Protokoll der Sitzung vom 31.01.2002

Das Wort erteile ich Frau Abg. Utzt.

(Unruhe)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Kunst und Kultur Herr Vetter, da gebe ich Ihnen Recht gehören zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Kunst und Kultur werden gemeinhin als das Unterscheidungsmerkmal zwischen Mensch und Tier angesehen. Anthropologen bezeichnen den Zeitpunkt, an dem zum ersten Mal etwas geschaffen wurde, das über die reine Daseinsvorsorge und die Erhaltung der Art hinausgeht, als den Beginn des Menschen.

Dieses Bundesland verfügt über eine große Anzahl höchst interessanter kultureller Einrichtungen. Der Baden-Württemberger darf sich mit Recht als Homo sapiens bezeichnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD Abg. Stickel- berger SPD: Und da vor allem die Badener!)

Spitzen- und Breitenkunst, etablierte und alternative Kunstrichtungen sind hier gleichermaßen vertreten und durch ein hohes Niveau gekennzeichnet trotz der CDU-Regierung.

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Unter anderem um dieses Niveau zu erhalten und, wenn möglich, zu steigern, wurde 1997 die Kulturstrukturkommission eingerichtet. Aber was ist aus deren Ergebnissen geworden? Ich werde darauf noch zurückkommen.

Herr Vetter, Sie haben es auch angesprochen: Die soziokulturellen Zentren sollten im Jahr 2001 mit über 4 Millionen DM aus dem Wettmittelfonds gefördert werden. De facto waren es gut 3,3 Millionen DM, und weitere Kürzungen standen an. Nun erreicht uns die freudige Nachricht, dass die De-facto-Kürzungen und nur die De-facto-Kürzungen, keine Erhöhung, Herr Vetter

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Hört, hört!)

bei den Zuschüssen für die soziokulturellen Zentren zwar zurückgenommen werden. Aber um welchen Preis? Um den Preis der Erhöhung der globalen Minderausgaben bei Museen, Kunst- und Musikhochschulen sowie den Staatstheatern um 250 000 €. Wie können wir bei den Empfehlungen der Kulturstrukturkommission lesen: „Die Staatstheater benötigen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben eine gesicherte Planungsgrundlage“? Dazu gehört auch, dass die beiden Staatstheater von den jährlich im Haushalt zu erbringenden globalen Minderausgaben freigestellt werden.

Aber erst einmal zurück zu den soziokulturellen Zentren. Die dringend erforderliche und von uns beantragte Erhöhung der Baumittel wurde komplett abgelehnt. Das bedeutet, dass in einigen Fällen laufende Baumaßnahmen eingestellt werden müssen und vorsorglich ausgesprochene Kündigungen aufrechterhalten bleiben. Wollen Sie damit auf kaltem Wege den Zentren den Garaus machen? Die soziokulturellen Zentren haben sich übrigens auf Zusagen verlassen, die während einer Podiumsdiskussion im September 2000 von Vertretern der Regierungsfraktionen gemacht worden sind.

In diesem Zusammenhang interessiert uns ganz brennend, Herr Minister, Herr Staatssekretär, wie Sie unter den eben genannten Umständen Ihre Zusagen gegenüber den Vertretern der Württembergischen Staatstheater erfüllen wollen. Besonders unangenehm in diesem Zusammenhang ist, dass durch die Förderpraxis der gegenwärtigen Landesregierung Kulturschaffende gegeneinander ausgespielt werden: Menschen, die zwar einen besonders interessanten Beruf haben, diesen aber nicht zu ihrer alleinigen Freude ausüben, sondern eine Dienstleistung erbringen, an der wir alle ich möchte sagen, fast alle partizipieren und die sehr wohl einen Standortfaktor für den Wirtschaftsstandort BadenWürttemberg darstellt.

In diesem Jahr soll die größte Party gefeiert werden. „Feiern Sie doch, wo Sie wollen“ unter diesem Motto werden mehr als 1 300 Veranstaltungen zum Landesjubiläum angekündigt. Den Freilichtmuseen dieses Landes wird sicher

