PISA sagt, dass über alle Schularten hinweg und das finde ich hochinteressant Baden-Württemberg auf einem hohen Niveau liegt. Darauf wurde bereits hingewiesen. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass Baden-Württemberg in bestimmten Bereichen etwa im gymnasialen Bereich nicht den Spitzenplatz belegt, sondern manchmal auch nur den dritten oder vierten Platz.
Ja, natürlich, sage ich ja. Wenn dies aber stimmt, Herr Kollege, dann bedeutet das gleichzeitig im Umkehrschluss, dass gerade unsere Hauptschulen und unsere Realschulen eine besonders hohe Qualität aufweisen. Das finde ich eigentlich sehr erfreulich.
Ich füge eines hinzu: Gerade die Hauptschule ist eine der Schulen, in denen in besonderer Weise auch gesellschaftspolitische Arbeit geleistet wird.
Wenn wir auch in Zukunft dieses besondere Engagement an den Hauptschulen fördern und fordern wollen, sollten wir uns überlegen, ob es in Ordnung ist, dass es an der Hauptschule kein Beförderungsamt gibt. Meine Damen und Herren, ich will schon, dass das besondere Engagement an der Hauptschule auch dadurch unterstrichen wird, dass wir den Lehrerinnen und Lehrern zumindest einmal in ihrem Berufsleben die Möglichkeit geben, befördert zu werden. Ich finde, auch hier sind Korrekturen notwendig.
Im innerdeutschen Vergleich darauf wurde schon hingewiesen gibt es Licht und Schatten. Es gibt das Licht, dass wir in Baden-Württemberg eine sehr hohe Abiturientenquote haben. Es wird darauf hingewiesen, dass wir in Baden-Württemberg die geringste soziale Selektion haben. Wir haben die am schwächsten ausgeprägten sozialen Disparitäten.
Das heißt nichts anderes, als dass in Baden-Württemberg die Entkoppelung der Bildungschancen von der sozialen Herkunft in besonders guter Weise gelungen ist. Dies empfinde ich als ein beachtliches Kennzeichen.
Wenn Sie sich ansehen, wer auf das Gymnasium geht, dann werden Sie feststellen, dass der Besuch des Gymnasiums in keinem Land so wenig von der sozialen Herkunft abhängig ist wie gerade in Baden-Württemberg.
40 % der Hochschulzugangsberechtigten bekommen die Hochschulzugangsberechtigung nicht über das Gymnasium, sondern erreichen sie über den Weg der Hauptschule und der Realschule. Meine Damen und Herren, 40 % erreichen dies über die Hauptschule und die mittlere Reife! Da kann ich nur sagen: Wenn 40 % der Hochschulzugangsberechtigten ihren Zugang zur Hochschule nicht über das Gymnasium bekommen, sondern über den Umweg der Hauptschule auf der einen und der Realschule auf der anderen Seite, dann ist dies auch ein deutlicher Beweis dafür, dass unser Schulwesen durchlässig ist.
Wir haben ein durchlässiges Schulwesen; und die Durchlässigkeit ist die Voraussetzung für ein funktionierendes gegliedertes Schulwesen. Ich sage jedenfalls: PISA liefert nicht den geringsten Grund dafür, von einem erfolgreichen gegliederten Schulwesen abzugehen. Im Gegenteil, PISA bestätigt im Grunde genommen den Erfolg eines gegliederten Schulwesens.
Man muss das offen ansprechen; ich will hier nicht nur Positivmeldungen verkünden, sondern auch Schwachpunkte ansprechen. Diesen Schwachpunkt gibt es ganz eindeutig.
Es gibt einen Bereich, in dem wir uns sehr anstrengen müssen, nämlich bei Kindern mit Migrationshintergrund. Bei Kindern mit Migrationshintergrund bleiben wir deutlich hinter deutschen Kindern zurück auch im nationalen Vergleich. Kinder mit Migrationshintergrund haben die schlechtesten Chancen, etwa die Realschule oder das Gymnasium zu besuchen. Das ist ein schlechtes Zeugnis, das da festzustellen ist. Wenn Sie sich heute die Zeitungen anschauen, werden Sie leicht feststellen, dass zum Beispiel das Statistische Landesamt zu einem ähnlichen Ergebnis kommt.
