Protokoll der Sitzung vom 06.03.2002

(Beifall der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Zugleich kritisieren Sie ja damit auch die gesamten Landtagsfraktionen der anderen Bundesländer, Herr Minister, die sich beispielsweise in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2001 einmütig geeinigt haben, eine Luftverkehrskonzeption erarbeiten zu lassen und auf dieser Grundlage zu überlegen, wie Kapazitäten ausgebaut und wie Kapazitäten auch regional verlagert werden können, um ein stimmiges Konzept im Land zu haben.

Die ganze differenzierte Fragestellung, die Sie, Herr Minister Müller, zu meiner Zufriedenheit vorhin an den Tag gelegt haben, würde nämlich genau in diese Konzeption eingehen, also auch die Verknüpfung mit den anderen Verkehrsträgern, die Berücksichtigung ökologischer Fragen, die Berücksichtigung von Umweltfragen, die Berücksichtigung des Naturschutzes.

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

All dies würde in die Konzeption mit eingehen. Deswegen brauchen wir sie dringend gerade auch, damit man für die Diskussion um den Flughafen Stuttgart, die ein Stadium erreicht hat, bei dem man sich irgendwann entscheiden muss, eine verlässliche Grundlage hat. Ich möchte noch einmal an Sie appellieren, die Bockbeinigkeit doch zu lassen und zu sagen: Das ist genau das, was wir jetzt für die Diskussion in diesem Landtag brauchen, damit gediegene Grundlagen vorhanden sind. Sperren Sie sich nicht weiter; stimmen Sie zu.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Palmer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister Müller, ich stelle zunächst fest, dass es ein eklatanter Widerspruch ist, auf der einen Seite den Flugverkehr mit Zuschüssen immer weiter zu dopen, aber auf der anderen Seite zu beklagen, dass das Flugbenzin nicht besteuert wird. Man sollte endlich damit Schluss machen, den Flugverkehr in der globalen steuerfreien Zone zu halten und, wenn schon keine Steuern bezahlt werden, auch noch zusätzlich Zuschüsse zu gewähren. Dies betrifft Ihre Investitionspolitik.

(Beifall bei den Grünen)

Zur Klimaschutzabgabe: Sie haben moniert, wir hätten das Flugbenzin noch nicht besteuert. Sie wissen, dass seit 1944 ein Abkommen existiert, das die Besteuerung des Flugbenzins verbietet. Dieses Abkommen können Sie nicht einseitig kündigen; das ist nicht möglich. Was haben wir aber dennoch getan? Wir haben in unserer Bundestagsfraktion ein Alternativkonzept entwickelt das ist Ihnen vielleicht nicht bekannt , das eine Klimaschutzabgabe vorsieht, die nicht das Benzin selbst besteuert, sondern die Klimaschäden. Das ist sehr wohl mit dem internationalen Recht vereinbar. Die EU arbeitet daran. Ich bin sehr optimistisch, dass wir diesbezüglich in naher Zukunft zum Erfolg kom

men werden. Das haben Sie jedenfalls nicht zustande gebracht.

Der eigentliche Kern der Debatte das ist ja klar geworden ist der Ausbau des Flughafens Stuttgart, ist die Frage einer zweiten Start- und Landebahn. Sie bleiben da immer noch sehr unkonkret. Denn auch wenn Sie im Moment keinen Ausbaubedarf erkennen, ist damit für die Zeit nach 10 oder 15 Jahren nichts gesagt. Ich befürchte, dass Sie dann doch einknicken und die zweite Start- und Landebahn bauen lassen wollen. Wir lehnen das ab, und wir sagen schon heute klar:

(Abg. Hauk CDU: Warten Sie doch ab, wie sich die Zahlen entwickeln!)

Mit uns gibt es, egal, wie die Entwicklung ist, keine zweite Start- und Landebahn, weil wir Alternativen sehen, und diese wollen wir fördern.

(Beifall bei den Grünen Zuruf von der CDU: Da gibt es euch nicht mehr!)

Herr Kollege Hauk, Sie sagen, der Vorlauf für eine solche Baumaßnahme betrage doch 20 Jahre. Wenn das so ist, müssen Sie sich jetzt entscheiden. Wenn Sie nämlich später zu dem Ergebnis kommen, wir bräuchten die zweite Startund Landebahn, besteht dafür schon lange keine Notwendigkeit mehr, und Sie sind zehn Jahre zu spät dran. Sie können sich nicht mehr herumdrücken. Es genügt auch nicht, Solarien in der Nähe des Flughafens zu eröffnen. Man muss sich schon einmal klar entscheiden, ob man die zweite Start- und Landebahn braucht oder nicht das ist an die Adresse der FDP/DVP gerichtet.

