Ich denke, es ist ganz wichtig, nicht immer nur auf den Bund und auf Berlin zu zeigen, sondern auch die Hausaufgaben im eigenen Land zu machen. Und da gibt es, lieber Herr Minister, noch einiges zu tun: Beim Heimbau gab es bisher Mittelkürzungen, und jetzt gibt es gebrochene Wahlversprechen. In der Heimaufsicht haben wir seit Jahren und nicht erst seit Rot-Grün in Berlin an der Regierung ist zu wenige Stellen.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Glauben Sie, dass Sie mit der Stelle in der Aufsicht die Qualität ver- bessern?)
Im Bereich Personal gibt es die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir haben einen Mangel an Hochschulplätzen; Weiterbildungsregelungen kommen zu spät. Die Imagekampagne wird kaum wahrgenommen.
(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Die reden Sie auch schlecht! Gegenruf von der SPD: Wo nichts ist, kann man auch nichts schlechtreden!)
Pflegequalität, noch immer zu wenige Betreuungsgruppen im Land, noch keine Aussage zu den Kofinanzierungsmitteln aus dem Pflegeleistungsergänzungsgesetz, zumindest nicht während der Haushaltsberatungen. Wenn Sie sich erinnern: Dazu gab es einen Antrag.
Ein ganz wichtiger Punkt: Vor- und Umfeld pflegen, damit ein stationärer Aufenthalt vielleicht gar nicht notwendig wird.
Beratung: Ich erinnere nur daran, wer die Förderung der IAV-Stellen gestrichen hat. Das war keine SPD/GRÜNEBundesregierung in Berlin, sondern das war die Landesregierung von Baden-Württemberg.
Also, auf diese Bilanz können Sie wirklich nicht stolz sein. Ich bitte Sie: Lassen Sie uns alle gemeinsam im Land das Thema Pflege anpacken, damit wir dabei einen Schritt weiterkommen.
Aktuelle Debatte Empfehlen sich Änderungen im Familienrecht, um die anonyme Geburt in Baden-Württemberg zu ermöglichen? beantragt von der Fraktion der FDP/DVP
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem wir uns bisher mit den letzten Jahren des Lebens beschäftigt haben, kommen wir nun zum Lebensanfang.
Vor einigen Wochen haben wir uns alle darüber gefreut, dass es neben Karlsruhe nun auch in Stuttgart eine so genannte Babyklappe gibt, wo Kinder zur anonymen Adoption abgegeben werden können, ohne dass sich die Mutter zu ihrem Kind bekennt. Dabei hat sich aber auch schon angedeutet, dass es noch ein Defizit gibt.
An dem Dienstag, als wir beschlossen hatten, aufgrund des zurzeit laufenden Prozesses zum letztjährigen Fall aus Pleidelsheim diese Aktuelle Debatte zu beantragen, wurde abends in Zuffenhausen die Plastiktüte mit dem gleichermaßen grausigen wie traurigen Inhalt gefunden. In der gleichen Woche stand in der Zeitung ein Bericht über den Fund in einem Müllschlucker in Berlin. Es ist eben immer noch so, dass Frauen in aus ihrer Sicht ausweglosen Situationen unter unwürdigen Umständen Kinder auf die Welt bringen und sie dann nicht bei sich behalten können.
Nun kann man fragen: Warum müssen wir das hier diskutieren? Wir hatten ja im November eine entsprechende Debatte im Sozialausschuss, und auch der Bundestag befasst sich zurzeit mit diesem Thema. Aber es gibt dabei etwas, was bisher noch nicht so recht behandelt worden ist. Alle, die sich bisher damit befasst haben, wollen das öffentliche Recht ändern, befassen sich mit dem Personenstandsgesetz und mit den Verwaltungsvorgängen, die mit einer Geburt
verbunden sind. Das ist richtig, und das muss auch geändert werden. Aber dabei fehlt ein Wesentliches: die Verankerung dieser Tatsache auch in dem Buch, das schon vom Namen her den Bürgerinnen und Bürgern am nächsten steht, nämlich im Bürgerlichen Gesetzbuch, in dem das Familienrecht geregelt ist. Wenn wir es ordentlich machen wollen, müssen wir dort in den Bereichen, in denen die Abstammung geregelt ist, in denen es um elterliche Gewalt geht, in denen die Vormundschaft geregelt ist, entsprechende Änderungen vornehmen. Dies wollen wir mit der heutigen Diskussion anregen.
