Protokoll der Sitzung vom 31.01.2002

Folgendes zur dortigen finanziellen Situation es fehlen offenbar über 1 Million € ausgeführt:

Von den Inhalten her kann unsere Universitätsbibliothek nur noch mit Bibliotheken in Belgisch-Kongo und Tschetschenien konkurrieren.

Wie stehen Sie zu diesem Vorhalt und zu diesem Zitat, nachdem dies unwidersprochen hier im Raum stand?

(Unruhe Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Was ist jetzt die Frage? Zuruf von der CDU: Belgisch- Kongo! Heiterkeit Abg. Birzele SPD: Jetzt ha- ben Sie zum Schluss wenigstens noch eine Frage hingekriegt! Weitere Zurufe Glocke der Präsi- dentin)

Das Wort hat der Herr Minister!

Ich möchte die Frage in dieser Hinsicht doppelt beantworten, einmal geographisch und zum Zweiten inhaltlich.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU Abg. Pfiste- rer CDU: Sehr gut gemacht! Abg. Wieser CDU: Da merkt man gleich den Fachmann! Der Geo- graph spricht!)

Zum Inhaltlichen: Es ist schon erstaunlich, dass davon ausgegangen worden ist, dass Sondermittel für die Bibliotheken 2002/03 nicht mehr zur Verfügung stünden, die bis jetzt zur Verfügung standen, dass jetzt aber eine Bibliothek, die in diesem Jahr etwas weniger Mittel hat, sozusagen schon vorausgreifend auf einem schlechten Stand ist. Das ist schon verwunderlich. Der Bibliotheksdirektor scheint schon vorauseilend eine Mittelknappheit vollzogen zu haben, die es gar nicht gab. Das ist der erste Punkt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP Abg. Zeller SPD: Der kennt halt die CDU! Abg. Pfis- terer CDU: Das war bestimmt ein Roter!)

Der zweite Punkt zur Sache: Den Universitäten stehen Rückflussmittel aus einem Drittel der abzubauenden Stellen zu. Die Universitäten schöpfen ca. 100 Millionen DM pro Jahr aus freien Stellen. Dann sage man mir, sie hätten keine Möglichkeit, ihre Bibliotheken zusätzlich zu finanzieren.

(Beifall bei der CDU Zuruf von der CDU: Drex- ler ist ein tschetschenischer Mathematiker! Wei- tere Zu- und Gegenrufe Unruhe)

Jetzt noch ein Wort zu den geographischen Begriffen. Ich finde es schon sehr zynisch von einem Bibliotheksdirektor wer auch immer ihn zitiert haben mag , wenn er die Verhältnisse in einer baden-württembergischen Bibliothek mit den Lebensumständen in Tschetschenien und im Kongo vergleicht, wo die Menschen in Kellern wohnen oder vor Vulkanausbrüchen weglaufen müssen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP Beifall der Abg. Theresia Bauer GRÜNE Abg. Pfisterer CDU: Das zeigt das ganze Niveau des Kollegen Drexler! Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Bregenzer?

Ja, bitte.

Herr Minister, es handelte sich dabei ja nicht nur um die Bibliothek der Universität Ulm. Probleme haben auch die Universität Freiburg, die einen großen Bücherverkauf gemacht hat und Hunderte von Abonnements abbestellt hat, die Universität Tübingen und die Universität Konstanz. So war es zumindest in Presseveröffentlichungen der letzen Woche zu lesen. Können Sie uns erklären, warum die Universitätsbibliotheken diese dramatischen Probleme haben, da ja wohl davon auszugehen ist, dass die Universitäten selber die Bedeutung ihrer Bibliotheken sehr wohl wahrnehmen und auch sehen?

Danke, Frau Bregenzer. Wiederum eine zweigeteilte Antwort:

Die Direktorin der Universitätsbibliothek Freiburg hat erklärt, wegen des kalten Winters hätten sie nicht mehr genügend Bibliotheksmittel. Das hat sie aber gerade in der Phase erklärt, wo wir im Januar Außentemperaturen von plus 15 Grad hatten.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Dann hätten sie ja da- mit geheizt und sie nicht verkauft! Heiterkeit und Beifall Abg. Wieser CDU: Dann brauchen sie die Blätter nicht umzudrehen!)