Ich glaube, dass die Schulen natürlich eine Integrationsaufgabe haben einverstanden. Schulen haben die Aufgabe zur Integration, aber sie werden sie nicht alleine schaffen. Sie werden sie deshalb nicht alleine schaffen, weil sie in der Regel erst zu spät mit dieser Aufgabe beginnen können. Deshalb ist es schon richtig, wenn wir sehr genau überlegen und auch handeln, um den Bildungsauftrag unserer Kindergärten neu zu definieren.
Eine Neudefinition des Bildungsauftrags der Kindergärten bedeutet nichts anderes, als dass wir mit der Sprachförderung einfach früher anfangen müssen. Spätestens im fünften Lebensjahr muss Sprachförderung ein zentrales Thema sein. Wenn die Kinder schon hier sind, ist es besser, bereits im Kindergarten mit der Sprachförderung zu beginnen und damit nicht zu warten, bis sie in die Grundschule eingeschult sind. Meine Damen und Herren, ich teile voll die Meinung des Kollegen Oettinger: Wir müssen dazu kommen, dass jedes Kind, das in die Grundschule eingeschult wird mit welchem Hintergrund auch immer , der deutschen Sprache mächtig ist. Die Aufgabe der Förderung von Sprachkompetenz muss in Zukunft bereits früher, muss schon im Kindergarten angesiedelt werden.
Es kann übrigens auch umgeschichtet werden. Da müssen nicht erst zusätzliche Millionen ins System geschaufelt werden; das ist überhaupt nicht nötig. Ich will daran erinnern, dass uns im Augenblick für internationale Vorbereitungsklassen, die Sprachförderung betreiben, pro Jahr rund 22 Millionen im Haushalt zur Verfügung stehen. Wenn es gelingen würde, auch nur einen Teil dieser 22 Millionen , die im Augenblick für internationale Vorbereitungsklassen in der Schule verwendet werden in der fünften, sechsten und siebten Klasse , in den Kindergarten umzuschichten, wäre schon eine Menge gewonnen. Man sieht also: Nicht alles, was gut ist und was getan werden könnte, ist auch mit zusätzlichen Kosten verbunden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube also nicht, dass unser Bildungssystem von Grund auf umgekrempelt werden muss. Vor allem glaube ich nicht, dass wir uns darauf konzentrieren sollten, die äußere Schulform ins Visier zu nehmen. Vielmehr kommt es vor allem darauf
an, die Qualität unseres Schulwesens zu verbessern. Ich glaube nicht, dass hier die Finanzen die entscheidende Rolle spielen. PISA belegt, dass wir in Baden-Württemberg die zweithöchsten Bildungsausgaben pro Schüler tätigen.
Sie können es ja nachlesen. Gleichzeitig haben wir die zweitniedrigsten Kosten pro Unterrichtsstunde. Die Mittel, die Baden-Württemberg für die Gestaltung des Bildungswesens zur Verfügung stellt so in der PISA-Studie nachzulesen , sind jedenfalls effektiv eingesetzt.
Ich glaube aber, wir sollten uns um einen Punkt Gedanken machen, der bei der PISA-Studie gar keine Rolle spielt: das berufliche Schulwesen. Es spielt bei PISA und auch in dieser Debatte eigentlich keine Rolle, aber ich weise trotzdem darauf hin, meine Damen und Herren. Ich bin nach wie vor ein Anhänger einer Schulpolitik, die darauf abstellt, dass wir eine Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung erreichen müssen. Ich bin der Meinung, dass wir von diesem Ziel noch relativ weit entfernt sind.
(Beifall bei der FDP/DVP und der SPD Abg. Wintruff SPD: Das ist wahr! Abg. Dr. Caroli SPD: Meilenweit!)
