Protokoll der Sitzung vom 31.01.2002

Ich teile die Meinung von Herrn Schmiedel, dass es hier unausgegorene Kürzungspläne gab, die gestreut und hinterher glücklicherweise wieder eingesammelt wurden.

Ich darf das C1-Programm nennen. Dieses Stop-and-go kennen wir, Herr Hofer, schon aus dem Jahr 1997. Auch damals sollte das Programm eingestellt werden und wurde dann aufgrund des breiten Protests wieder eingeführt. Zahlreiche Betriebe, die einen Förderantrag stellen wollten oder bereits gestellt hatten, wurden so verunsichert. Das ist der Effekt.

Auch zu den ÜBAs müssen wir sagen: Die geplanten und dann wieder zurückgenommenen Kürzungen wurden mit dem Handwerk nicht abgesprochen. Das Handwerk wurde einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Das ist keine Politik mit dem Mittelstand. Eine Politik des Dialogs stellen wir uns anders vor. Auch da brauchen wir mehr Verlässlichkeit.

(Beifall bei den Grünen Abg. Fleischer CDU: Warum ärgern Sie sich eigentlich darüber, dass wir es richtig machen?)

Auch das Aussetzen des Altbauprogramms, Herr Fleischer, traf viele Handwerksbetriebe völlig überraschend und unvorbereitet. Auch hier wäre mehr Kontinuität wichtig gewesen.

Herr Fleischer, es ist ja einigermaßen das Richtige herausgekommen. Aber das Hin und Her, welches es im Vorfeld gab, verunsichert gerade die Betriebe, die der Landesregierung angeblich so am Herzen liegen, nämlich die kleinen und mittleren Unternehmen.

(Abg. Fleischer CDU: So schreckhaft sind die auch nicht! Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Das muss man hier schlicht und einfach einmal feststellen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, jetzt zu dem, was tatsächlich hier im Haushalt drinsteht. Es geht ja nicht nur darum, die Zahlen bei den Ausgaben und den Einnahmen in ein

Gleichgewicht zu bringen, sondern es geht bei diesem Haushalt auch um die Zukunft unseres Landes, um die Gestaltung von Rahmenbedingungen,

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Richtig!)

es geht darum, die Anliegen der Ökonomie, der Ökologie und des Sozialen zu einem guten Dreiklang zusammenzubringen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Da sind wir uns einig!)

Kurz: Es geht um eine nachhaltige Politik.

(Abg. Fleischer CDU: Das hat man Ihnen richtig aufgeschrieben!)

Ich schreibe meine Reden schon selbst, Herr Fleischer. Nur dann wird der Standort Baden-Württemberg in Wahrheit zukunftsfähig, und das ist unser Ziel.

(Abg. Fleischer CDU: Nein! Ganz sicher nicht!)

Aber in diesem Haushalt finden sich diese Perspektiven nicht. Die großen Aufgaben im Bereich des Wirtschaftsministeriums werden nicht angegangen.

Ich möchte das an drei Beispielen erläutern: erstens die Regionalisierung der Wirtschaftsförderung, zweitens eine Energieversorgung jenseits von Kohle und Atom und drittens eine Entwicklungspolitik, die Zeichen setzt gegen Armut und Hoffnungslosigkeit.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: „Armut und Hoffnungslosigkeit“! Doch nicht in Baden-Würt- temberg!)

Punkt 1: Der Wirtschaftsminister tut nichts für die Clusterförderung und die Stärkung regionaler Kooperation.

(Zuruf der Abg. Veronika Netzhammer CDU)

Frau Netzhammer, es ist inzwischen unbestritten, dass es für die Zukunft unseres Wirtschaftsstandorts entscheidend darauf ankommt, Aktivitäten in den Regionen zu vernetzen. Solche regional gebündelten Wirtschaftscluster werden allgemein als zentraler Erfolgsfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung betrachtet. Das ist eines der zentralen Ergebnisse des Berger-Gutachtens.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Da sind wir doch dabei!)