Es gibt bei den Bibliotheken folgende Probleme: Erstens gibt es eine große Verteuerung im Zeitschriftenbereich. Diese Verteuerung liegt eigentlich an der Monopolisierung der Verlage. Wir versuchen derzeit über die Hochschulrektorenkonferenz, wie das in den Niederlanden geschehen ist, einen Gesamtvertrag zwischen den Hochschulen Deutschlands und den Verlagen zu schließen. Das ist im Grunde genommen ein Phänomen eines mangelnden Marktes, das sich gerade in den Naturwissenschaften ergeben hat.

Zum Zweiten ist es so, dass die Dollarverteuerung die meisten internationalen Zeitschriften werden in Dollar gehandelt sich natürlich auf die Kosten im Bibliothekssystem niederschlägt. Auf der anderen Seite müssen Sie sehen, wie viele Haushaltsmittel die Universitäten am Jahresende von einem Haushaltsjahr in das andere übertragen haben. Dann muss man sich fragen, warum nicht ein Teil davon für die Bibliotheken verwandt worden ist.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Ja, warum?)

Das ist eine Sache der Autonomie. Wir werden die Rektoren jetzt noch einmal fragen, warum denn nicht. Hier muss man Prioritäten setzen. Die Bibliotheksversorgung ist wichtig. Ich kann nicht verstehen, wenn zig Millionen Mark übertragen werden, warum es nicht möglich gewesen ist, einige Millionen Mark für Bibliotheken zu investieren.

(Zuruf von der SPD: Euro!)

Die Übertragungen sind noch im vorigen Jahr erfolgt.

(Minister Dr. Frankenberg)

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP Abg. Wieser CDU: Ich befürchte, dass Sie die Fragen mit Frau Bregenzer vor deren Rede abgestimmt ha- ben! Gegenruf des Abg. Stickelberger SPD: Das machen nur die Regierungsfraktionen! Heiterkeit und Beifall)

Herr Wieser, das wäre ja nicht völlig verwerflich.

(Abg. Fischer SPD: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, Autonomie wird durch Globalhaushalte gesteuert, belegt durch Globalhaushalte wie den Solidarpakt. Autonomie ist aber auch eine Frage der übergeordneten Steuerung durch das Parlament und das Ministerium; denn für die Hochschulen, die zu weit über 90 % durch Steuergelder finanziert werden, gibt es eine Verantwortung des Parlaments und auch eine Verantwortung der Regierung.

Damit bin ich bei der Frage des Abbaus von Kompetenzen Klammer auf: „und Stellen“, Fragezeichen, Klammer zu im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Es ist richtig, dass wir Aufgaben abbauen, dass wir Steuerung abbauen, dass wir Eigenverantwortung geben, dass wir Autonomie geben, denn das ist die Voraussetzung für Wettbewerb, wobei Wettbewerb eben auch heißt, dass man mit den vorhandenen Mitteln auskommen muss und sich im Wettbewerb auch zusätzliche Mittel verschaffen können muss.

Wir verstehen uns einerseits als eine politische Steuerung. Wir verstehen uns auch in unserer Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament, denn Sie wollen ja weiterhin Transparenz haben. Wir verstehen uns aber auch als eine Art Holding, und mit dem Abbau von Steuerung geht gleichzeitig ein Aufbau von Service einher. Niemand hat bis jetzt die Frage gestellt, ob denn mit der Verlagerung der Kompetenzen aus dem Ministerium in die Hochschulen dort ein Ausbau der Verwaltungsstruktur stattgefunden hat. Das können die doch nicht einfach ohne zusätzliche Verwaltungsstruktur machen. Da wäre die Alternative: Wir bauen, wie in Amerika, in jeder Hochschule kräftig eine Verwaltung auf. Das würde weit mehr Stellen kosten, als wir je in unserem Ministerium abbauen könnten, und das wäre auch völlig unvernünftig. Deshalb gehen wir zu Service über. Wir müssen bei dem neuen Dienst- und Tarifrecht Herr Pfister, Sie haben es dankenswerterweise erwähnt für die Hochschulen die Serviceleistungen erbringen; denn diese komplizierten Dinge können sie nicht allein bewältigen.

