Protokoll der Sitzung vom 19.12.2001

Nicht von ungefähr befindet sich die Haushaltspolitik dort, wo die Union regiert, in besserer Hand als bei jeder anderen Regierung, zumal wenn sie rot-rot oder rot-grün gefärbt ist.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das sagt er nach 16 Jahren Kohl! – Zuru- fe von der SPD – Unruhe)

Der einzige Themenbereich, Kollege Pfister, der bei uns in der Haushalts- und Finanzpolitik einem fruchtbaren Streit unterliegt, ist die Frage, ob man Haushaltslöcher durch den Verkauf von Beteiligungen stopfen darf.

(Zuruf des Abg. Wieser CDU – Gegenruf des Abg. Dr. Salomon GRÜNE)

Ich sage für die CDU-Fraktion eindeutig: Wir sind im Rahmen unserer Haushaltspolitik nicht dazu bereit, Tafelsilber

zu verkaufen, um Haushaltslöcher zu stopfen. Wir glauben, dass Beteiligungspolitik nicht mit Haushaltspolitik verbunden werden darf, sondern anders entwickelt werden muss.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP)

Wir erwarten den Vorschlag der Investmentbank, wohin die GVS verkauft werden soll, und sind zu einer Veräußerung unseres Anteils im nächsten Frühjahr ausdrücklich bereit und entlang der Marktveränderung daran interessiert.

Wir sind zum Verkauf von Industriebeteiligungen bereit. Aber nehmen Sie einmal unsere wichtigste Industriebeteiligung. Baden-Württemberg ist an den Schwäbischen Hüttenwerken in Aalen-Wasseralfingen zu 50 % beteiligt. Der andere Gesellschafter heißt MAN, und da die MAN außerordentliche Erträge dringend braucht, hat sie die Deutsche Bank beauftragt. Seit einem halben Jahr sucht die Investmentbank Deutsche Bank einen Käufer, findet aber keinen, Kollege Pfister.

An diesem Beispiel mag man sehen: Selbst dann, wenn man verkaufswillig ist,

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Muss man auch fähig sein!)

wenn man Strukturvorgaben – Erhalt von Arbeitsplätzen, Erhalt von Wertschöpfung, Produktionsstandort – macht, kann es sein, dass man Eigentümer bleiben muss, auch wenn das Programm Ihrer Partei den Verkauf gern zum Stopfen von Haushaltslöchern vorsehen will.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Theurer FDP/DVP)

Kollege Theurer, guten Morgen.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: „Theurer“ Kollege! – Vereinzelt Heiterkeit)

Im Bereich der Beteiligungen halte ich den Bankenbereich für den sensibelsten und spannendsten überhaupt. Der Vorsitzende des deutschen Bankenverbands, Breuer, hat vor wenigen Tagen gesagt, dass sich die Bankenlandschaft in Deutschland in einer schweren Krise befindet. Ich glaube, er hat Recht.

Deswegen wird unser Hauptaugenmerk darauf liegen, dass Baden-Württemberg im Bankenbereich ein zentraler Standort bleibt, dass die Banken Baden-Württembergs, namentlich die Landesbank Baden-Württemberg, die Sparkassen Baden-Württembergs, die BW-Bank und der Volksbankenbereich, eine starke Partnerschaft zum Mittelstand halten können und dass der Strukturwandel nicht einen Verlierer in Baden-Württemberg hat. Ich baue darauf, dass mit der Beteiligung des Landes an der Landesbank, an der BadenWürttembergischen Bank – und nicht, indem man sie veräußert – dieser Strukturprozess hin zu einem starken, stabilen Bankenstandort Baden-Württemberg in naher Zukunft gelingen kann.

(Beifall bei der CDU)

Vor wenigen Tagen wurde auf dem Gebiet des Steuerrechts in Berlin ein kleiner Erfolg erreicht. Baden-Württemberg,

andere unionsgeführte Länder und auch die Grünen in der Bundesregierung wollten eine Umschichtung bei der Steuerentlastung – weg von den Konzernen, hin zum Mittelstand. In kleinem Maße ist dies gelungen.

Ich freue mich, dass die Reinvestitionsrücklage nach § 6 Abs. 10 des Einkommensteuergesetzes es den mittelständischen Betrieben, dem Handwerk, dem Handel, dem Mittelstand jetzt ermöglicht, Erlöse aus Beteiligungsverkäufen oder Grundstücksverkäufen in die Firma hereinzuholen und steuerfrei neu zu investieren. Ich sage Ihnen, dies ist ein erster Schritt; der Weg ist richtig.

Wer dies jetzt zugesteht, muss in einem zweiten Schritt zugestehen, dass Ihre Unternehmensteuerreform weiterhin die AG, den Konzernbetrieb bevorzugt und den Mittelstand benachteiligt.

(Abg. Drexler SPD: Falsch! – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Stimmt nicht!)

Deswegen bieten wir ausdrücklich unsere Bereitschaft zur Unterstützung dieser Korrektur an. Machen Sie aus dem ersten Schritt eine Linie. Sorgen Sie dafür, dass im Steuerrecht endlich Gerechtigkeit zwischen den OHGs, den KGs und den AGs bestehen kann.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Wieser CDU: Die SPD ist die Partei des Großkapitals! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Wo habt ihr denn eure Spenden her?)

