Protokoll der Sitzung vom 20.06.2002

(Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es! Abg. Teßmer SPD: Ach was! Stimmt doch gar nicht!)

Dies muss man einmal ganz klar sehen. Das sind völlig unterschiedliche Aussagen. Künast spricht vom Ende der Agrarfabriken, vom Ende der Massentierhaltung, von betrieblichen und regionalen Kreisläufen, von dem Ziel, das Leitbild der ökologischen Landwirtschaft mit einem Anteil von bis zu 20 % an der Produktion zu erreichen.

(Abg. Walter GRÜNE: Sehr gut!)

Sie hat das Biosiegel verwässert und hat die Steigerung des Absatzes außer Acht gelassen.

(Abg. Walter GRÜNE: So ein Quark! Red doch nicht!)

Die Folgen waren ein Angebots- und Kostendruck auf unsere baden-württembergische Ökolandwirtschaft

(Abg. Teßmer SPD: Hat das was mit Nitrofen zu tun? Komm zum Thema!)

und eine Verunsicherung der übrigen Landwirtschaft.

Meine Damen und Herren, es ist legitim, wenn Künast ökologischen Landbau unterstützt. Es ist aber verheerend, wenn sie dies auf Kosten der konventionellen Landwirtschaft tut. Ich nenne hier nur die Stichworte Tierschutz, Gesundheit, Umweltschutz. 97 % unserer Landwirte werden dabei verunglimpft.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU Abg. Teßmer SPD: Das hat doch mit Nitrofen nichts zu tun!)

Herr Teßmer, immer wenn Sie schreien, weiß ich, dass ich total richtig liege.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die Einbindung, meine Damen und Herren, in die EU-Agrarpolitik,

(Abg. Walter GRÜNE: Wer hat denn das geschrie- ben?)

die internationalen Verträge, die es auf EU-Ebene gibt, haben Schlimmeres durch Künast verhindert. Deshalb versucht Künast jetzt, durch Verschärfungen von Rechtsvorschriften Naturschutzgesetzgebung, Hennenhaltungsver

ordnung, geplante Schweinehaltungsverordnung richtige Verluste von Marktanteilen für die deutsche Landwirtschaft zu produzieren. Meine Damen und Herren, dadurch entsteht eine Abwanderung der Produktion in Billigländer. Dazu kommt, dass sie den Rückzug aus Forschung und Entwicklung angetreten hat.

Nitrofen zeigt auch: Die Einhaltung der Gesetze muss besser kontrolliert werden. Die Strafen sind meines Erachtens nicht streng genug. Aber unsere Gesetze reichen meines Erachtens aus.

Ich muss aber eines auch noch feststellen: Die aktuellen Vorkommnisse in Hessen zeigen in eklatanter Weise, wie die Bundesverbraucherministerin versagt hat. 6,5 Tonnen nitrofuranbelastetes Geflügelfleisch aus Brasilien ist dort in den Handel gekommen.

(Abg. Walter GRÜNE: Das ist ja unglaublich!)

Dies ist der Bundesregierung, Herr Walter, seit Monaten bekannt. Und was macht Künast? Künast führt mit der EU einen Schriftwechsel. Mehr ist nicht geschehen.

(Abg. Walter GRÜNE: Das ist die Lüge vom Hein- rich von heute Morgen!)

Die Verbraucher bekommen weiterhin dieses Fleisch; es wird weiter Geflügelfleisch aus Brasilien und Thailand nach Deutschland importiert. Dies muss man klar sehen. Künast hätte einen Importstopp für Geflügelfleisch aus Brasilien und aus Thailand verhängen müssen, um der Volksgesundheit entgegenzukommen! Dies hat sie aber nicht gemacht; sie schreibt nur Briefe. Künasts Politik ist gescheitert.

(Abg. Kübler CDU: Jawohl!)

Wir in Baden-Württemberg dagegen das muss man einmal ganz klar sehen haben die Lebensmittelüberwachung neu organisiert. Wir haben die Lebensmittelüberwachung im Land gebündelt; wir haben aus fünf Ministerien einen Schwerpunkt im MLR gebildet und neue Strukturen geschaffen. Unsere Lebensmittelkontrolleure können nicht immer hingestellt werden, als wenn sie nicht das Optimale für das Land leisten würden.

In diesem Zusammenhang möchte ich eines sagen: Es kann aber auch nicht sein wir haben bei BSE über 60 Neueinstellungen beim Land gehabt , dass in Zukunft bei jedem Lebensmittelskandal, der kommen wird, wieder zusätzliche Personaleinstellungen vorgenommen werden, sondern es muss auch auf die Selbstverpflichtung der Betriebe und die Eigenkontrolle der Nahrungsmittelhersteller Wert gelegt werden, und wir brauchen meines Erachtens auch mehr Kapazitäten bei privaten Labors. Denn wenn wir zum Beispiel eine Mehrwertsteuererhöhung nur deshalb bekommen würden, weil wir mehr Leute in der Lebensmittelüberwachung hätten, wäre das meines Erachtens nicht gut, weil Lebensmittelchemiker verschiedene Bereiche untersuchen können.