Wir werden auch in Prüfungsordnungsfragen und in Studienordnungsfragen gerade die kleinen Hochschulen, die vielen kleinen Fachhochschulen nach wie vor unterstützen müssen. Wir können nicht überall einen Bereich von Justiziaren und Juristen aufbauen. In diesem Sinne wandeln sich unsere Aufgaben. Wir müssen eine strategische Ebene aufbauen und sind derzeit dabei. Wir müssen wissen, was in der Welt an Änderungen der Strukturen der Hochschulen, an Änderungen der Forschung, an Tendenzen in Forschung, Entwicklung und Hochschulwesen vor sich geht, wenn wir weiter an der Spitze der Welt sein wollen. Dazu brauchen wir die geeigneten Kräfte und auch die geeigneten Menschen. Das heißt, wir wollen umbauen, aber ich

sehe nicht, dass wir abbauen können. Wir werden in der Tat neue Aufgaben übernehmen, und wir werden im Inneren unserer Struktur entsprechende Änderungen vornehmen zum Teil in einer Matrixstruktur. Aber um diese Aufgaben zum Besten unserer guten Hochschulen zu erfüllen, können wir über den vorgesehenen Personalabbau hinaus dieses nicht weiter leisten. Dies bitte ich auch das Parlament zu berücksichtigen, das von uns die Leistung dann auch haben will.

Wir haben von dem Solidarpakt zugunsten der Universitäten gesprochen. Sie haben, Herr Pfister, darauf hingewiesen, dass es einen entsprechenden Solidarpakt mit den Fachhochschulen und den Pädagogischen Hochschulen gibt. Wir haben dort keinen Stellenabbau vorgesehen, sondern die Pädagogischen Hochschulen, die Fachhochschulen und die Berufsakademien erhalten zusätzliche Stellen für ihren Ausbau aus den Stellen, die von den Universitäten abgegeben werden. Es ist eine einmalige Leistung, dass dieser Transfer zustande kommt, und er wäre ohne den Solidarpakt nicht zustande gekommen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Autonomie, Eigenverantwortung und Steuerung durch moderne betriebswirtschaftliche Steuerungselemente werden auch wesentliche Elemente für die Kunsteinrichtungen sein. Auch dort müssen wir jetzt schrittweise zu den Effizienzstrukturen kommen, die wir bei den Hochschuleinrichtungen haben.

Das Land hat bei seinen Hochschuleinrichtungen einen Schwerpunkt auf die Lehre gelegt. Denn dort wächst im Grunde genommen die Innovation in den Köpfen, die Innovation von morgen. Wir haben in wichtigen Zukunftsgebieten die Zahl der Studienplätze erheblich vermehrt, etwa in der Informationstechnologie mit einem Schwerpunkt an den Fachhochschulen und Berufsakademien, aber auch mit einem soliden Ausbauprogramm an den Universitäten. Wir werden auch dem zukünftig steigenden Lehrerbedarf im Bereich der Pädagogischen Hochschulen mit einem Überlastprogramm Rechnung tragen und die Zahl der Studienplätze entsprechend ausweiten.

Wir haben mit neuen Studienstrukturen, nämlich mit dem stufigen Modell von Bachelor und Master, die vernünftige Antwort auf die notwendigen Veränderungen unserer Zeiten gefunden. Wir müssen es schaffen, dass 30 bis 40 % eines Altersjahrgangs eine akademische Ausbildung erhalten. Wir können dies nicht mit den traditionellen fünfjährigen Studiengängen leisten, denn dann werden wir die Überlast an den Hochschulen nicht zurückfahren. Die Gesellschaft und die Wirtschaft bedürfen eines hohen Anteils an Absolventen, die nicht mehr als drei oder vier Jahre studiert haben. Das entspricht auch den Begabungen und den Bedürfnissen vieler. Wir müssen auf der anderen Seite noch in einer zweiten Phase die Weiterbildung sei es in fachlicher oder sei es in wissenschaftlicher Hinsicht ermöglichen, und deshalb sind die gestuften Studiengänge mit Bachelor und Master vernünftig.

