Protokoll der Sitzung vom 07.03.2002

Sie sprachen es an: Die Dose ist billig. Wenn Sie bei Aldi für 38 oder selbst für 42 Pfennig einen halben Liter oder einen Liter meistens sind es Halbliterdosen Bier kaufen können, ist doch klar, dass die Leute das kaufen. Das wird ja unter dem Herstellungspreis verkauft, um andere im Preiskrieg kaputtzumachen, um mit einem Preiskrieg nicht nur anderen Handelsketten, sondern auch den Brauereien zu schaden. Das ist wirklich irrsinnig.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das wird doch durch das Dosenpfand nicht besser!)

Doch, das wird dadurch besser.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Sie sind halt ein Träumer!)

Natürlich wird das besser, weil sich der Preis etwas erhöht.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das verteuert sich nicht! Die kriegen das Pfand doch zurück!)

Schauen Sie einmal in unsere Nachbarländer, wo man den Mehrweg nicht gestärkt hat. Was ist dort passiert? In Österreich ist der Mehrweg praktisch zusammengebrochen. In Belgien ist er mehr oder weniger zusammengebrochen, und in der Schweiz gibt es jetzt dieselbe Entwicklung. Wollen Sie das bei uns auch? Dann müssen Sie das wirklich sagen.

Herr Scheuermann hat das zu Recht gesagt: Jetzt muss etwas passieren. Sie glauben immer noch an diese komische Selbstverpflichtung. Die hat doch noch nie funktioniert.

Das Umweltbundesamt hat einmal eine Untersuchung durchgeführt, was Selbstverpflichtungen gebracht haben. Ergebnis: Unter dem Strich gar nichts. Deswegen kann auch ich daran einfach nicht glauben. Die Industrie hat kein Interesse daran gezeigt, eine Mehrwegquote von 72 % zu halten. Deswegen ist es ganz logisch, dass jetzt das Pfand greifen muss.

Ich möchte zum Schluss noch Herrn Troge Herr Minister, das ist ja ein Parteifreund von Ihnen zitieren, den Präsidenten des Umweltbundesamts...

Herr Abg. Walter, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

... ja, ich komme zum Ende :

Wir brauchen das Einwegpfand so rasch, wie es rechtlich möglich ist, um den Besorgnis erregenden Abwärtstrend beim Mehrweg zu stoppen.

Deshalb kann ich nur sagen: Unterstützen Sie jetzt Trittin bei seinem Vorhaben. Dann wird dieser Trend zum Einweg gestoppt, und wir bekommen wieder mehr Mehrweg. Das ist im Interesse unserer Umwelt und auch unseres Mittelstands.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.

(Abg. Fischer SPD: Hat die noch Redezeit?)

Herr Kollege Walter, offensichtlich ist Ihnen nicht klar gewesen, was dieses Angebot der Industrie bedeutete. Das war nicht einfach eine lockere Selbstverpflichtung, sondern die war für den Fall, dass sie nicht eingehalten wird, mit Strafzahlungen bewehrt. Solche Verträge, die Geld kosten, werden in der Regel sehr wohl eingehalten.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Dass sich bisher niemand danach richten musste, ist auch klar. Der Vertrag wurde ja nicht abgeschlossen. An einen Vertrag, den ich nicht unterschrieben habe, halte ich mich normalerweise auch nicht. Wozu auch?

Genau das werfen wir dem Bundesumweltminister vor: Er hat sich nicht darum gekümmert, eine vernünftige Lösung zu finden. Und jetzt lässt er zu ja, er fordert dies gerade , dass durch ganz Deutschland hindurch eine Mordsbürokratie aufgebaut wird, dass wir Installationen und Investitionen vom Mittelstand verlangen. Die Großen da haben Sie völlig Recht werden das locker wegstecken, aber die Kleinen werden daran eingehen. Und daran sind Sie mit schuldig.

(Widerspruch bei den Grünen Abg. Kretschmann GRÜNE: Die ganzen mittelständischen Brauereien waren völlig auf unserer Seite!)

Meine Damen und Herren, das Wort erteile ich Herrn Minister Müller.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies ist mein sechster Auftritt in zwei Tagen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das eint uns! Unruhe)

Aber es ist für heute mein letzter.

Ich muss zunächst einmal sagen: Es fällt schwer, über das Thema Dosenpfand keine Satire zu schreiben.

(Heiterkeit des Abg. Scheuermann CDU)

Es ist schon Wahnsinn das sage ich kritisch und selbstkritisch, ironisch und selbstironisch : Es herrscht eine ungemein verworrene Diskussionslage, immerhin bei einem Thema, das die Menschen schon berührt,

(Minister Dr. Schäuble: Tag und Nacht!)

es gibt unterschiedliche Ziele. Schon die Frage, wie wichtig eigentlich das ganze Thema ist, wird unterschiedlich beurteilt. Es bestehen unterschiedliche ökonomische Interessen, es herrscht Ungewissheit in der Problembewertung, Ungewissheit in der Frage, welche Instrumente tauglich sind, und das quer durch alle politischen Lager.