Zum Schluss will ich noch einen Punkt ansprechen, der in der PISA-Studie ebenfalls keine Rolle spielt, der mir aber wichtig zu sein scheint: Wie können wir zum Beispiel etwas für die Konzentrationsfähigkeit unserer Kinder tun, ohne dass es auch nur einen Pfennig Geld kostet? Sie wissen, dass die Konzentrationsfähigkeit durchaus ein wichtiges Thema ist. Ich rate Ihnen dringend, sich insbesondere einmal das zweite Schulhalbjahr unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses von Unterrichtstagen auf der einen und schulfreien Tagen auf der anderen Seite anzuschauen. Dann werden Sie feststellen,
dass wir hier fast eine Situation haben, in der Ferien ich formuliere es überspitzt bisweilen durch Unterricht unterbrochen werden. Das zweite Schulhalbjahr ist durch einen Flickenteppich gekennzeichnet. Ich bin sehr dafür, dass wir auch dieses Thema einmal aufgreifen und uns überlegen, ob das zweite Schulhalbjahr wirklich so gestaltet werden muss, dass wir einen Flickenteppich von vielen freien Tagen, Urlaubstagen, Brückentagen und vielem anderem mehr haben, durch die der Unterricht ständig unterbrochen wird. Ich glaube, wir könnten durch eine Neuordnung der Ferienlandschaft, insbesondere im zweiten Schulhalbjahr, sofort die Konzentrationsfähigkeit unserer Schülerinnen und Schüler erhöhen, ohne dass dies einen Pfennig Geld kosten würde.
Meine Damen und Herren, ich habe die PISA-Studie als eine Chance verstanden und sehe das immer noch so. Ich verstehe PISA zum Teil als einen heilsamen Schock. Das gilt für die Bundesrepublik, aber natürlich auch für uns al
le; darauf habe ich hingewiesen. Ich bin sehr dafür, dass wir die Bildungspolitik zu einem Topthema der Landespolitik machen. Nur weise ich noch einmal darauf hin: Es wird nicht ausreichen, wenn nur die Bildungspolitiker dieses Thema zu einem Topthema machen. Wir werden das Thema Bildungspolitik nur dann in gewünschtem Umfang in die Köpfe der Menschen bzw. der Beteiligten bringen, wenn es uns gelingt, der Gesamtgesellschaft den besonderen Wert von Bildung in einem Lande deutlich zu machen, das eben keine Rohstoffe zur Verfügung hat außer einem einzigen Rohstoff, nämlich den Fähigkeiten und dem Können der Menschen in diesem Land.
meine Damen und Herren! PISA hat unser Schulsystem und die Bildung zu einem Topthema der Politik gemacht. Warum? Es war der Blick von außen, der internationale Vergleich, der sie zum Spitzenthema gemacht hat. Den nationalen Vergleich erleben wir hier seit 20 Jahren in jeder bildungspolitischen Debatte, aber er hat sie jedenfalls nicht zum Topthema gemacht.
Im internationalen Vergleich sind wir eben nur Mittelmaß. Verglichen mit dem föderalen Kanada, wo es ebenfalls große Unterschiede gibt, ist die schlechteste dortige Provinz immer noch besser als Baden-Württemberg. Der internationale Abstand und die großen Binnenunterschiede haben jetzt den Ruf nach Bundeszuständigkeit laut werden lassen. Er ist leider ziemlich populär, obwohl ich persönlich es für den GAU der Bildungspolitik hielte, wenn es dazu käme.
Ein jahrzehntelanger ideologischer Streit und parteipolitisches Gezänk hie dreigliedriges Schulwesen, hie Gesamtschule haben mit dazu beigetragen. Irgendwie haben die Leute keinen Respekt vor einem provinziellen Schrebergartenföderalismus, sondern wollen sich messen mit den Besten in der Welt. Nur so kann man Wettbewerbsföderalismus in der Bildungspolitik verstehen.
Auch im innerdeutschen Vergleich, Frau Kultusministerin Herr Kollege Drexler hat es schon gesagt , kann man nicht zufrieden sein. 20 %, jeder fünfte Schüler in BadenWürttemberg erreicht bei der Lesefertigkeit die Kompetenzstufe I. Das heißt, er kann als 15-Jähriger so gut lesen wie ein Grundschüler. Ich meine, da müssten doch die Alarmsirenen aufheulen. Da kann das Ergebnis, dass wir in