Nun noch zu der Behauptung, dass sich nach dem 11. September die Diskussion erledigt hätte. Dazu muss ich Ihnen sagen: Das ist leider nicht so. Ich habe nach dem 11. September mit Herrn Fundel gesprochen. Der Flughafenchef selbst sagt ganz klar: „Wir brauchen die zweite Start- und Landebahn auch nach dem 11. September; das ist nur ein Einbruch konjunktureller Natur, und langfristig wird dies gar nichts ändern.“ Damit sind auch Sie konfrontiert.

(Abg. Hauk CDU: Der Flughafen soll das operati- ve Geschäft machen! Die Frage der Unterneh- menszielsetzung ist Sache des Trägers!)

Deswegen, Herr Minister Müller, meine Bitte an Sie: Wenn Sie uns schon keine Konzeption vorlegen was Sie sagen, ist schön, aber Nachlesen wäre doch besser, denn dann kann man sich darauf berufen , dann wäre es vielleicht gut, wenn wir im Parlament Zugriff auf die einschlägigen Gutachten bekämen, um selbst beurteilen zu können, wie notwendig die zweite Start- und Landebahn ist; denn damit ist ja die Diskussion im letzten Sommer losgetreten worden. Bis heute konnte ich diese Gutachten nicht einsehen. Das ist meine Bitte an Sie. Dann können wir die Diskussion in Zukunft auf einer besseren Grundlage führen.

(Beifall bei den Grünen)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen damit zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 13/76.

(Stellv. Präsident Birzele)

Abschnitt I ist ein Berichtsantrag und durch die Aussprache erledigt. Gegen diese Feststellung erhebt sich kein Widerspruch.

Wird zu Abschnitt II Abstimmung beantragt? Bitte, Herr Abgeordneter.

Nein, wir bitten um Überweisung an den Ausschuss.

Überweisung an den Ausschuss für Umwelt und Verkehr. Sie stimmen dem zu.

(Abg. Alfred Haas CDU: Beerdigung! Gegenruf des Abg. Dr. Caroli SPD: Nichts! Überweisung!)

Damit ist Punkt 5 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Innenministeriums Eckpunkte zur Wahlrechtsreform Drucksache 13/90

Zusätzlich rufe ich den Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/817, auf.

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags Drucksache 13/90 fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Wem darf ich das Wort erteilen? Herr Abg. Oelmayer, Sie erhalten das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir das Thema der Reform des Landtagswahlrechts heute, im fahnengeschmückten Plenarsaal, wieder auf die Tagesordnung gesetzt haben, haben wir, glaube ich, den richtigen Tag ausgewählt. Das 50-Jahr-Jubiläum, ein Festakt anlässlich der Wahl und der konstituierenden Sitzung der Verfassunggebenden Landesversammlung des Landes Baden-Württemberg ist Anlass genug, über eine Reform des Landtagswahlrechts nochmals nachzudenken.

Wir haben auch im Redebeitrag des Festredners, Herrn Professor Leicht, gehört, dass zwar das Kommunalwahlrecht in Baden-Württemberg durchaus modernen, demokratischen Grundsätzen entspricht, in seinem nächsten Satz hat er aber zugleich betont, dass es dem Landtagswahlrecht, jedenfalls nach seiner Auffassung, an Transparenz mangelt und dass es damit natürlich auch nicht dem modernen Kriterium möglichst direkter Bürgerbeteiligung in umfassender Form gerecht wird.

Ich möchte Ihnen eine kleine Chronologie vortragen wenn auch nicht zurückgehend bis zum Jahr 1952; das will ich Ihnen, meine Damen und Herren, zu fortgeschrittener Stunde ersparen.

Ich möchte mit der Wahl des 13. Landtags von BadenWürttemberg beginnen. Nach dieser Wahl gab es eine Koalitionsvereinbarung, in der festgestellt wurde, dass das Landtagswahlrecht reformbedürftig ist und dass man es reformieren muss. Insbesondere die FDP/DVP-Fraktion hat

sich dabei hervorgetan und auch kundgetan, dass sie diese Reform wolle.

Es gab dann zwei Anträge, einen von der SPD-Fraktion auf Einsetzung einer Expertenkommission, von der auch alles auf die Tagesordnung gesetzt werden sollte, was reformbedürftig ist. Des Weiteren haben wir in der Folge einen Eckpunkteantrag eingebracht, über den wir heute diskutieren. Wir werden sicherlich auch entscheiden, welche Eckpunkte bei der Reform des Landtagswahlrechts tatsächlich angegangen werden müssen.

