Protokoll der Sitzung vom 07.03.2002

Wir respektieren, dass ein Teil jedenfalls ein wichtiger Teil des Koalitionspartners nicht bereit ist, dem Zuwanderungsgesetz in dieser Form zuzustimmen. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass auch die FDP an der einen oder anderen Stelle noch deutliche Verbesserungswünsche hat.

(Beifall des Minister Dr. Döring Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist wahr! So ist es!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wo anders als in einem Verfassungsorgan wie dem Bundesrat wäre denn sonst die Gelegenheit, noch einmal auf diese Änderungswünsche einzugehen? Was wäre das klassische Instrument hierfür? Im Vermittlungsausschuss versuchen, diese Argumente noch einmal aufzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP Abg. Pfister FDP/DVP: Sehr gut!)

Da gibt es von der FDP das Argument, es gebe sehr bürokratische Regelungen im Bereich der Arbeitsmigration. Da könnte man noch einiges vereinfachen. Es gibt das Argument, es gebe keine klare Kostendefinition in Sachen Integration. Von der CDU gibt es 16 Punkte. Diese liegen ja auf dem Tisch. Viele davon teile ich nicht. Das sage ich ganz ehrlich. Aber wenn man Kompromisse sucht, dann muss man zumindest die Bereitschaft zeigen, darüber zu reden.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Richtig!)

Ich muss schon auch sagen: Gerade die Argumente zum Nachzugsalter teile ich am allerwenigsten, weil ich ein anderes Bild von Familie habe, und zwar egal, ob deutsche Familien oder ausländische Familien.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen sowie des Abg. Pfister FDP/DVP Abg. Ca- pezzuto SPD: Bravo!)

Wie ist jetzt die Gemengelage? Wie können wir hier vor Ort dazu kommen, dass es zu diesem Verfahren im Vermittlungsausschuss kommt?

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ja! Das ist die Frage!)

Die eine Möglichkeit, dass wir uns mit unserem Koalitionspartner auf eine Ablehnung dieses Gesetzes einigen, scheidet aus. Nach meinen Ausführungen ist, glaube ich, klar geworden, dass wir dieses Gesetz wollen, wenngleich wir im Vermittlungsverfahren noch Änderungen einbringen wollen.

Wenn wir heute Ihrem Antrag zustimmen würden, würden wir den Weg des Vermittlungsverfahrens ablehnen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es!)

Denn damit würden wir sagen: Wir wollen das Gesetz so, wie es die Bundesregierung vorgelegt hat. Das wollen wir natürlich auch nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Was bleibt für uns also übrig? Wir können nur eines tun, nämlich die Koalitionskarte ziehen und sagen: Wir enthalten uns im Bundesrat wohlwollend der Stimme und weisen darauf hin: Wir wünschen uns, dass die Themen, die den einzelnen Beteiligten am Herzen liegen, in einem regulären Vermittlungsverfahren noch einmal angesprochen werden, damit wir vielleicht doch noch im Konsens eine Lösung erzielen, mit der eine breite Mehrheit der Bevölkerung und mit der die Wirtschaft leben kann. Denn das ist ja ein Thema.

Herr Kollege Behringer ist gerade nicht mehr da. Was ist denn die Krux? Wir werden derzeit von mittelständischen Betrieben immer wieder darauf hingewiesen: „Es kann nicht angehen, dass wir über das leidige Asyl- und Flüchtlingsverfahren versuchen müssen, Arbeitsmarktprobleme hier zu lösen.“ Wir müssen zu einer Regelung kommen, die genau da Abhilfe schafft.

Abschließend darf ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wenn Sie nicht verstanden haben, dass wir Ihrem Antrag so nicht zustimmen können, sagen: Damit wäre der Weg in den Vermittlungsausschuss ein Stück weit verbaut.

(Zurufe der Abg. Ursula Haußmann und Drexler SPD)

Ich hätte Ihnen empfohlen, das zu tun, was Ihre Kollegen im hessischen Landtag getan haben. Sie haben nämlich ganz aktuell, auch dringlich einen Antrag eingebracht, der da lautet:

Die Landesregierung

also die hessische

wird aufgefordert, sich konstruktiv auf der Basis des von der Bundesregierung erarbeiteten Gesetzentwurfs für ein Zuwanderungsgesetz im Bundesrat zu beteiligen.

(Abg. Drexler SPD: Was heißt denn das?)

Also keine Entscheidung zwischen Schwarz und Weiß oder zwischen Ja und Nein. Vielmehr soll eine konstruktive Beteiligung erfolgen.