lich nicht nach Feiern zumute sein. Unser Antrag, die Förderung auf 1,2 Millionen € per anno zu erhöhen, wurde bislang abgelehnt. Dies ist eine nicht nachzuvollziehende Haltung gegenüber unserem bäuerlichen Erbe und den Zeugnissen ländlicher Kultur.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Ich habe zu Beginn meiner Ausführungen über die Bandbreite dessen, was es an kulturellen Einrichtungen in Baden-Württemberg gibt, gesprochen. Dazu gehören natürlich die Freilichtmuseen. Wir müssen uns auch daran messen lassen, wie wir mit unserem kulturellen Erbe umgehen. In diesem Zusammenhang möchte ich übrigens an die Entscheidung von heute Vormittag zum Denkmalschutz erinnern. Die Diskrepanz hier das gefeierte Landesjubiläum, dort die ungenügend ausgestatteten Freilichtmuseen, die im Übrigen schon allein vom Standpunkt des Tourismus her besonders gepflegt gehören ist eklatant. Unter diesem Gesichtspunkt bekommt das Motto „Feiern Sie doch, wo Sie wollen“ einen unangenehmen Beigeschmack.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion ist sich der eingeschränkten Möglichkeiten des Doppelhaushalts 2002/03 durchaus bewusst. Deshalb haben wir zu vielem, was uns ebenfalls am Herzen liegt, keine Haushaltsanträge gestellt. Die von uns immer wieder angemahnte Lage der Landesbibliotheken sei hier nur exemplarisch genannt, oder die Förderung der philharmonischen Orchester und der freien Theater. Auch hier erinnere ich noch einmal an die Empfehlung der Kulturstrukturkommission. Umso mehr können wir den Umgang mit unseren wenigen Anträgen nicht nachvollziehen. „Kultureinrichtungen wie Theater und Orchester dürfen nicht als Mittel zum Stopfen von Haushaltslöchern beantragt werden“, schreibt der Vorstand des Bundesverbands deutscher Theater. Ein einsamer Mahner in der Wüste? Ich möchte anfügen: Die Empfehlungen der Kulturstrukturkommission sind zwar hehr, wenn ihnen aber nicht gefolgt wird, sind sie nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind. Kunst und Kultur sind das Unterscheidungsmerkmal zwischen Mensch und Tier. Nach diesen Haushaltsberatungen habe ich den Eindruck, der „Arme Poet“ von Spitzweg entspricht dem Idealbild, das sich die Regierung und ihre Fraktionen von einer Künstlerexistenz machen. Geben Sie dem „Armen Poeten“ doch wenigstens einen neuen Schirm.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Sieber.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Das Geheimnis der Kunst liegt darin, dass man nicht sucht, sondern findet.

Diese Erkenntnis Pablo Picassos gilt auch für den von uns vorgelegten Kunsthaushalt 2002/03. Mit ihm haben wir eine gute und verlässliche Basis geschaffen für die Weiterentwicklung des Kulturlandes Baden-Württemberg, ohne

freilich dabei die übergeordneten Ziele der Haushaltskonsolidierung aus den Augen zu verlieren.

Ich möchte mich am Beginn meines Beitrags zunächst einmal bei den Regierungsfraktionen, aber zumindest teilweise auch bei der Opposition dafür bedanken, dass wir auf dem Feld der Kunstförderung doch eine große Übereinstimmung haben. Ich sehe darin durchaus auch eine Bestätigung unserer bisherigen gemeinsamen Arbeit.

Meine Damen und Herren, das Jahr 2002 steht natürlich auch was unseren Etat betrifft im Zeichen des Landesjubiläums. Mit der Eröffnung des Hauses der Geschichte auf der gegenüberliegenden Seite der Konrad-AdenauerStraße werden wir die Kette der staatlichen Museen um eine weitere Perle bereichern.

Bleiben wir noch kurz bei den Museen. Nach dem großen Erfolg der Troja-Ausstellung in Stuttgart werden wir mit weiteren Landesausstellungen fortfahren. Derzeit läuft in Karlsruhe eine sehr erfolgreiche Doppelausstellung „Spätmittelalter am Oberrhein“, übrigens mit über 100 000 Besuchern. Wir werden im kommenden Jahr mit der Ausstellung „Säkularisation“ in Bad Schussenried erneut ein für die Landesgeschichte wichtiges Thema aufgreifen.

Gemeinsam mit der Stadt Karlsruhe haben wir die Finanzierung des Zentrums für Kunst und Medientechnologie auf eine dauerhaft solide und tragfähige Basis gestellt. Mit diesem Zentrum und dem angegliederten Museum für Neue Kunst besitzt Baden-Württemberg nicht nur eines der größten Museen für zeitgenössische Kunst, sondern verfügt über eine in Deutschland einzigartige wegweisende Einrichtung der Forschung, der Kulturvermittlung und der Weiterbildung.