Meine Damen und Herren, es geht dabei nicht nur um einen Gesetzestext. Mir geht es vielmehr auch um die Darstellung eines Wertewandels, eines Wandels in der Einstellung. Sind wir einmal ehrlich: Gerade in der letzten Debatte wurde die Demographie angesprochen. Wir haben zu viele alte Menschen im Verhältnis zu den jungen Menschen. Kann es dann in unserem Lande tatsächlich noch eine Schande sein, ein Kind auf die Welt zu bringen, gleich unter welchen Umständen?
Ich meine, dass dies keine Schande sein darf, sondern dass das in Würde möglich sein muss. Ich glaube, dass auch die Kirche nichts dagegen haben kann. Denn schließlich steht im Neuen Testament deutlich geschrieben, dass Jesus alle Menschen willkommen sind, gerade auch die Kinder und gerade auch Frauen, die gefehlt haben.
Ich denke, dass man das wirklich einmal deutlich benennen muss und nicht scheinheilig darum herumreden darf.
Ich sage Ihnen eines: Diese Frauen sind gestraft genug. Die haben über mindestens sechs Monate eine Schwangerschaft geheim gehalten. Wer selber schon einmal schwanger war, kann sich vorstellen, wie schwierig das ist und welche seelischen Belastungen das mit sich bringt. Die Frauen sehen keinen Ausweg und meinen, sie müssten sich von ihrem Kind trennen und könnten es nicht behalten. Das ist keine Entscheidung, die eine Frau einfach so locker fällt. Denn sie wird sie ein Leben lang begleiten.
Deswegen und auch im Sinne der Würde des Kindes, das da auf die Welt kommt, meinen wir, dass es notwendig ist, zu verhindern, dass eine Geburt irgendwo auf einer Toilette oder hinter einer Hecke stattfindet, wo nicht nur die erforderlichen medizinischen Gegebenheiten nicht vorhanden sind, sondern auch jeder menschliche Beistand fehlt. Die Geburt muss in einer würdigen Umgebung, wo dies geregelt ist, erfolgen, und wir müssen den entsprechenden Notwendigkeiten im Personenstandsgesetz dann dadurch nachkommen, dass das Krankenhaus, in dem die Entbindung stattfindet, die Geburt anmeldet, nachdem sich die Frau nicht mehr dort befindet.
Dazu gehört auch, dass man diesen Frauen eine Bedenkfrist einräumt. Wenn man vergleicht, stellt man fest: In anderen Ländern und auch in Deutschland gibt es ja schon entsprechende Versuche. Sehr viele Frauen können sich, wenn sie in Ruhe nachdenken können und entsprechend beraten werden, für ihr Kind entscheiden, und man kann ihnen helfen, als Mutter und Kind in Würde zu leben. Aber dazu brauchen wir einfach die Möglichkeit, der Frau zu sagen: Wir belassen dich zunächst einmal in diesem Schonraum.
Was stets auch ein Thema ist, ist die Aussage: Dieses Kind hat keine Wurzeln. Das ist eine schwierige Problematik das weiß man heute , aber man muss natürlich gegeneinander abwägen, und aus meiner Sicht ist das Recht des Kindes auf Leben noch ein Stückchen wichtiger als das Recht darauf, zu wissen, woher es abstammt.
Aber es soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass eine Frau, die die anonyme Geburt wahrnimmt, auch Daten hinterlegt, und zwar mit dem Ziel, dass sie dem Kind, wenn es 16 Jahre alt ist, ausgehändigt werden. Das halte ich für eine gute Sache; ich würde es auch gut finden, wenn man der Frau die Möglichkeit gibt, einen Namen für ihr Kind zu bestimmen, weil es ein Bezug ist, der auch für das Kind wichtig ist, wenn man ihm sagen kann: Deine Mutter hat diesen Namen für dich ausgesucht.
Die Frage lautet im Moment, wie lange die Frist dauert, bis zu deren Ablauf die Frau diesen Brief, den sie da abgibt, zurückfordern kann, und ich habe gehört, es gebe Bestrebungen, dass es sich bei dieser Frist nur um die acht Wochen handeln solle, in denen sie sich grundsätzlich pro oder kontra Kind entscheiden kann. Das halte ich für absolut unpraktisch. Denn in dieser Zeit gebe ich keinen Brief ab, wenn ich noch nicht sicher bin, und wenn die Chance dann weg ist, ist sie weg. Ich meine, die Frau sollte wirklich, bis das Kind 16 Jahre alt ist, die Möglichkeit haben, diesen Brief zurückzufordern. Mit jedem Tag, der über die acht Wochen hinausgeht, wird die Wahrscheinlichkeit geringer das Risiko ist gar nicht groß , dass sie ihn später zurückholt, aber wenn sie die Chance nicht hat, wird sie den Brief überhaupt nicht abgeben.