(Zurufe von der SPD)

Genau dies will die FDP/DVP. Deswegen müssen wir den Antrag ablehnen.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Wir wollen durch eine Enthaltung im Bundesrat aber erreichen, dass die Tür nicht zugeschlagen wird, um die historische Chance ergreifen zu können, in Deutschland auch im Interesse von Baden-Württemberg ein modernes Zuwanderungssteuerungs- und begrenzungsgesetz zu realisieren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP Zuruf des Abg. Pfister FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bauer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Heute Morgen hat die Regierung eingeräumt, dass in Bezug auf Integration viel mehr Anstrengungen als bisher unternommen werden müssen. Die bisherige passive Haltung der Politik in Sachen Integration muss aufgegeben werden, um den Versäumnissen der Vergangenheit entgegenzutreten. Diese Kurskorrektur ist gut,

denn sie markiert den Abschied von der Illusion, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Sie machen sich selbst und der Bevölkerung umgekehrt aber erneut Illusionen, wenn Sie jetzt auseinander dividieren, was eigentlich wie zwei Seiten einer Medaille zusammengehört.

Sie behaupten, Integration gehe vor Zuwanderung zuerst das eine und dann das andere.

(Abg. Heinz CDU: Das steht in der Begründung des Antrags der SPD drin!)

Eines würde mich wirklich interessieren. Erklären Sie uns bitte einmal, was Sie damit meinen. Können Sie uns vielleicht eine Schuhgröße angeben, wie viele Jahre Sie mehr oder weniger veranschlagen dafür, wann die Integration weit genug vorangeschritten ist und wann wir uns einen Zuwanderungsprozess leisten können? Oder an welchen anderen Indikatoren möchten Sie es eigentlich festmachen, wann weitere Zuwanderung erlaubt sein soll? Sie wissen sehr gut, dass das nicht geht.

Ein zeitliches Nacheinander von Integration und Zuwanderung gibt es nicht. Nur wenn beides zusammen gedacht wird, wird ein Schuh daraus.

Wir brauchen Zuwanderung. Das hat der Landesregierung schon ihre eigene Zukunftskommission 1998 ins Stammbuch geschrieben. 25 000 qualifizierte Arbeitskräfte zusätzlich für jedes Jahr, allein in Baden-Württemberg: Das war ihr Resümee, und zwar, weil das zur Sicherung unseres Wohlstands und zur Sicherung unserer sozialen Systeme unverzichtbar ist.

Das Bild vom Ausländer, das Sie so gern zeichnen so, wie Sie es vorhin auch getan haben , der in unsere Sozialsysteme einwandert und sie belastet, ist eine Verdrehung der Tatsachen.

(Abg. Heinz CDU: Sie müssen sich nur einmal die Zahlen anschauen!)

Wir brauchen Zuwanderung, weil sie unser Sozialversicherungssystem zukunftsfähig macht. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Nur so werden wir unsere Sozialversicherungssysteme auch in Zukunft halten können.

(Beifall bei den Grünen Zuruf des Abg. Scheuer- mann CDU)

Deshalb brauchen wir einen gesetzlichen Rahmen, der es erlaubt, diesen Prozess der Zuwanderung zu steuern und zu gestalten. Das heißt, wir brauchen ein Instrumentarium, um die Türe einmal weiter und einmal weniger weit zu öffnen aber sie zu öffnen und das in Abhängigkeit von vielen Faktoren selbst zu entscheiden, zum Beispiel in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Lage.

Das vorliegende Einwanderungsgesetz ermöglicht die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften, es schafft ein Recht auf Integration und verbessert in zentralen Punkten den Schutz für Flüchtlinge. Genau in dieser Kombination ist es ein gutes Gesetz. Das bestätigen auch die vielen, vielen Stellungnahmen vonseiten der Wirtschaftsverbände, ob von Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite, von den Kirchen, wie es eben auch ausführlich zitiert wurde, oder von

den Hochschulen. Wen immer Sie fragen, alle drängen darauf, dass mit diesem Gesetz jetzt endlich der Durchbruch geschafft wird, und sie bitten CDU und FDP, ihre Blockadehaltung endlich aufzugeben.

(Beifall bei den Grünen)

Die Regierung im Bund ist Anfang März noch einmal auf die Wünsche der CDU zugegangen, und sie hat einen weiteren Kompromiss vorgelegt, auch an die Adresse der FDP. Es ist ja nicht so, dass wir hier einen puren rot-grünen Gesetzentwurf Ihnen sozusagen zum Schlucken vorlegen. Vorausgegangen ist ein monatelanger Prozess der Verhandlungen. Wir sind mehrmals auf Wünsche und Anforderungen der Opposition eingegangen. Auch die FDP konnte in einer Diskussion, die jetzt über ein Jahr anhält, ihre Ideen ausgiebig einbringen. Es ist ja nicht so, als gäbe es demnächst im Vermittlungsausschuss zum ersten Mal die Gelegenheit für Verhandlungen. Wir haben also Anfang März einen neuen Schritt auf die Opposition und auf die Union zu gemacht, um insbesondere den großen Koalitionen in Brandenburg und Bremen eine Zustimmung zu ermöglichen.

Die Reaktion der CDU, besonders seit ihr Kanzlerkandidat Stoiber heißt, ist eindeutig.

(Abg. Zimmermann CDU: Die war schon immer so!)

Für Sie geht kein Entgegenkommen weit genug, weil Sie aus Prinzip gegen jede Form von Zuwanderung sind.