Ja, lassen Sie mich doch einfach mal ausreden. Ja? Auch die Mittelstandsenquete, die ja bekanntlich von Ihnen geleitet wurde,

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Richtig!)

betonte, dass gerade auch das regionale Umfeld für den Mittelstand von besonderer Bedeutung ist,

(Abg. Hofer FDP/DVP: Richtig! Deshalb steht es drin!)

nicht trotz, sondern gerade wegen der Globalisierung.

Die Mittelstandsenquete empfiehlt deshalb, die Wirtschaftsregionen in Baden-Württemberg zu stärken und weiterzuentwickeln. Sie hat weiter festgestellt Zitat :

Die „Stärkung der Stärken“ ist ein Faktor der Zukunftsstrategie im internationalen Wettbewerb und trägt zur Bindung der Unternehmen an ihren Standort bei.

Es ist ja gut, wenn wir da Konsens haben. Wie das funktioniert, haben einige Bundeswettbewerbe, aber auch der regionale Kompetenz- und Informationszentren-Wettbewerb des Verbands Region Stuttgart gezeigt. Wir meinen, in diesem Sinne sollte auch das Land aktiv werden.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Machen wir ja! Zurufe der Abg. Hofer FDP/DVP und Schmiedel SPD)

Wir beantragen deshalb einen innovationsorientierten Regionenwettbewerb, und dafür wollen wir Herr Hofer, Sie wollten Zahlen hören 4 Millionen € zur Verfügung stellen. Mit geringem Mittelaufwand und ohne unkalkulierbare Folgekosten könnte er regionale Kooperationen dort anstoßen, wo die Bereitschaft und die Entwicklungsmöglichkeiten vorhanden sind, und trüge so zur Stärkung der Wirtschaftskraft der Region bei.

Herr Abg. Dr. Witzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Hofer?

Am Ende meiner Redezeit gerne.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Herr Hofer wollte Zahlen! Bezahlen!)

In manchen Regionen gibt es bereits eine solche funktionierende Kooperation, in anderen Regionen sind Bemühungen dazu zu erkennen. Dort könnte ein Impuls von der Landesebene in Form eines Wettbewerbs diesen Bemühungen die notwendige Schubkraft verleihen. Herr Döring hat im März 2001 ca. 6 Millionen DM für notwendig erachtet, um diese regionale Clusterbildung voranzutreiben. Im Haushalt finden sich jedoch außerhalb des Forschungsbereichs nur Spurenelemente dieser Willensbekundung. Das Wirtschaftsministerium stellt pro Jahr „üppige“ 375 000 € für diese regional orientierte Clusterförderung zur Verfügung. Allein damit lassen sich keine nennenswerten Impulse erzielen.

Aber ich will hier nicht nur schwarz malen. Deshalb möchte ich einen Punkt dieses Haushaltsplanentwurfs explizit positiv hervorheben. Es geht dabei um die Mittel für die Umsetzung der Empfehlung der Enquetekommission Mittelstand. Diese Mittel tragen wir eindeutig mit, sowohl hinsichtlich ihres Volumens als auch ihres Verwendungszwecks. Das ist von meinen Vorrednern schon genug gelobt worden, deshalb brauche ich das nicht im Detail zu wiederholen.

Allerdings bleiben auch hier einige Wünsche offen. Die Weiterentwicklung des Landesgewerbeamts zu einem Servicecenter wird mit 375 000 € allein nicht gelingen. Für erste Schritte wird das reichen. Weitere Schritte müssen dann noch folgen. Mittelfristig sollte die Weiterentwick

lung zum Servicecenter in die Umwandlung in eine Landeswirtschaftsförderung in Baden-Württemberg münden. Herr Döring, das ist Ihr Kerngeschäft. Hier sollten Sie aktiv werden, anstatt Ihre Kräfte bei einem Schattenboxen mit Ihrem Koalitionspartner über Privatisierungspläne zu verzetteln.

(Beifall bei den Grünen)

Ich komme damit zum nächsten Punkt: Der Wirtschaftsminister betreibt eine rückwärts gewandte Energiepolitik.