Den größten Anteil am Kunsthaushalt des Landes nimmt die beispielhaft ausgewogene und flächendeckende Förderung künstlerisch hochklassiger Theater und Orchester in Baden-Württemberg in Anspruch, allen voran die beiden Staatstheater. Mit einer auskömmlichen Finanzierung und einer ausdrücklichen Freistellung von der globalen Minderausgabe werden wir dafür Sorge tragen, dass sowohl das Badische Staatstheater als auch die Württembergischen Staatstheater in Zukunft ihre Aufgaben erfüllen können.

Wir haben aber nicht nur an die ganz großen Einrichtungen gedacht, sondern auch an die mittleren und kleineren, die, wie wir alle wissen, ebenfalls den Charme der baden-württembergischen Kunstlandschaft ausmachen. So darf ich hier mit großer Freude feststellen: Die soziokulturellen Zentren erhalten den gleichen Betrag wie im letzten Haushaltsjahr, und auch bei den Freilichtmuseen werden die Mittel nicht gekürzt,

(Zuruf der Abg. Inge Utzt SPD)

sodass auch diese wichtigen Einrichtungen im Land Baden-Württemberg ihre Aufgaben erfüllen können. Außerdem haben wir die Mittel bei den freien Theatern um 50 000 € auf 229 000 € erhöht, und auch die Kleintheater, die Ihnen eben so wichtig waren, dürfen mit 50 000 € mehr rechnen.

(Abg. Pfisterer CDU: Sehr gut!)

(Staatssekretär Sieber)

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle nun einige für mich persönlich sehr wichtige Sätze zur Struktur der Finanzierung unserer Kunst- und Kultureinrichtungen. Dieses hohe Haus hat den kommunalen Theatern und den freien Theatern Planungssicherheit gegeben, indem die Haushaltsansätze durch mehrjährige Verpflichtungsermächtigungen abgesichert werden konnten. Damit wurde eine zentrale Forderung der Kulturstrukturkommission erfüllt.

Wir sollten aber erreichen, dass wir vergleichbar mit dem Hochschulbereich auch bei den Museen, Theatern und Bibliotheken zu einer Neuorientierung unseres Finanzierungssystems kommen, das heißt: Wir sichern eine Grundfinanzierung zu, ergänzen sie um Zuschläge, deren Höhe sich aus qualitativen Leistungsmerkmalen ergeben, steuern aber die Entwicklung und strategische Ausrichtung unserer Kultureinrichtungen im Wesentlichen durch Zielvereinbarungen. Diese Entwicklung müsste von einer Stärkung der Autonomie begleitet werden.

Nach den Württembergischen Staatstheatern wird zum Beispiel auch das Badische Landesmuseum die Umwandlung zu einem Landesbetrieb vollziehen. Wir müssen künftig auch für andere Rechtsformen offen sein, um die Autonomie zu fördern, zum Beispiel die Rechtsform selbstständiger Stiftungen. Wenn es uns gemeinsam gelingt, meine Damen und Herren, damit Eigenverantwortung und Eigeninitiative zu fördern und mit neuen Betriebsformen die Wirtschaftlichkeit zu sichern, wäre viel erreicht, nämlich ein Handlungsspielraum, der Kreativität anregt und gleichzeitig Wirtschaftlichkeit sichert.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Utzt?

Aber gerne.

Bitte, Frau Abg. Utzt.

Herr Staatssekretär, habe ich Sie gerade richtig verstanden? Haben Sie gesagt, die Staatstheater seien von der globalen Minderausgabe ausdrücklich ausgenommen?

Ja.

Wo wird dann die Erhöhung bei Titel 972 12 in Anrechnung gebracht? Es geht um die 250 000 €.

Um welchen Titel ging es?

(Unruhe Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Die Erhö- hung bei den soziokulturellen Zentren! Zuruf von der SPD: Die Gegenfinanzierung! Zuruf des Abg. Drautz FDP/DVP Weitere Zurufe)

Die Gegenfinanzierung für Titel 972 12 des Kapitels 1478.

Ich war bei der entsprechenden Finanzausschusssitzung leider nicht anwesend. Ich habe mich

eben nur noch einmal bei unserem Haushaltsreferat rückversichert, dass die beiden Staatstheater das war die Aussage, die Sie abverlangt haben von der globalen Minderausgabe ausgenommen bleiben. Die andere Frage können wir gerne nachher aufklären, Frau Kollegin.