Ich möchte jedem, der hier mitredet, empfehlen, einmal bei den Untersuchungsämtern vorbeizuschauen und sich anzusehen, in welchen Gruppen entsprechende Proben untersucht werden. Je nachdem, in welchem Bereich wir höhe

ren Untersuchungsbedarf haben, werden dort schwerpunktmäßig auch mehr Proben gezogen, und ich muss sagen: Wenn wir die totale Überwachung beim Staat haben, dann ist es völlig richtig, dass man beim Staat und auch bei den Labors usw. kontrolliert, aber Tatsache ist: Der Staat muss in diesem Bereich bei seiner ureigensten Aufgabe bleiben. Es kann nicht sein, dass wir zusätzlich ein Kontrolleur- und Laborheer aufstellen. Dies würde im Endeffekt auch den Verbraucher massiv mit Steuererhöhungen treffen.

Ich möchte noch eines feststellen. Für einen optimalen Verbraucherschutz brauchen wir gleiche Standards in Europa. Wir müssen innerhalb Europas für gleiche Standards arbeiten, und wir müssen die Außengrenzen noch besser kontrollieren, damit unsere Standards eingehalten werden. Heimische Produkte stehen nämlich im Wettbewerb, zum Beispiel mit Produkten aus Brasilien und Thailand. Diesen Preiskampf muss man klar sehen. Unsere Produkte sind in dieser Hinsicht in Ordnung.

Dem Verbraucherschutz ist am besten gedient, wenn die Staatstätigkeit auf unverzichtbare hoheitliche Aufgaben ausgelegt wird. Ökologische sowie auch konventionelle, landwirtschafts-, umwelt- und gesundheitsverträgliche Produkte müssen konsequent kontrolliert werden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Minister für Ernährung und Ländlichen Raum Willi Stächele.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Zurufe der Abg. Brigitte Lösch und Walter GRÜ- NE Zuruf: Neue Geschäftsordnung!)

Ich halte mich daran. Ich weiß, was ich dem Parlament schuldig bin.

Ich will gerne, gewissermaßen in der Halbzeit, eine erste Stellungnahme abgeben, weil ich bestrebt bin, dazu beizutragen, dass wir gleichermaßen interessante wie auch muntere Debatten führen können. Erneut geht es um ein sehr wichtiges Thema, nämlich die Lebensmittelsicherheit und das Recht der Verbraucher auf gesunde Nahrungsmittel. Der bisherige Debattenverlauf war auch für mein Ressort nicht unfreundlich.

Lieber Herr Kollege Walter, Sie haben natürlich pflichtgemäß Frau Künast verteidigen müssen. Und sicher hat auch die Fraktionsdisziplin Sie davon abgehalten, ein dickes Lob für Baden-Württemberg und den hiesigen Ressortminister auszusprechen. Ich hätte das Lob nämlich gern an all die Mitarbeiter weitergegeben, die tüchtig und tatkräftig nach der ersten Meldung hier in Baden-Württemberg gehandelt haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ein Lob von Herrn Teßmer an den Staatsrat: Auch das muss im Protokoll dick unterstrichen werden.

(Abg. Teßmer SPD: Das war aber Vorschusslob!)

(Minister Stächele)

Und ich füge an: Das Lob ist berechtigt,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

weil in der Tat das, was uns an wissenschaftlicher Beratung gut tut, von unserem Staatsrat kommt, und wir beherzigen das auch. Deswegen wäre der Gedanke, ihn einmal als „Berlin-Hilfe“ für ein paar Wochen auszuleihen, gar nicht so abwegig.

(Abg. Teßmer SPD: Das war nicht gut!)

Lieber Herr Teßmer, ich will auf einen Punkt eingehen, den Sie angesprochen haben. Da sind wir uns ja einig: In der Tat müssen wir die jetzt noch gültigen Rückstandshöchstmengen betrachten. Es gibt bereits eine Initiative Baden-Württembergs in Form eines Briefes an die Frau Bundesminister, dass uns geholfen werden muss, wenn es darum geht, unterhalb der jetzigen Rückstandshöchstmengen eingreifen zu können. Sie wissen, dass wir im Moment bei Nitrofen eine Rückstandshöchstmenge von 0,01 Milligramm pro Kilogramm haben. Das gilt sowohl für die ökologischen als auch für die konventionellen Produkte. Dass wir mit unseren Messgeräten weit darunter greifen können, steht außer Frage. Es gibt auch den Willen Berlins zu handeln, aber leider nicht im Wege einer Eilverordnung, wie wir uns das vorgestellt hätten, um Verbraucherschutz sofort sicherzustellen,

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

sondern man glaubt, aus Rechtsgründen den Weg der Verordnung wählen zu müssen. Das würde bedeuten, dass wir neun Monate darauf warten müssten, und birgt damit eine Rechtsunsicherheit, die mir Unwohlsein bereitet.

(Abg. Teßmer SPD: Das dürfen Sie aber sofort umsetzen, wenn Sie wollen!)

Gleichzeitig bemühen wir uns, Rechtsklarheit zu schaffen, um tatsächlich auch unterhalb der Rückstandshöchstmenge eingreifen zu können.

Nun ein paar Sätze zu Ihnen, lieber Kollege Walter. Ich würde an Ihrer Stelle nicht immer wieder reflexartig die bisherige, die konventionelle nachhaltige Agrarpolitik irgendwie, auch wenn es an den Haaren herbeigezogen wird, in eine Mitverantwortung ziehen. Das passt einfach nicht zu diesem Thema.