorlesen, damit Sie auch sehen, dass sogar Sie selbst das in Ihrer eigenen Pressemitteilung gesagt haben. Es tut sich aber nichts in diesem Bereich. Wir sind noch in alten Strukturen verhaftet, und Ihre Verwaltung zementiert im Grunde genommen eine veränderte Schule. Es heißt dort:
Erforderlich ist dabei eine generelle Stärkung der professionellen Verantwortung der Schule von der Grundschule an und ein intensiveres Zusammenwirken von Schule und Elternhaus.
Fangen Sie endlich einmal an, und reden Sie nicht nur darüber, wie seit vielen Jahren. Herr Pfister, Ihre Rede ist hier schon mehrfach im gleichen Stil gehalten worden. Ähnliches hören wir auch von der CDU.
Fangen Sie doch endlich einmal an. Sie haben doch jetzt die Verantwortung, hier mit einer neuen und einer verantwortungsbewussten Schule zu beginnen.
Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Frau Kultusministerin Schavan, was war die Botschaft Ihrer Rede?
Wie sind die Besten, wir sind Spitze. Warten wir erst einmal das Frühjahr ab. Dann nämlich wird sich zeigen: Wir sind noch mehr Spitze, wir sind die noch Besseren,
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Wa- cker CDU: Ist doch gar nicht wahr! – Abg. Dr. Birk CDU: Hören Sie doch mit dem Schablonen- denken auf! Sie haben eine Schere im Kopf!)
Das war der Tenor Ihrer Botschaft. Ich bin jetzt schon sicher: Der Ländervergleich wird natürlich ergeben, dass Baden-Württemberg und Bayern wieder die Nase etwas vorn haben.
So war es vor 50 Jahren, so war es vor 30 Jahren, und so war es vor 20 Jahren. Das ist nicht zuletzt in der sozial-kulturellen Entwicklung des Südens und des Nordens der Bundesrepublik begründet
(Abg. Fleischer CDU: Gut! – Abg. Hauk CDU: Haben Sie schon einmal an die Ursachen dieser Entwicklung gedacht? – Abg. Herrmann CDU: Hier haben noch nie die Grünen regiert; daran liegt es!)
und liegt damit sozusagen nicht in der politischen Verantwortung der CDU-Regierung in Baden-Württemberg.
(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU – Heiterkeit – Minister Dr. Döring: Bis jetzt war es gut! – Abg. Pfister FDP/DVP: Bis jetzt war es hervorragend!)
Herr Pfister, der Ländervergleich wird Sie dann wieder veranlassen, die Augen vor den notwendigen Maßnahmen zu schließen, die in Baden-Württemberg ergriffen werden müssten, um das Bildungswesen zu modernisieren.
(Abg. Hauk CDU: Jetzt warten wir doch einmal ab! – Abg. Röhm CDU: Gewisslich nicht, Frau Ra- stätter! – Abg. Hauk CDU: Bislang waren doch Sie die Modernisierungsverweigerer!)
Frau Schavan und Herr Pfister, Sie haben beide wieder an die Verantwortung der Eltern im Hinblick auf die Erziehungsleistungen erinnert. Ich kenne in Baden-Württemberg keine einzige ernsthafte Initiative, die dazu führen würde, die Kommunikation und die Zusammenarbeit von Eltern und Schulen zu verbessern.