In der Qualitätsorientierung und in der Qualitätssteuerung der Lehre führen wir wir haben damit begonnen die regelmäßige Evaluation der Lehre über die Evaluationsagen

(Minister Dr. Frankenberg)

tur in Mannheim durch. Wir fördern die Hochschuldidaktik, denn nicht jede Professorin und nicht jeder Professor kann von Haus aus lehren. Es ist gut, wenn Begabung vorhanden ist, aber ein gewisses Training schadet nicht. Dieses wird auch an den Fachhochschulen in dem Programm LARS durchgeführt. Wir haben ein Sonderprogramm „Qualität der Fachhochschulen und der Pädagogischen Hochschulen“ eingerichtet, um dort besonders teure Berufungen zu ermöglichen. Wir haben an den Musikhochschulen auf Kosten der Lehrauftragsmittel neue Personalstellen geschaffen, um die Qualität der Lehre an den Musikhochschulen zu verbessern.

Wir gehen entschiedene Schritte zur virtuellen Hochschule, das heißt zum Einsatz neuer Medien an den Hochschulen, etwa mit Programmen wie Master-online und Campus-online, also wirtschaftsbezogenen Ausbildungs- und Weiterbildungsprogrammen. Wir wollen allerdings keine völlige Virtualisierung der Hochschulen, denn die gute Hochschullehre, die Präsenzlehre, kann nicht durch Medien ersetzt werden. Die persönliche Betreuung der Studierenden durch Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer muss nach wie vor im Mittelpunkt stehen und kann nicht durch neue Medien ersetzt werden. Dazu müssen wir die Betreuungsrelation verbessern.

Für die Qualität der Hochschulen ist es allerdings wichtig, dass die Professorinnen und Professoren gut, sehr gut und ausgezeichnet sind, aber auch, dass die richtigen Studierenden zu den richtigen Studiengängen an die richtigen Einrichtungen kommen. Es ist schon verwunderlich, dass wir es in Deutschland nicht noch geschafft haben, eine Zentralstelle für die Verteilung von Professoren einzurichten, aber wir haben noch immer eine Zentralstelle zur Verteilung der Studierenden.

(Abg. Wieser CDU: Manche wären nicht vermit- telbar!)

Es wären alle vermittelt worden; das ist das Schlimme.

(Heiterkeit)

Wenn wir eine wirkliche Zusammenfügung des Wunsches der Studierenden, ihrer Fähigkeiten und des Profils der Hochschulen wollen, dann müssen wir das Selbstauswahlrecht der Hochschulen stärken und zum völligen Selbstauswahlrecht kommen. Wir werden den Staatsvertrag über die ZVS kündigen. Wir werden auch mit entsprechenden juristischen Schritten dazu beitragen, dass der Bund, der Detailregelungen im Bereich der Länder vorgenommen hat, nicht nur was die Zulassung, sondern auch was das Kapazitätsrecht betrifft, seine Detailregelungen zurücknimmt und sich auf die Basis der Grundgesetzänderung von 1994 stellt, nämlich nur noch den Rahmen für die Wissenschafts- und Kulturpolitik der Länder gesetzgeberisch zu gestalten.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das ist auch der Grund, warum wir die jetzt vorgenommene Gesetzesinitiative der Bundesregierung zum Verbot der Studiengebühren und zur Einführung der verfassten Studierendenschaft ablehnen. Das ist ein Eingriff in die Länderhoheit. Das ist völlig unabhängig von der Frage, wie

man dazu im Einzelnen steht, ein Bundeseingriff in die Kulturhoheit der Länder, den wir ablehnen.