Meine Damen und Herren, die Zeiten des billigen Öls werden voraussichtlich in wenigen Jahrzehnten zu Ende gehen. Die Risikotechnologie Atomenergie ist kein Ausweg. Für eine Energiepolitik, die langfristig angelegt ist und die die Forderung der Nachhaltigkeit ernst nimmt, bleibt daher nur ein Weg: Die Nutzung der erneuerbaren Energien in Verbindung mit hoher Energieeffizienz, was man bekanntlich auch als Energiesparen bezeichnet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dass ein solches Szenario möglich ist, haben zwischenzeitlich viele Studien belegt. Selbst der Ölmulti Shell prognostiziert, dass die erneuerbaren Energien bis 2050 die Hälfte unseres Energieverbrauchs decken werden. Meine Damen und Herren, wenn man sich das einmal vorstellt, sieht man, dass hier riesige Märkte entstehen, insbesondere auch im Export. Denn heute haben weltweit noch etwa 2 Milliarden Menschen keinen Anschluss an das Stromnetz. Der Export dezentraler Solartechnik stellt gleichzeitig auch einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Länder des Südens dar.

Bleiben wir aber zunächst hier bei uns. Schon heute spüren wir in der Bundesrepublik den Einstieg ins Solarzeitalter. Dank des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, das bekanntlich von der baden-württembergischen Landesregierung im Bundesrat abgelehnt wurde, sind derzeit bundesweit allein im Bereich der Windkraft 35 000 Menschen beschäftigt. Die Tendenz ist steigend; und auch in anderen Bereichen tut sich etwas.

Der Einstieg in eine zukunftsfähige Energieversorgung nutzt also nicht nur der Umwelt, sondern er kann auch in großem Stil Arbeitsplätze schaffen. Das Land Baden-Württemberg läuft aber Gefahr, diese Chance zu verpassen. Um diese Chance zu nutzen, bedarf es zunächst einer Anschubfinanzierung der neuen Technologien. Daran hapert es hier im Lande; dafür gibt es klare Belege: Als Herr Döring 1996 Wirtschaftsminister wurde, reduzierte er die Ausgaben für die Solarenergie und die anderen erneuerbaren Energien von bisher 20 Millionen DM bis 30 Millionen DM auf unter 10 Millionen DM. Er hat dann irgendwann festgestellt, dass das nicht reicht. Deshalb kündigte er Ende 1998 ein 200-Millionen-DM-Förderprogramm für die erneuerbaren Energien an. Das waren starke Worte, aber auf diese Mittel warten wir bis heute noch vergebens. Diese Ankündigung war also nur eine der bekannten Luftnummern von Herrn Döring.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Im Herbst 1999 gab es dann einen viel zitierten Kabinettsbeschluss, der das Ziel formulierte, den Anteil der erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2010 zu verdoppeln. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, das wir Grünen völlig unterstützen. Aber wer gedacht hatte, dass die Landesregierung Anstrengungen unternimmt, um dieses Ziel tatsächlich zu erreichen, muss sich getäuscht sehen. Auch im Jahr 2000 lagen die Fördermittel wie bisher unter 10 Millionen DM, und in diesem Haushalt wird die Förderung weiter gekürzt. Die Förderung solarthermischer Anlagen wurde kürzlich sogar komplett gestrichen, und das, obwohl noch in der Koalitionsvereinbarung vom April 2001 hierfür zusätzliche Mittel angekündigt wurden. Auch hier wieder nur Ankündigung und heiße Luft anstelle zukunftweisender Politik. So verabschiedet sich die Landesregierung von dem selbst gesteckten Verdoppelungsziel. Sie vergibt die Chancen, als Pionier auf den neuen Märkten Arbeitsplätze zu schaffen, und zeigt, dass sie in der Energiepolitik weiter in den alten Kategorien von Kohle und Atom denkt und die Zeichen des beginnenden Solarzeitalters nicht erkannt hat.