Der Antrag der SPD-Fraktion ist abgelehnt worden, meine Damen und Herren, Sie wissen das. Wir haben keine Expertenkommission eingesetzt.

Wir haben dann um es abzukürzen am 6. Dezember des vergangenen Jahres im Ständigen Ausschuss die Frage diskutiert. Dort hatten Vertreter der Landesregierung letztendlich zugesagt, dass bis zum Frühjahr dieses Jahres ich will Ihnen zugestehen, „ein Vertreter des Innenministeriums“ steht im Protokoll, Herr Innenminister; ein solcher sind Sie die wesentlichen reformbedürftigen Punkte auf den Tisch des Landtags gelegt werden. So steht es im Protokoll des Ständigen Ausschusses vom 6. Dezember. Jetzt können Sie natürlich sagen: Heute, Anfang März, schreiben wir noch nicht Frühjahr. Nichtsdestotrotz wollen wir in der Diskussion über unseren Antrag doch gerne von Ihnen hören, wie weit Ihre Überlegungen denn gediehen sind auch zu den Eckpunktevorschlägen, die wir in unserem Antrag vorgebracht haben.

Ich darf noch kurz auf diese Vorschläge eingehen: Es geht im Wesentlichen damit möchte ich beginnen, auch unterstützt durch eine jetzt vorliegende Stellungnahme des Innenministeriums um die Entwicklung der Größe der Landtagswahlkreise in Baden-Württemberg. Daraus folgt, dass eine gewisse Anzahl von Wahlkreisen deutliche Abweichungen nach oben aufweist diese Wahlkreise sind um über 25 % größer als der Durchschnitt und dass es Wahlkreise gibt, die in signifikanter Größenordnung Abweichungen nach unten aufweisen. Das bedeutet, meine Kolleginnen und Kollegen, in diesem Bereich ist eine Reform natürlich dringend angesagt. Zwar sagt der Staatsgerichtshof zu der derzeit noch gültigen Rechtsprechung, eine Abweichung von einem Drittel das heißt 33 % sei rechtlich noch zulässig. Zwischenzeitlich gelten für das Bundestagswahlrecht aber 25 %. Da bin ich der Meinung: Was für das Bundestagswahlrecht recht ist, kann für das Landtagswahlrecht nur billig sein.

(Beifall bei den Grünen)

Das ist eine zentrale Forderung auch unseres Eckpunkteantrags. Weitere Forderungen sind, einmal nachzudenken über die Einführung eines Zweistimmenwahlrechts, einmal nachzudenken über die Anwendung des Auszählverfahrens: nicht mehr das bisherige d’Hondt’sche Auszählverfahren anzuwenden, sondern das Hare/Niemeyer-Verfahren usw. All diese Vorschläge finden sich in unserem Eckpunkteantrag.

(Abg. Herrmann CDU: Über all das haben wir schon nachgedacht!)

Wir haben in diesem Eckpunkteantrag gefordert, dass die Landesregierung dazu eine Konzeption, sprich einen Gesetzentwurf, vorlegt. Dieser Gesetzentwurf fehlt bis heute. Stattdessen, meine Damen und Herren, landet heute auf dem Tisch des Hauses ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, zu dem ich schon vorweg kurz Stellung nehmen möchte.

(Abg. Oettinger CDU: Der ist noch gar nicht be- gründet, Herr Kollege!)

Im ersten Punkt wird dort beantragt, man solle jetzt, solange das Staatsgerichtshofverfahren läuft, gar nichts tun. Das ist das Allererste. Meine Damen und Herren, ich habe bei der letzten Debatte in diesem Hause schon erwähnt, dass wir als Landtag von Baden-Württemberg in allererster Linie aufgerufen sind, die Fragen des Wahlrechts zu überprüfen und darüber auch zu entscheiden. Meine Damen und Herren gerade von der CDU-Fraktion, wenn man denkt, man könne alle politisch zu entscheidenden Fragen Länderfinanzausgleich oder UMTS-Beteiligungen oder auch das Landeswahlrecht an die Justiz delegieren, dann braucht man sich nachher über die Entziehung von Kompetenzen der Landtage nicht mehr zu wundern. Das ist zutiefst unsere Angelegenheit und unsere Entscheidung.

(Beifall bei den Grünen)

Deswegen, meine Damen und Herren, können Sie bei diesem Punkt nur auf Ablehnung bei uns stoßen. Es sieht so aus, als wollten Sie wieder verzögern, als wollten Sie Zeit gewinnen, als wollten Sie wie beim vorigen Tagesordnungspunkt einfach keine Konzeption vorlegen.