Eine Frage, die auch noch zu klären ist, ist natürlich: Wer zahlt diese Entbindung? Wenn man die Möglichkeiten einmal in Gedanken passieren lässt, kommt man zunächst auf die Lösung Sozialhilfe. Denn die Krankenkasse würde ich ausschließen, weil eine zuständige Krankenkasse ja nicht auffindbar ist. Welche Krankenkasse wäre da auch zuständig? Eine Finanzierung über die Sozialhilfe belastet aber wiederum die Kommune. Wir haben im Moment sehr viele Probleme, dass den Kommunen Dinge überantwortet werden, bei denen sie sagen, da werde ihnen eine Aufgabe zugeordnet, ohne das Geld mitzuschicken.
In diesem speziellen Fall wäre es deshalb besonders problematisch, weil eine Frau, wenn sie eine anonyme Geburt hat, denke ich, nicht in das heimische Krankenhaus gehen wird. Das heißt, man kann es eigentlich nicht der Standortkommune des Krankenhauses anlasten. Deswegen würde ich es für richtig halten, wenn in dieser mit Sicherheit kleinen Zahl der Fälle und die wird klein bleiben das Land hierfür die Kosten übernimmt.
Warum bin ich so sicher, das der Betrag klein bleiben wird? Es gibt ja Erfahrungen. Frankreich hat bereits 1993 die Möglichkeit, ja sogar den Anspruch der Mutter auf anonyme Geburt im Code Civil, also auch im Bürgerlichen Gesetzbuch, festgeschrieben, und dort handelt es sich inzwischen um 0,1 % aller Geburten. Ich denke, das müsste etwas sein, was in unserem Landeshaushalt noch Platz findet.
Wir fordern das Land auf, mit einer Bundesratsinitiative dafür zu sorgen und ich gehe davon aus, dass wir das hier auch im Konsens beschließen können , eine menschenwürdige Lösung zu finden, die auch im BGB ordentlich verankert wird und die dann entsprechend bekannt gemacht werden kann.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Fraktion hat mit ihrer Landtagsanfrage vom vergangenen Sommer die Problematik der anonymen Entbindungen als eine der ersten Initiativen des neuen Landtags aufgegriffen. Von unserer Fraktion stammt auch die Beschlussempfehlung des Sozialausschusses vom Herbst, die Landesregierung möge eine Gesetzesinitiative vorlegen. Deswegen denke ich, Frau Berroth, dass dieser Punkt schon sehr interessant ist.
Auch die heutige Fragestellung lässt die Deutung zu, es handle sich primär um ein Problem des Familienrechts oder des Melderechts. Wir haben hier aber kein primäres Problem der Rechtsstaatlichkeit, sondern eine sehr ernste gesellschafts- und sozialpolitische Fragestellung zu diskutieren.
Die jüngsten Todesfälle ein verhungertes Kind und ein direkt nach der Geburt umgebrachter Säugling in der vergangenen Woche zeigen, dass unsere derzeitigen Angebote zumindest für solche Fälle nicht ausreichen. Es ist nicht mehr als redlich, auch zu sagen, dass wir nicht wissen, ob wir solche Fälle künftig gänzlich vermeiden können, wenn wir die Möglichkeit einer anonymen Entbindung einführen.
Die anonyme Entbindung ist eine Weiterentwicklung des Babyklappenangebots. Frauen, die sich entscheiden, ihr Kind auszutragen, sich aber nicht zu ihrem Kind bekennen können, haben bei Einführung der anonymen Entbindung nicht nur die Möglichkeiten der Babyklappe, die vorhanden bleiben, sondern sie haben und das ist der ganz entscheidende Vorteil die Sicherheit einer gesundheitlichen Versorgung des Kindes und der Mutter in der Situation der Geburt. Wenn man noch etwas weitergehen und es korrekt machen wollte, müsste man bei diesem Punkt auch über Geburtsvorsorge reden.
Die geringe Zahl der bisher abgegebenen Kinder zeigt, dass das Babyklappenangebot in Deutschland noch nicht die optimale Lösung ist. Nach der jüngsten Statistik werden derzeit in Deutschland pro Jahr 40 Kinder ausgesetzt aufgefunden. 20 davon, also 50 %, sterben, weil sie nicht rechtzeitig gefunden werden, weil sie unterkühlt sind und eine entsprechende medizinische Mangelversorgung aufweisen.