Viel verwirrender kann die Situation eigentlich nicht mehr sein. Ich will das einmal ganz zugespitzt formulieren. Die meisten, die an der Diskussion teilnehmen, argumentieren aus ökonomischen Betroffenheiten und Interessen heraus, aber formal mit ökologischen Argumenten, und das passt nicht zusammen. Hier wird die Ökologie für ökonomische Diskussionen instrumentalisiert.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Von wem?)

Von allen Beteiligten. Soll ich ein ganz konkretes Beispiel nennen?

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Ja, bitte!)

Nehmen Sie die Mineralbrunnen. Seit sie auf PET umgestiegen sind, hören Sie von ihnen nichts mehr. Die standen vorher Seite an Seite mit den mittelständischen Brauereien. Jetzt sind sie auf PET umgestiegen, und seitdem interessiert sie eine ökologisch orientierte Diskussion über Verpackungen überhaupt nicht mehr. Das ist so. Das müssen wir ganz nüchtern feststellen. Deswegen fällt es schwer, in einer solchen Diskussion eine saubere ökologisch orientierte Argumentation durchzuhalten. Die Pressionen, die Erwartungen, die Hoffnungen und Befürchtungen aller Beteiligten aus der Wirtschaft sind nur ökonomisch zu erklären. Sie werden die Ökologie als Vorwand finden, aber nie als wirkliche Begründung.

Ich will den ganzen Wust an Aspekten gar nicht mehr schildern, sondern nur einmal in aller Kürze auf die Ereignisse der letzten zwölf Monate eingehen:

Zuerst gab es das Töpfer-Pfand, das im Prinzip besagt: Es muss sichergestellt sein, dass eine bestimmte Quote eingehalten wird, und wird sie unterschritten, müssen diejenigen, die zum Unterschreiten der Quote beigetragen haben, mit einem Pfand belegt werden. Dieses Töpfer-Pfand stand bis vor kurzem nicht zur Verfügung.

(Minister Müller)

Auf der Basis des Töpfer-Pfandes hat Trittin ein eigenes Pfandmodell entwickelt, das im Prinzip beinhaltet: Man orientiert sich nicht an einer Quote, sondern legt fest, dass alle Einwegverpackungen und alle ökologisch gleich schlecht bewerteten Verpackungen mit einem Pfand belegt werden, und zwar unabhängig davon, ob eine bestimmte Quote erfüllt ist oder nicht.

Das hat einige Vorteile, zum Beispiel den der Klarheit, der Eindeutigkeit, der Einfachheit. Aber alle Probleme, die mit dem Pfand verbunden sind, werden dann natürlich eine entsprechend massive Rolle spielen, beispielsweise die Kosten, der Handlingsaufwand und dergleichen mehr.

Übrigens: Trittin sagt, das Pfand würde keinen Bürger etwas kosten.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Es gibt doch kein politisches Problem auf der Welt, das nicht auch negative Seiten hat!)

Okay. Einverstanden. Also sind wir schon einmal so weit. Aber was mir zum Beispiel an Trittin nicht gefällt, ist die Argumentation, den Bürger würde das Pfand nichts kosten; denn wenn er das Ding zurückgebe, bekomme er das Geld zurück. Für das Pfand selbst gilt das,

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

aber den ganzen Aufwand, den man betreiben muss, um ein Pfandsystem einzuführen, den bezahlt der Bürger natürlich das ist ja klar , und das sind einige Milliarden Euro.

(Abg. Walter GRÜNE: Er braucht ja keine Dosen zu kaufen! Das ist ja der Sinn der Sache!)

Die unionsregierten Bundesländer haben gesagt Mehrwegsicherung wollen wir : Das Beste wäre, wir könnten das Pfand vermeiden und die Mehrwegsicherung aufrechterhalten. Wir stellen von einer Quote auf eine bestimmte Literzahl um und sagen: Wir wollen einen Vertrag. Die Wirtschaft soll sich verpflichten, bei Unterschreitung dieser Menge entsprechend zu zahlen. Notfalls wenn diese Lenkungswirkung nicht greift steht das Pfand immer noch zur Verfügung. Das haben wir damals schon gesagt. Wir haben das Töpfer-Pfand nie abgelehnt, aber wir haben gesagt: Es steht in Reserve. Wir wollen es mit einem anderen Mittel versuchen.

Jetzt haben wir „erstaunlicherweise“ quer über die Parteien hinweg eine Mehrheit im Bundesrat gefunden, und damit hat man ein Patt. Das Töpfer-Pfand stand nicht zur Verfügung, wegen des Rechtsverfahrens. Trittin kam im Bundesrat nicht durch, und unsere Lösung kam im Bundestag nicht durch.

Was ist passiert? Mehrere Monate lang gar nichts, und genau in dieser Zeit ist die Quote massiv verfallen. Diesen Vorwurf muss man Trittin nun tatsächlich machen, dass gar nicht der Versuch einer Einigung unternommen worden ist. In genau der Phase, in der die Mehrwegquote am stärksten gesunken ist, nämlich in den letzten sechs, acht Monaten, ist nichts passiert, und das ist wirklich ein Problem.

(Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)