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, wenn man den zentralen Schwerpunkt der Haushaltsstruktur bei den Personalausgaben hat, weil 40 % des Haushalts Personalausgaben sind, dann muss die Frage, wie sich die Gehaltsstruktur weiterentwickeln kann, auch bei Haushaltsberatungen aufgeworfen werden. Mir sagen zunehmend Behördenleiter, namentlich im technischen Bereich, aber auch in der Schule, wenn es um Berufsschulen, wenn es um technische Lehrer, wenn es um Berufsbilder im Wettbewerb zur freien Wirtschaft geht, dass wir mit unserem Gehaltsgefüge immer weniger konkurrenzfähig sind.

(Abg. Wieser CDU: Sehr richtig! Seit 15 Jahren keine Gehaltserhöhung mehr!)

Jetzt mag man sich damit trösten, dass es uns die Rezession der Wirtschaft erleichtert, jungen Menschen zu sagen: „Kommt zum Staat.“ Aber was machen wir, wenn die Konjunktur wieder anspringt? Baden-Württemberg wird ein Land nahe an der Vollbeschäftigung bleiben. Deshalb werfe ich die Frage auf, mit welchem Dienstrecht der Staatsdienst im Wettbewerb um die besten Köpfe eines Jahrgangs in Zukunft konkurrenzfähig bleibt.

(Abg. Drexler SPD: Aber nicht mit Beamten! – Abg. Wieser CDU: Da muss der Jugend mehr be- zahlt werden!)

Ich behaupte, der junge Akademiker, der junge Meister, der, der seine Ausbildung beendet hat, trifft seine Berufswahl – –

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Meisterin!)

Natürlich, Frau Kollegin, Meisterin, nur wegen der Redezeit.

Die Bewerberinnen und Bewerber entscheiden über ihren Arbeitsort, über ihren Arbeitgeber nicht mehr nach der Frage: „Wie viel Pension bekomme ich 40 Jahre später?“ Sie entscheiden nicht mehr allein nach der Arbeitsplatzsicherheit. Sie entscheiden die Frage „Wo gehe ich hin?“ entlang den Fragen: Macht der Job Freude? Schafft er Befriedigung? Werde ich gefordert und gefördert? Wie ist das Gehalt? Und dann stelle ich fest, dass der öffentliche Dienst mit seinem Gehaltsgefüge, namentlich im Beamtenbereich – A 7, mittlerer Dienst, A 9, gehobener Dienst, aber auch wenn es um den Chemiker in A 11 oder A 13 angesichts der Angebote von Bayer und BASF geht –, in den Eingangsstufen nicht mehr konkurrenzfähig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Deswegen müssen wir uns die Frage stellen, wie man im Wettbewerb um die Besten eines Jahrgangs als Dienstherr, als Arbeitgeber konkurrenzfähig bleibt.

(Abg. Drexler SPD: Raus aus dem Beamtenrecht!)

Wir brauchen beim Staat nicht immer mehr Stellen und Mittelmaß, sondern wir brauchen weniger Stellen und Exzellenz.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das Ganze übersteigt eine Haushaltsberatung, aber ich glaube, dass man Pension entlang der Entwicklung der Rente, entlang der Alterssicherung, die immer mehr in die Eigenverantwortung des Bürgers gerät, vorverlagern muss.

Ich halte das Lebenseinkommen eines Beamten für gerecht. Ein Beamter bekommt auf dem Weg seiner Stationen – Einstieg, Durchstieg, Pension, Witwenpension – ein faires Gesamteinkommen.

(Abg. Wieser CDU: Wenn er alt wird! – Abg. Drexler SPD: Wenn er alt wird!)

Er bekommt es aber nachlaufend und zu spät. Deswegen plädiere ich für Vorverlagerung. Nicht Pension kürzen, sondern vorverlagern ist der richtige Weg,

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

um zu erreichen, dass der Dienstherr Baden-Württemberg, dass die öffentliche Hand im Wettbewerb um die besten Köpfe konkurrenzfähig bleiben oder wieder wettbewerbsfähig werden kann.

(Abg. Drexler SPD: Dann müsste der Angestellte bleiben!)

Alles in allem ist der Haushalt ein Einstieg. Mit dem Doppelhaushalt setzen wir wesentliche Teile der Koalitionsvereinbarung um. Mit dem Haushalt halten CDU und FDP/ DVP Wort. Mit dem Haushalt werden wir dem Wählervotum der Landtagswahl gerecht. Gleichzeitig ist dieser Doppelhaushalt nur ein erster und zweiter Schritt auf dem Weg zur Nettonullneuverschuldung. Dieser Weg, der noch steinig sein wird, wird uns in den nächsten Monaten beschäftigen. Die CDU-Fraktion bietet der Regierung Erwin Teufel, dem Finanzminister, auch dem Koalitionspartner und im

fairen Wettstreit der Opposition die Bereitschaft zum offenen Dialog an. Ich baue darauf, dass die Haushaltspolitik weiter ein starker Faktor, eine Perspektive für Baden-Württemberg bleiben wird.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und Abgeordne- ten der FDP/DVP – Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das waren aber keine 6:33 Minuten!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Drexler.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Finanzminister hat sich bei der Einbringung des Haushalts in 10 von 20 DIN-A-4-Seiten auf die Bundespolitik gestürzt,

(Widerspruch bei der CDU)